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Volk und Wirtschaft

Was steckt hinter der modernen Malaise?

Project Syndicate
The World's Opinion Page
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Project SyndicateDienstag, 12.10.2021

Wir veröffentlichen regelmäßig Übersetzungen ausgewählter Meinungsstücke von Project Syndicate. Diese sind zunächst als Service piqs exklusiv für unsere Mitglieder zugänglich.

Seit Jahrzehnten bleiben ArbeiterInnen außen vor, wenn es um viele der Errungenschaften ökonomischen Wachstums geht. Erklärungen hierfür finden sich in einer Vielzahl bereits veröffentlichter Analysen. Obwohl das Problem grundlegend ökonomischer Natur ist, kann es nicht verstanden werden, ohne Technologie, Politik und Kultur einzubeziehen.


Olivier Blanchard und Jean Tirole, Major Future Economic Challenges, ein Bericht für den französischen Staatspräsidenten, 2021.

Daniel Cohen, The Inglorious Years: The Collapse of the Industrial Order and the Rise of Digital Society, Princeton University Press, 2021.

Jan Eeckhout, The Profit Paradox: How Thriving Firms Threaten the Future of Work, Princeton University Press, 2021.

LONDON – Mit seiner Beschreibung der jüngsten Wirtschaftsgeschichte als „unrühmliche Jahre“ verweist der Titel des Buches des französischen Ökonomen Daniel Cohen in erster Linie auf ein Problem, das auch im Buch The Profit Paradox des Ökonomen Jan Eeckhout behandelt wird. Dieses Problem ist, wie Eeckhout es formuliert, die „Lohnstagnation und extreme Lohnungleichheit“. Im Durchschnitt hat sich die Lage der Arbeitnehmer in den meisten reichen Ländern während des vergangenen halben Jahrhunderts verschlechtert – was diese Ära von den 30 glorreichen Jahren (les trente glorieuses) nach dem Zweiten Weltkrieg abgrenzt, als Westeuropäer, Kanadier und US-Amerikaner eine ans Wunderbare grenzende Phase nachhaltigen Wachstums erlebten, die auch einen Anstieg der Reallöhne auf breiter Basis sowie höhere Lebensstandards mit umfasste.

Was können diese Autoren dem Berg an Analysen der letzten Jahre hinzufügen, die zeigen, dass die Arbeitnehmer von den enormen (weitgehend digitalen) technologiegestützten Produktivitätszuwächsen der letzten 30 Jahre kaum profitiert haben? Unter anderem Eeckhouts Erkenntnis, dass hier mehr abläuft, als dass die Arbeitnehmer gegenüber dem Kapital den Kürzeren ziehen. Selbst die Eigentümer etablierter Unternehmen haben relativ betrachtet verloren. Stattdessen flossen die Gewinne „wenigen Kapitaleignern“ zu, die den steil gestiegenen Gewinnen einiger Großkonzerne, deren Anteil an der Gesamtwertschöpfung steil von 3% (1980) auf 15% (2019) in die Höhe geschossen ist, am nächsten stehen.

Eeckhout belebt diese allgemeine Analyse mit konkreten Beispielen, indem er für einzelne Unternehmen die Gesamtgewinnzahlen vorlegt. So stieg etwa bei Pfizer das Verhältnis vom Gewinn zum Personalaufwand von 41% (1980) auf 210% (2019); für Apple und Facebook beträgt es inzwischen über 300%. Eeckhout präsentiert zudem frappierende menschliche Geschichten, die die Realität des heutigen Arbeitsmarktes verdeutlichen. Da ist etwa eine Frau namens Erin, die angeblich „leitende technische Beraterin“ ist und doch bei einem Unternehmen in New Mexico, an das Apple seinen Kundensupport untervergeben hat, bloße 12 Dollar vor Steuern pro Stunde verdient.

Der primäre Nutzen von Eeckhouts Buch liegt nicht so sehr in seiner Übersicht über bereits weithin beobachtete Entwicklungen (wer hat noch nicht von den „1%“ und den „0,1%“ gehört?), sondern vielmehr in seiner scharfsinnigen Analyse der Grundursachen. Die wahren Schurken dieser Geschichte, so zeigt er, sind die „Superstar“-Unternehmen, die eine überwältigende Marktmacht angehäuft haben.

