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Volk und Wirtschaft

Wie Energiesysteme und -strategien Volkswirtschaften prägen

Thomas Wahl
Dr. Phil, Dipl. Ing.
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Thomas WahlMontag, 01.11.2021

Anlässlich der "26th UN Climate Change Conference of the Parties (COP26)" in Glasgow bringt "The Economist" einen ausgiebigen "Special Report" mit mehreren Artikeln zum Thema Ökonomie, Ökologie und Energie. Einer davon widmet sich der wichtigen Frage, wie Energieentscheidungen Volkswirtschaften prägen und umgestalten. 

Ein Blick zurück zeigt zunächst, wie und warum der Wettbewerb zwischen Wasserkraft und fossil getriebener Dampfmaschine zunächst mehrheitlich für die „Verbrenner" entschieden wurde.

Was Dampf auszeichnete, waren mehrere Vorteile, die Investoren ansprachen. Das Wichtigste war die Fähigkeit, neue dampfbetriebene Mühlen in der Nähe alter Mühlen in Städten zu bauen, die bereits eine Textilindustrie hatten, solange eine Kohleversorgung in der Nähe war. 

Die Nutzung von Wasserkraft war immer ein Problem, das an regionale Gegebenheiten genau angepasst werden musste. Aber

Watts Entwicklung des Kondensators verbesserte nicht nur eine bestimmte Mühle und Dampfmaschine, wie Thoms Änderungen bei (den wassergetriebenen Anlagen in) Rothesay. Es machte alle nachfolgenden Dampfmaschinen besser und erlaubte Optimierungen der grundlegenden Idee solcher Technologien. Darüber hinaus, so gut Wasserräder auch geworden wären, sie hätten nie Lokomotiven oder Schiffe antreiben können, so wie es mit Dampf möglich wurde.

So wurde im 19. Jahrhundert das wirtschaftliche Wachstum zunehmend durch die systematischere Entwicklung und Anwendung von technischem Wissen angetrieben, für das die Dampfmaschine das Paradigma lieferte. Womit auch immer größere Mengen an Energie großer Dichte lokal unabhängig und mobil nutzbar wurden. Energie war und ist der Schlüssel zu Wachstum und allgemeinem Wohlstand. Die Nachteile dieser industriellen Revolution, Bevölkerungswachstum, Naturverbrauch und Klimaerwärmung,  sah man zunächst weniger. Die heute oft diskutierte Frage ist, inwiefern dieser "kapitalistische" Prozess, die Wechselwirkung von Kapital, (Wohlstands)Wachstum und Investitionen ursächlich ist für die negativen Folgen der Technologien. Anders gefragt, ist es der Kapitalismus, der notwendig negative technologische Strukturen erzeugt oder ist es die Entwicklung der Technologien und des Wohlstandes? Muss man Kapitalismus abschaffen oder sollte man Technologien revolutionieren? Geht Letzteres ohne "Kapital" überhaupt oder sollten wir einfach das Wachstum einstellen? Und mit welchen Technologien werden wir dann wie leben? Einigen Akteuren geht es um "Kapitalismus vs. Klima", 

wie Naomi Klein, Schriftstellerin und Aktivistin, es im Untertitel ihres Bestsellers "This Changes Everything" (2014) ausdrückt. Unter diesem Blickwinkel ist das Beharren der Industrie auf fossilen Brennstoffen, ihre eigenen Gewinne über die globalen Risiken ihrer Abfälle zu stellen, nicht nur eine Bremse für eine vernünftige Klimapolitik, sondern ein Zeichen für eine systemische Unfähigkeit, Klimaziele in einer kapitalistischen Wirtschaft zu erreichen.

