Vor einem Vierteljahrhundert schaffte der Politologe Francis Fukuyama, wovon die meisten seiner KollegInnen nur träumen können: Er schuf ein geflügeltes Wort – und das auch noch mit einer Adaption Hegelscher Philosophie. Fukuyama postulierte das „Ende der Geschichte“, den endgültigen Sieg der liberalen Demokratie angesichts der Auflösung der weltpolitischen Systemblöcke. Die These wurde schon damals kontrovers diskutiert, mittlerweile dürfte ihr niemand mehr folgen – dem Ende des Kalten Krieges folgte eine Vielzahl an Klein- und Regionalkonflikten und schließlich der Siegeszug eines politisch-militärischen Islamverständnisses, das wiederum das geflügelte Wort vom „Clash of Civilizations“ (Samuel Huntington) weckt.

Höchste Zeit also, Fukuyama zum Stand der Welt und zu den Gründen für seinen Irrtum zu befragen. Die Neue Zürcher Zeitung am Sonntag hat das getan, herausgekommen ist ein mit knapp 25.000 Zeichen äußerst umfangreiches Gespräch, das rundherum lesenswert ist, auch wenn ein paar kritische Anmerkungen erlaubt sein müssen: Erstens ist Fukuyamas Behauptung, im Jahr 2005 sei der Höhepunkt der weltweiten Demokratie erreicht gewesen, mit einiger Skepsis zu sehen: der Zusammenbruch der liberalen Demokratie als globalem Sehnsuchtsziel war damals schon an vielen Ecken absehbar, in zwei Staaten hatten von den USA gelenkte Koalitionen die Demokratie mit Waffengewalt erzwungen. Zweitens kann Fukuyama nur schwer aus seinem Milieu heraus: Wenn er die Finanzkrise von 2008 mit der gleichzeitigen Housing Crisis der USA gleichsetzt, mag das in Nordamerika noch funktionieren – wenn er daraus aber ableitet, im gesamten Westen hätten vor allem die kleinen Leute darunter gelitten, zeigt er fehlendes Verständnis für die tatsächlichen Auswirkungen hierzulande – die Finanzkrise traf nämlich in Europa zuvorderst die obere Mittelschicht, die überhaupt Geld zum Anlegen hatte.