Die zur Erringung dieser Marktmacht genutzten Instrumente – technologische Innovation und globale Vernetzung – klingen unschuldig oder sogar positiv. Doch ihre daraus resultierende globale Größe ermöglicht es den Superstar-Unternehmen, statt innerhalb von Märkten um komplette Märkte zu konkurrieren. Sobald ein oder zwei dieser Riesen die Vorherrschaft in einem beliebigen Sektor erlangt haben, können sie ihre Marktmacht behaupten, indem sie Hürden gegen den Markteintritt potenzieller Konkurrenten errichten. Diese Verteidigungsmechanismen reichen von der Verhinderung drohender Konkurrenz durch den Aufkauf neuer Akteure – so wie das Facebook mit Instagram und WhatsApp gemacht hat – bis hin zu Lobbyismus und der Finanzierung von Politikern, ein Prozess, den Eeckhout korrekt als „legalisierte Korruption“ beschreibt.

„Festungsgräben um die Burg der Marktmacht“ herum anzulegen drückt die Löhne innerhalb der gesamten Volkswirtschaft. Eeckhout legt eine differenzierte, aber zugängliche Darstellung vor, wie dieser Prozess wirtschaftlich abläuft. Er vergleicht ihn mit einer Ebbe, die alle Boote absinken lässt. Erweitert man diese Metapher, kann man sich die Millionen von Menschen, die aufgrund niedriger Löhne komplett aus dem Arbeitsmarkt ausgeschieden sind, als Schwimmer vorstellen, die von der Grundströmung unter Wasser gezogen wurden. Für Eeckhout ist die schwindende Erwerbsbeteiligung „der Elefant im Wohnzimmer“.

Zerstörte Hoffnung

Cohen nähert sich ähnlichen Themen mit einer Art Essay über den sich wandelnden Zeitgeist, und Verweise auf Denker aus einer breiten Palette unterschiedlicher Disziplinen durchziehen den gesamten Text von The Inglorious Years. Die französische Originalausgabe des Buches erschien 2018 anlässlich des 50. Jahrestages der Revolte vom Mai 1968 gegen die Regierung von Präsident Charles de Gaulle, die Cohen als Ausgangspunkt nimmt. Die Erfolge der starken Nachkriegswirtschaft hatten den Studenten die Freiheit verschafft, 1968 auf die Barrikaden zu gehen und neue Anliegen zu verfolgen (heute würden wir das als „Kulturkampf“ bezeichnen).

Ein halbes Jahrhundert später standen die Siege bei vielen progressiven sozialen Anliegen im eklatanten Gegensatz zur trostlosen Umkehr der wirtschaftlichen Erfolge jener Ära. Kinder konnten nun nicht mehr darauf vertrauen, einen höheren Lebensstandard zu erreichen als ihre Eltern.

Soweit der „Geist von 1968“ eine wirtschaftliche Dimension hatte, lässt sich diese nach Ansicht Cohens auf die Gedanken des Mitte des Jahrhunderts lebenden französischen Ökonomen Jean Fourastié zurückführen, dessen 1948 veröffentlichtes Buch Die große Hoffnung des 20. Jahrhunderts auf John Maynard Keynes’ Erkenntnissen über die Macht des Zinseszinseffekts und den potenziellen Aufstieg einer Freizeitgesellschaft aufbaute. In seinem letzten Kapitel kehrt Cohen zu diesem Ideal einer „humaneren Wirtschaft“ zurück, die sich, so hofft er, gegen die von künstlicher Intelligenz und Automatisierung ausgehenden Bedrohungen von Beschäftigung und Gemeinwohl durchsetzen werde. Doch vergleicht man beide Autoren, so bietet Eeckhout an dieser Stelle mehr Substanz, da er zusätzlich sorgfältig durchdachte politische Lösungen anbietet.