Um der Welt zu beweisen, dass diese These falsch und gefährlich ist, muss man u. a. zeigen, das Wachstum, der Aspekt, den viele Umweltschützer am Kapitalismus am meisten fürchten, auch ohne Umweltverschmutzung möglich ist. Insbesondere die arme Welt braucht Wachstum, braucht Investitionen und neue Technologien in Größenordnungen, auch und gerade für ein Zeitalter ohne fossile Energien. Eine Formel, die einem japanischen Energieökonomen zugeschrieben wird, fasst die relevanten Faktoren (die Größe der Wirtschaft, das Ausmaß der Emissionen und die CO2-Menge im Energiesystem) elegant zusammen:

Emissionen sind das Produkt aus Bevölkerungszahl, GDP pro Kopf, der verbrauchten Energie pro Einheit von GDP und der Kohlenstoffemissionen aus dieser Energie. Um Emissionen zu reduzieren, muss man einen oder mehrere dieser vier Faktoren reduzieren. Private und staatliche Klimaschutzmaßnahmen haben sich auf die letzten beiden konzentriert: Kohlenstoffemissionen pro Energieeinheit (Dekarbonisierung) und Energieverbrauch pro GDP-Einheit (Effizienz). Aber angesichts unzureichender Fortschritte sagen einige, dass es an der Zeit ist, sich die ersten beiden anzusehen.

Klar ist, dass es schwierig bis unmöglich wäre, die Bevölkerungszahl schnell zu reduzieren. Bliebe "Degrowth", also Reduktion von GDP/Kopf. Schön wäre, wenn die Befürworter dieses Weges

alle anderen überzeugen könnten, dieses Ziel möglicherweise als freiwillige, einvernehmliche moralische Revolution zustande kommen zu lassen. 

Ist das realistisch? Ich denke, wie "The Economist", eher nicht.

Wie Energiesysteme und -strategien Volkswirtschaften prägen

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Kommentare 9
  1. Leon Leuser
    Leon Leuser · vor mehr als 2 Jahre

    Interessant, dass nun konventionelle Institutionen wie der Economist oder der ThinkTank Bruegel (https://www.bruegel.or...) "Degrowth" zumindest in Erwägung ziehen, wenn auch nach ein bisschen Betrachtung, recht schnell beiseite legen.
    Bruegel spricht nun von der Notwendigkeit und insbesondere den finanziellen Vorteilen von "Verhaltensänderungen", um die Klimaziele zu erreichen. Leider beschäftigt man sich nicht mit der Frage, welche wirtschaftlichen Auswirkungen letztlich diese "Verhaltensänderungen" hätten. Doch da es um eine "Versechsfachung" der globalen Entkopplungsrate geht, bleibt einem kaum etwas anderes übrigt.
    Bei mir bleibt bei der Argumentation das Gefühl übrig: "Grow green or die"... Vermutlich wird man erst merken, dass das gegenwärtige Modell nicht nachhaltig ist, wenn die Anpassungskosten zu hoch werden.

    1. Thomas Wahl
      Thomas Wahl · vor mehr als 2 Jahre

      Aber na klar wird es und muß es zu Verhaltensänderungen kommen. Jede Entwicklung basiert darauf. Aber eine Dekarbonisierung wird mit Wind und Sonne gar nicht möglich sein. Wie der SPIEGEL richtig schreibt:

      https://www.spiegel.de...

      "Jedes Windrad birgt ein schmutziges Geheimnis in sich. Es verwandelt bewegte Luft sauber und effizient in elektrischen Strom, doch kaum jemand hat eine präzise Vorstellung davon, woraus es beschaffen ist. Das Material entstammt einem brutalen Eingriff in die Natur. Eine Windkraftanlage besteht aus Zement, Sand, Stahl, Zink, Aluminium. Und tonnenweise Kupfer: für Generator, Getriebe, Umspannstation und endlose Kabelstränge. Rund 67 Tonnen finden sich in einer mittelgroßen Offshore-Turbine. Um diese Menge Kupfer zu gewinnen, müssen Bergleute fast 50 000 Tonnen Erde und Gestein bewegen, das entspricht dem fünffachen Gewicht des Eiffelturms. Das Geröll wird geschreddert, zermahlen, gewässert, gelaugt. Viel zerstörte Natur für ein wenig Grünstrom. …..

