Wenn ich, soviel Nähkästchenplauderei sei mir bitte verziehen, in Workshops vor Nichtfachpublikum spreche, lasse ich immer irgendwann ein paar Sätze zum Thema „Aus der Geschichte lernen“ fallen, die meist begierig aufgesogen und mit der Frage ergänzt werden, ob sich die Geschichte nicht doch wiederholen würde. Steuert man in solchen Situationen nicht gegen, kann man mit der anschließenden Diskussion meist die restliche Zeit füllen. Es geht eine enorme Faszination vom Gedanken der immer gleichen Menschheitskreise aus, von der Vorstellung, wer die Vergangenheit kenne, wüsste auch, was in der Zukunft passiert.

Und weil diese Idee so verlockend ist, werden die historischen Parallelen überall herausgekramt, wo man sie zu finden meint. So nun zum Beispiel von Sven Felix Kellerhoff, der für die WELT versucht, den Anlauf zur vierten Wahl Konrad Adenauers mit der Ankündigung Angela Merkels zu vergleichen, 2017 noch einmal anzutreten. „Was folgte, dürfte ein interessantes Lehrstück für Angela Merkel sein, die nach langem Zögern jetzt ihren Anspruch auf eine vierte Amtszeit erhoben hat“ sagt Kellerhoff und vergisst dabei seine historische Expertise, die immer notwendige Beachtung des Kontextes. Denn nicht nur war Adenauer zu diesem Zeitpunkt schon 85 Jahre alt (Merkel ist 62), es boten sich auch zahlreiche starke Persönlichkeiten in CDU und CSU als Nachfolger an. Die Situationen sind nicht vergleichbar. Nichtsdestotrotz gelingt Kellerhoff ein anschaulicher Einblick in die frühe Bonner Republik, in der noch Strippen gezogen und nicht SMS verschickt wurden. Über die Gegenwart sagt uns das aber wenig.