In seiner breiter angelegten kulturellen Diskussion berührt Cohen implizit auch die notwendigen Voraussetzungen jeder echten Abrechnung mit den Missbrauchserscheinungen, die Eeckhout so klarsichtig beschreibt. Vereinfacht gesagt erfordern echte Reformen einen Wandel in Herzen und Köpfen. Doch sieht Cohen kein neues mobilisierendes Ideal, das den Sinnverlust der Jahre seit dem Mai 1968 ausgleicht. Seine Perspektive ähnelt insofern der Interpretation des Philosophen Emmanuel Levinas über den Fall der Berliner Mauer, laut der sich mit dem Zusammenbruch des sowjetischen Systems jede Hoffnung auf eine befreiende Alternative zum bestehenden kapitalistischen System in Luft auflöste und die Forderungen der Arbeiterklasse an den gesellschaftspolitischen Rand geschoben wurden.

Die neue Machtpolitik

Cohen zeigt, wie sich der zeitgenössische Populismus in diesem neuerlich strukturlosen Umfeld herausbildete – ähnlich wie zuvor ab dem 19. Jahrhundert seine russischen und lateinamerikanischen Vorgänger. Er identifiziert die Beschwerden, die die heutigen Populisten ausgenutzt haben, wie etwa niedrige oder stagnierende inflationsbereinigte Einkommen und die mit wirtschaftlicher Verödung einhergehende soziale und psychologische Malaise.

Doch auch an dieser Front ist Eeckhout der präzisere Analyst; er merkt an, dass die digitale Technologie, auch wenn sie die Superstar-Unternehmen in die Lage versetzt, die Konkurrenz zu unterdrücken und die Löhne zu drücken, nichtsdestotrotz auch das Wohl der relativen „Verlierer“ gesteigert hat.

Trotzdem sind Ursachen und Ausmaß der heutigen Unzufriedenheit nur allzu real. Angesichts jüngster Recherchen für mein eigenes kürzlich erschienenes Buch What Ails France war ich erfreut, zu sehen, dass sich Eeckhout auf die Bewegung der gilets jaunes („Gelbwesten“) in Frankreich konzentrierte statt auf die üblichen „angelsächsischen“ (wie die Franzosen sagen würden) Beispiele Donald Trump und Brexit. (Die Veröffentlichung von Cohens Frankreich in den Mittelpunkt stellendem Buch ein paar Monate vor Beginn der Gelbwestenproteste Ende 2018 lässt dieses bereits etwas überholt erscheinen.)

Ausgelöst durch die Ankündigung der französischen Regierung über eine neue Kraftstoffsteuer war diese Revolte der kleinstädtischen und ländlichen Geringverdiener eine ernüchternde Demonstration zeitgenössischer sozioökonomischer Ängste derer, die sich von den abgeschotteten politischen Eliten ignoriert fühlen. Mit seiner Untersuchung ihrer Ursachen hat Eeckhout ein hervorragendes Manifest für unsere Zeit vorgelegt. Wie alle an ein Massenpublikum gerichteten großartigen Bücher ernstzunehmender Ökonomen erläutert The Profit Paradox komplexe Ideen klar und mit scheinbarer Leichtigkeit, was die meisterliche Vertrautheit des Verfassers mit der wirtschaftlichen Arbeitsweise der Arbeitsmärkte und der industriellen Organisation widerspiegelt.

Eeckhout gibt freimütig zu, dass seine Analyse der Komplexitäten der Kartellregulierung außerhalb seines eigenen Fachgebiets liegt; vor diesem Hintergrund ist die sich anschließende Diskussion umso beeindruckender. Seine zentrale Empfehlung besteht hier darin, auf dem Grundsatz der „Interoperabilität“ zu bestehen. Er legt überzeugende Argumente vor, aber erkennt deren Beschränktheit an. Auf der positiven Seite zeigt er, wie das Lohnniveau steigen würde, wenn die Kartellbehörden die riesigen Unternehmensplattformen zwingen würden, konkurrierenden Anbietern gleichberechtigten Zugang zu bieten. Wie die politischen Maßnahmen, die vor einem Jahrhundert die lohnfeindlichen Tendenzen des „Gilded Age“ korrigierten, würde dies sicherstellen, dass produktive neue Technologien und ihre Vorteile weite Verbreitung finden.