      Fast 50 Jahre nachdem die USWissenschaftlerin Donella Meadows und ihre Mitstreiter im Bericht an den Club of Rome »die Grenzen des Wachstums« anmahnten, gewinnt der Raubbau an der Natur eine neue, überraschende Dimension. Der gigantische Materialbedarf ist der stets unterschätzte Faktor bei allen Technologien, die helfen sollen, die Welt nachhaltig zu machen. Windräder und Fotovoltaikanlagen, Elektroautos und Lithium-Ionen-Batterien, Hochspannungstrassen und Brennstoffzellen haben eines gemein: Ihre Herstellung verschlingt unfassbare Mengen an Rohstoffen. In den Modulen eines Solarparks, 1000 mal 1000 Meter groß, verbergen sich elf Tonnen Silber. In einem Tesla Model S steckt so viel Lithium wie in ungefähr 10 000 Handys. Ein Elektroauto benötigt sechsmal so viele kritische Rohstoffe wie ein Verbrenner, vor allem Kupfer, Grafit, Kobalt und Nickel für das Batteriesystem. Eine Onshore-Windkraftanlage enthält rund neunmal so viele solcher Stoffe wie ein Gaskraftwerk vergleichbarer Leistung. Es sind ihre spezifischen Eigenschaften, die diese Metalle so begehrt machen. Kobalt oder Nickel erhöhen die Energiedichte in einer Batterie. Neodym verstärkt die magnetischen Kräfte in Windgeneratoren. Platin beschleunigt Prozesse in Brennstoffzellen, Iridium in Elektrolyseuren. Kupfer ist wegen seiner Leitfähigkeit für sämtliche elektrischen Anlagen relevant: Rund 150 Millionen Tonnen davon sind in Stromleitungen rund um den Erdball verbaut. Und die Menschheit steht erst am Anfang der Energiewende.“

      Und mit welchen Energiequellen wollen wir das "Degrowth" in so kurzer Zeit schaffen? Wenn wir doch sehr schnell aus der Kohle aussteigen müssen? Es gibt eigentlich nur zwei Wege: Erstens, die Menschheit verzichtet massiv auf die Nutzung von Energie. Das wäre dann "Degrowth" durch gesellschaftliche/wirtschaftliche Zusammenbrüche. Oder zweitens, die Welt nutzt Kernenergie, mit deren EROI eine Entkopplung von Wachstum und Ressourcenverbrauch deutlich besser machbar wäre.

    2. Silvio Andrae
      Silvio Andrae · vor mehr als 2 Jahre

      @Thomas Wahl Und von der Entsorgung der Windräder nach einer Lebensdauer von 15 Jahren wollen wir gar nicht erst sprechen.

    3. Leon Leuser
      Leon Leuser · vor mehr als 2 Jahre

      @Thomas Wahl Interessant, dass wir in diesem Punkt fast zusammenkommen. Wo mich Ihre Einschätzung interessieren würde wäre der Punkt: Bruegel nimmt Verhaltensänderungen in der Form an, dass weniger Energie- Ressourcenverbrauch dadurch ermöglicht wird (d.h. etwa ÖPNV, Fahrrad, Produkte länger nutzen, Stagnation der Wohnfläche pro Kopf...). Aber würde nicht genau dies in unserem auf Wachstum ausgerichteten Wirtschaften zu negativen Wachstumseffekten führen?

    4. Thomas Wahl
      Thomas Wahl · vor mehr als 2 Jahre · bearbeitet vor mehr als 2 Jahre

      @Leon Leuser Ja, natürlich werden wir nicht unendlich weiter die Wohnfläche pro Kopf steigern können oder die Mobilität. Oder gar noch mehr "essen".

