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Zeit und Geschichte

Alltagshölle einer Trinkerin

Hauke Friederichs
Journalist und Autor
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Hauke FriederichsMittwoch, 11.01.2017

Eine Reportage mit sprachlicher Wucht und Raffinesse, eine Geschichte aus einem Alptraum der Sucht.Marie-Luise Scherer beschreibt 1977 im Spiegel den rasanten Abstieg einer Alkoholsüchtigen. Sie zeichnet ein Sittengemälde der 1950er-, 60er- und 70er-Jahre, beschreibt den schmalen Grad, zwischen Entmündigung und Rettung einer Kranken.

"Abstieg ist zu bedächtig. Sofie Häusler ist nicht sozial abgestiegen, sondern sie machte eine Schußfahrt durch eine zielgenaue Schneise, deren Markierungen ein Saboteur hätte gesteckt haben können. Jemand, der ein Händchen hat für die dramaturgische Beschleunigung vom bösen Ende", schreibt Scherer. Sie findet eine ganz eigene Sprache für eine Tragödie. 

"Die Akte der Sofie Häusler beginnt am 12. Februar 1957 mit dem polizeilichen Formblatt "Verwahrung wegen Trunkenheit". Sofie Häusler, 32 Jahre alt, ist unterhalb des Hafenkrankenhauses in Hamburg-St. Pauli hilflos aufgefunden worden. Ihre Papiere weisen sie als Kunstgewerblerin aus. Es soll das letzte Mal sein, daß die bürgerliche Existenz der Sofie Häusler noch hinter ihrer Eigenschaft als Alkoholikerin sichtbar bleibt." Bald schon führen die Behörden sie als hilflose Frau, als Prostituierte, als Insassin von Heil- und Irrenanstalten.

"Frauenaufnahmeheim, Hamburg, Uferstraße: In der Geschlossenen Abteilung liegt die entzugskranke Trinkerin Sofie Häusler und erwartet ihre vorläufige Entmündigung. Nach etwa vier Tagen erhält sie den Brief, und am darauffolgenden Morgen meldet sich ihr Vormund, ein Sozialinspektor, an. (...) Sofie Häusler ist Gegenstand einer Ruinenbesichtigung.

Statt nach Farmsen wird sie zum Entzug in das Arbeitshaus Brauweiler bei Köln eingewiesen, ein ehemaliges Kloster. Das Gebäude ist ausbruchssicher. Sofie Häusler näht für ein Versandhaus Schleifen und Knöpfe von Hand an und verdient 30 Pfennig am Tag. (...) im Sommer 1960, wird sie ins Versorgungsheim Farmsen in Hamburg entlassen." Ihre Sucht geht weiter – und auch Scherers Biografie. Großer Journalismus.

Alltagshölle einer Trinkerin

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Kommentare 5
  1. Dirk Liesemer
    Dirk Liesemer · vor 7 Jahren

    Toller Text, vielleicht täusche ich mich, aber ich glaube, wenn man das heute irgendwo als Thema vorschlägt, kriegt man das nicht mehr durch.

    1. Frederik Fischer
      Frederik Fischer · vor 7 Jahren

      Da wäre ich mir nicht so sicher. Aber angenommen das Thema käme durch: Welcher Journalist schreibt heute noch so? Wirklich beeindruckend.

    2. Dirk Liesemer
      Dirk Liesemer · vor 7 Jahren

      @Frederik Fischer Schon damals gab es nur eine Person, die genauso schrieb ;-) - falls sie nicht noch heute so schreibt ...

    3. Frederik Fischer
      Frederik Fischer · vor 7 Jahren

      @Dirk Liesemer Ähm, ja. Du weißt aber was ich meine? Journalistische "Schreibe" ist heute grundsätzlich nicht mehr so "hart" und unbequem. Sprache lebt und verändert sich nunmal.

  2. Annett Gröschner
    Annett Gröschner · vor 7 Jahren

    Die Reportagen von Marie-Luise Scherer beeindrucken mich immer wieder. Sie zeigen uns, was mal möglich war beim Spiegel, und sogar als Frau. Diese Reportage kannte ich noch nicht. Ein paar ihrer Reportagen sind ja bei Matthes & Seitz neu veröffentlicht worden.

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