Doch weist Eeckhout zugleich darauf hin, dass, selbst wenn man seinen Kartellempfehlungen folgen würde, all diese Bemühungen durch die potenziell „verheerenden“ Auswirkungen der Robotik und des maschinellen Lernens zunichte gemacht werden könnten. Diese Technologien könnten die Probleme der Marktmacht und niedriger Löhne radikal verschärfen und einen weiteren Aspekt des „Gilded Age“ wiederholen: eine soziale Gegenreaktion, die sich als Militanz der Arbeitnehmer, in Form breiter angelegter politischer Turbulenzen oder sogar als Revolution äußern könnte. Diese Erschütterungen sind bereits zu spüren. Eeckhouts Buch bietet uns zumindest einen Entwurf dafür, wie sich verhindern lässt, dass uns die Sache um die Ohren fliegt.

Für die Republik

Denselben Zweck verfolgt der ausdrücklicher auf politisches Handeln ausgerichtete Bericht Major Future Economic Challenges, der im März 2020 vom französischen Präsidenten Emmanuel Macron in Auftrag gegeben wurde und im vergangenen Juni veröffentlicht wurde. Obwohl speziell für künftige französische Regierungen erstellt, stellt dieses 500-seitige Manifest eine umfassende intellektuelle Ressource auch für politische Entscheidungsträger in anderen entwickelten Ländern dar.

Der Bericht wurde von einem Ausschuss unter Leitung zweier renommierter französischer Ökonomen erstellt: dem Nobelpreisträger Jean Tirole und dem ehemaligen Chefökonom des Internationalen Währungsfonds Olivier Blanchard. Die drei Hauptteile – zum Klimawandel, zur Ungleichheit und zur Bevölkerungsalterung – wurden von einer eindrucksvollen Gruppe von Ökonomen aus den USA und verschiedenen europäischen Ländern erstellt. (Zu den 16 weiteren Kommissionsmitgliedern, die faktisch als Beratungsgremium fungierten, gehörte auch Cohen.)

Nach der Lektüre von Eeckhouts Buch wandte ich mich mit Interesse dem Abschnitt zu den Löhnen und zur Ungleichheit im Tirole-Blanchard-Bericht zu, der von den Ökonomen Stefanie Stantcheva und Dani Rodrik von der Universität Harvard verfasst wurde. Mein Eindruck war der zweier Schiffe, die einander in der Nacht passieren. Die Diagnosen ähneln sich; Stantcheva und Rodrik verweisen auf die „Dualität [von] Inseln produktiver Aktivitäten, wo hohe Löhne gezahlt werden, in einem Meer von schlechten Arbeitsplätzen und Bereichen mit hoher Arbeitslosigkeit“. Doch führen sie das Problem auf eine Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik zurück, die dabei gescheitert ist, die Kluft zwischen den Arbeitsbedingungen auf diesen „Inseln“ und im „Meer“ zu schließen.

Stantcheva und Rodrik bieten viele interessante Erkenntnisse dazu an, wie die „Diffusion“ höherer Produktivität in Richtung von Lohnsteigerungen auf breiterer Basis ausgerichtet werden kann, nämlich durch geeignete politische Fördermaßnahmen zur Schaffung „guter Arbeitsplätze“. Doch ist da kaum ein Wort zu dem Thema, das Eeckhout als entscheidend einstuft: dem Versäumnis, den Wettbewerb angesichts der übergriffigen Marktmacht der Riesenkonzerne aufrechtzuerhalten.

Womöglich spiegelt diese Auslassung schlicht die Tatsache wider, dass der Tirole-Blanchard-Bericht sich an die französische Politik richtet, die die Kartellregulierung an die EU-Institutionen delegiert hat. Vielleicht spiegelt sie auch einen Unterschied in der Perspektive wider. Man erinnere sich, dass Eeckhout selbst zugibt, dass Maßnahmen gegen die Marktmacht womöglich nicht ausreichen, um den noch größeren von KI und Automation ausgehenden Bedrohungen zu begegnen. Diese liegen in der Zukunft, was zur holistischeren, längerfristigen Sicht des Tirole-Blanchard-Teams passt.