      Wir brauchen beides - neue Technologien incl. Recycling (und entsprechende dichten Energieformen) auf der einen Seite und neue Verhaltensweisen beim (hin zu mehr immateriellen) Konsum. Aber das heißt nicht, dass das BIP pro Kopf sinken muß. Gesundheitssysteme, Bildung, Wissenschaft und Kultur müssen weiter wachsen und Ernährung selbstverständlich für Milliarden gesichert sein.

      Aber all das wird nicht ohne massiven Energieeinsatz funktionieren. Was wiederum quer zum schnellen Ausstieg aus Kohle plus Kernkraft steht. Siehe dazu das Konzept zur Ökomoderne, das Johannes Güntert hier so verdienstvoll propagiert:

      https://www.project-pl...

      https://www.project-pl...

      Klar ist auch, das dies erst mal global mit mehr CO2-Ausstoß verbunden ist, um dann nachhaltig zu werden. Wir müssen komplexer denken und uns von scheinbar einfachen Lösungen verabschieden. Triviale Evolution gibt es nach meinen Erfahrungen nicht.

      Zumal wir ja auch die (absolute) Armut und die Unterentwicklung auf unserem Planeten abschaffen müssen.

      https://www.piqd.de/us...
      https://www.piqd.de/vo...

    5. Leon Leuser
      Leon Leuser · vor mehr als 2 Jahre

      @Thomas Wahl Der Piqd hier scheint eine ganz gute Ergänzung zum Spiegel-Beitrag oben zu sein https://www.piqd.de/kl...

    6. Thomas Wahl
      Thomas Wahl · vor mehr als 2 Jahre

      @Leon Leuser Danke, aber das stimmt eben nicht ganz. Der EROI von wind- und sonnenbasierten Energiesystemen bleibt schlecht. Und Windräder werden z.B. nach 25 - 30 Jahren abgerissen. Die Fundamente (Mengen von Beton und Stahl) bleiben im Boden. Wenn wir vier mal im Jahrhundert die Windräder erneuern müssen, prost Mahlzeit. Und wenn wir die Welt entwickeln wollen, dann kommt global erst noch mal ein sehr großes Plus an Rohstoffverbrauch hinzu. Genau wie durch die Ersetzung unserer alten Infrastrukturen. Und das über Jahrzehnte. Letztendlich kann ich jede Energie nur einmal verwenden - entweder für den beschleunigten Umbau der Energiebasis oder für die Aufrechterhaltung unseres Lebens. Beides zusammen bedeutet mehr Energie und erst mal mehr CO2.

      Umso unverständlicher ist letztendlich der deutsche Atomausstieg und die schnelle Abschaltung der AKW. Also das Vorsorgeprinzip wird da gröblichst verletzt.

    7. Leon Leuser
      Leon Leuser · vor mehr als 2 Jahre

      @Thomas Wahl Nun ja Studien wie diese https://www.nature.com... zeigen das eroi von fossilen in der Vergangenheit tendenziell uberschätzt und von regenerativen unterschätzt wurden. Z.b. bei PV wird meist eine Lebensdauer von 20 Jahren angenommen. Dabei ist bis dahin nur die Effizienz etwas abgesunken und das Panel kann noch Jahrzehnte weiterlaufen.

    8. Thomas Wahl
      Thomas Wahl · vor mehr als 2 Jahre

      @Leon Leuser Ich weiß nicht genau, was die da konkret vergleichen? Das Problem der Erneuerbaren ist ja, dass sie ohne umfangreiche Back Up Systeme wie Speicher, Reservekraftwerke, digitale Steuerungen etc. gar nicht als Energiesystem funktionieren. Das Gesamtenergiesystem wird durch 100% Wind und Sonne teuer und materialintensiv. Es ist ein ziemlich anderes System als das einfach physikalisch zu steuernde aktuelle. Der große Unterschied kommt dann nicht durch die Lebensdauer der Panels. Man muß also die jeweiligen Energiesysteme im EROI vergleichen - nicht den Strom, der unmittelbar aus den jeweiligen Quellen kommt. Das wird allzuoft getan und dann Preise runter- und Effizienz hochgejubelt.

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