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Zeit und Geschichte

Der stalinistische Terror, Katyn und das Verbot von Memorial

Michaela Maria Müller
Autorin
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Michaela Maria MüllerSamstag, 01.01.2022

Ende Dezember 2021 hat das Oberste Gericht Russlands nun den Dachverband der ältesten Menschenrechtsorganisation Memorial International zwangsaufgelöst. Regionale Organisationen bestehen derzeit zwar noch weiterhin, es ist aber zu befürchten, dass auch sie ihre Arbeit bald nicht mehr fortsetzen können. 30 Jahre lang haben sie Zeitzeug*innen befragt, Archive angelegt, Bildungsprojekte durchgeführt – also zivilgesellschaftlich die Erinnerungskultur an die Zeit des stalinistischen Terrors gefördert.

Diese Dokumentation von Cédric Tourbe entstand auch unter der Zuhilfenahme von Akten, die Memorial zur Verfügung gestellt hat, und rekonstruiert die Geschichte des Massakers von Katyn und anderen Orten, an denen 22.000 polnische Offiziere, Reserveoffiziere und Zivilist*innen von Anfang April bis Mitte Mai 1940 ermordet wurden, und die schon weit vorher beginnt: Bei der Gründung der Tscheka, der politischen Polizei der Bolschewiken im Jahr 1917, die dann später zum NKWD umbenannt wurde.

Unfassbar die Millionen Opfer während der Kollektivierung der Landwirtschaft Anfang der 1930er-Jahre (in der Dokumentation werden Bilder aus der Ukraine gezeigt), die durch die Hungersnot, verursacht durch die Politik der Regierung Stalins, ums Leben kamen. Begleitet von Liquidierungen, die Opfer verscharrt in Massengräbern. Terror, Deportationen von Familien in die neu geschaffenen Gulags und Inhaftierungen in sogenannten Klostergefängnissen, wo die Geistlichen in einer vorhergegangenen Säuberungswelle getötet wurden. 

Nachdem die Rote Armee am 17. September 1939 Ostpolen besetzte, wurden Hunderttausende Gefangene genommen. Die Dokumentation arbeitet auch mit Ausschnitten des Spielfilms "Das Massaker von Katyn" des polnischen Regisseurs Andrzej Wajda, dessen Vater im Sonderlager Starobelsk bei Charkow ermordet wurde.

Heute weiß man: Anfang 1940 wurden in sechs Wochen 22.000 Menschen liquidiert, oft in der Nacht, im zwei Minuten-Takt, mit deutschen Walther-Pistolen, immer mit einem Schuss in den Hinterkopf: 6.287 Menschen in Kalinin, 3.896 in Charkow, 4.404 in Katyn, 7.305 in Kiew. 60.000 polnische Frauen und Kinder der Ermordeten wurden anschließend in Gulags deportiert. Aus den Akten geht hervor, dass 47 der NKWD-Angehörigen, die die Hinrichtungen durchgeführt hatten, im Oktober 1940 ein zusätzliches Monatsgehalt bezogen haben. 

Es sind nur Listen, schreibt die in Moskau lebende Journalistin Inna Hartwich, deren Großmutter Frieda während des stalinistischen Terrors ebenfalls deportiert wurde, die aber sehr viel bedeuten:

Memorial wurde ein Stück von mir. Der stalinistische Terror wurde ein Teil von mir, dieses gewaltige Trauma einer ganzen Nation. Die Listen von Memorial, sie erzählen nichts, wie auch Frieda nichts erzählt hat. Die Listen, sie führen Namen auf und Zahlen. Viele Namen und viele Zahlen. Ihre Masse offenbart alles. Sie offenbart all das, was das heutige Regime nicht hören will, nicht sagen will, nicht wahrhaben will.

In der Dokumentation wird auch nacherzählt, wie die Familien der Opfer von Katyn und den anderen Hinrichtungsorten nicht nur ihrer Angehörigen, sondern auch ihrer Geschichte beraubt worden sind. Die Staatslüge, dass das Verbrechen nicht vom NKWD, sondern 1941 von der Wehrmacht verübt wurde, wurde immer weitergegeben, erst 1990 bekannte sich die Sowjetunion dazu.

Aber das Engagement der Zivilgesellschaft ist nun nicht mehr erwünscht. Die Erinnerung an die Verbrechen des Stalinismus soll nun wieder dem Staat gehören.

Die wichtigste Lehre aus der Sowjetzeit, die Russland mithilfe von Memorial mühsam gelernt hatte, dass nämlich das Leben und die Würde des Einzelnen gegen die Interessen des Staates verteidigt werden müssen, diese Lehre muss nun ebenso mühsam wieder verlernt werden, auf Geheiß von ganz oben. Ein trauriger Kreis hat sich geschlossen.

Die lohnenswerte Dokumentation ist bis zum 11. Februar 2022 zu sehen.

Der stalinistische Terror, Katyn und das Verbot von Memorial

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