Überwindung des Zynismus

Diese feineren Punkte in Expertenperspektiven weisen letztlich auf einen weiteren Elefanten im Wohnzimmer hin: das Problem der Politik, deren schattenhafte Präsenz eine große Rolle in Cohens Schrift einnimmt. Die größte Herausforderung bei der Umsetzung jeder politischen Empfehlung besteht darin, seinen Weg durch das heutige angespannte soziale, Medien- und Politikumfeld zu finden. Dabei ist selbst noch so viel Sachverstand kein Ersatz für die Unterstützung führender Politiker und die Arbeit effektiver politischer Systeme.

In dem bewundernswerten Versuch, aus dem Elfenbeinturm herauszutreten, bemüht sich der Tirole-Blanchard-Bericht, die Politiker für die Aufgabe vorzubereiten, öffentlich Überzeugungsarbeit zu leisten. Jeder Abschnitt enthält eine Analyse der öffentlichen Wahrnehmung, die die genauen Gründe dafür aufführt, warum die Menschen möglicherweise bei einigen seiner Empfehlungen störrisch werden könnten, und untersucht die Fehleinschätzungen, die derartigen Gefühlen der Wähler häufig zugrunde liegen. Diese Erkenntnisse bieten eine solide Basis zur Konzeption von Maßnahmen, um jene zu entschädigen, die unter den vorgeschlagenen Reformen leiden könnten.

Falls Macron den Bericht als ein zentrales Element seines Wirtschaftsprogramms übernimmt, sollte er über reichlich Munition für seine erwartete Wiederkandidatur im nächsten Jahr verfügen. Die in dem Bericht skizzierte Strategie ist Grund genug für eine Erneuerung seines Mandats, und die soziologische Analyse des Berichts könnte ihm helfen, seine Ansprache der französischen Wähler zu verbessern.

Obwohl Macron als effektive Vermittler seiner Politik zuweilen Schwächen aufweist, ist keiner seiner Rivalen besser. Diese werden sich daher darauf konzentrieren, Macrons Unbeliebtheit auszunutzen, die überwiegend aus dem Verdacht der Wähler herrührt, dass er von ihren täglichen Mühen zu weit entfernt ist. Das könnte ein wirkungsstarkes Ablenkungsmanöver sein. Wie wir in den letzten Jahren gesehen haben, ist es einfacher, sich in Demagogie zu üben, als ein in sich stimmiges Programm politischer Maßnahmen zu konzipieren und die Wähler zu überzeugen, dieses zu akzeptieren.

Macrons führende Widersacherin wird 2022 höchstwahrscheinlich Marine Le Pen vom rechtsextremen Rassemblement National sein. Da es ihr selbst an glaubwürdigen Vorschlägen für politische Maßnahmen mangelt, könnte Le Pen davon profitieren, dass sie einige der Ideen im Tirole-Blanchard-Bericht anzapft. So könnte dessen Vorschlag, die Erbschaftssteuer zu erhöhen, bei ihrer Basis gut ankommen (und als Begünstigte eines beträchtlichen ererbten Vermögens könnte sie in diesem Bereich durchs eigene Vorbild führen). Am wahrscheinlichsten ist freilich, dass sie an ihrer üblichen Strategie festhalten wird, leere oder bösartige Slogans von sich zu geben.

Cohens Beschreibung populistischer Demagogie, die im von gescheiterten Ideen hinterlassenen Vakuum floriert, könnte einige Leser mit dem Gefühl zurücklassen, dass sie auf Populismus wie Idealismus gleichermaßen gut verzichten könnten. Doch müssen politische Führer wie gute Reiter Energien, die sich ansonsten ungeordnet Bahn brächen, kanalisieren. Womöglich wird irgendein neues Anliegen soziale Energien mobilisieren, die verantwortungsbewusste Politiker nutzen können, um sinnvolle Reformen voranzutreiben. Vielleicht wird die sich vertiefende Klimakrise diesen Anstoß bieten. Falls ja, wäre dann die Lehre daraus, dass zur Überwindung der Paralyse nicht weniger erforderlich ist als eine planetare Katastrophe.

Aus dem Englischen von Jan Doolan

Brigitte Granville ist Professorin für internationale Wirtschaft und Wirtschaftspolitik an der Queen Mary University of London und die Verfasserin zahlreicher Bücher, darunter zuletzt What Ails France (McGill-Queen's University Press, 2021).
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