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Volk und Wirtschaft

Warum Prophezeiungen oft falsch, aber trotzdem beachtenswert sind

Thomas Wahl
Dr. Phil, Dipl. Ing.
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Thomas WahlSonntag, 08.01.2023

Vorhersagen sind schwierig, weil sie die Zukunft betreffen. Und deswegen treffen sie oft nicht zu. Auch wenn sie von einer "Expertengemeinschaft" für richtig befunden wurden. Noah Smith geht der Frage nach, warum es dazu kommt, dass Experten, offenbar nicht so selten, kollektiv völligen Unsinn glauben. Ein Grund, auch von anderen Wissenschaftlern für richtig erklärte Szenarien mit mehr Skepsis zu betrachten. Der Text dekliniert dies am Beispiel von Paul Ehrlich durch, dem Autor der "Population Bomb", der 1968 prophezeite, dass in den folgenden zehn Jahren Hunderte von Millionen Menschen an Hunger sterben würden. Ehrlich meinte auch, dass zig Millionen Amerikaner in den 1980er-Jahren verhungern würden und dass England bis zum Jahr 2000 aufhören würde zu existieren usw.

Was, wie wir wissen, bekanntlich nicht eintraf, eher im Gegenteil, wie Smith im Artikel zeigt. Um so wichtiger ist es zu erkennen, 

warum Ehrlich diese Dinge so falsch gesehen hat und warum die Leute, die heute ähnliche Behauptungen aufstellen - etwa die "Degrowth"-Bewegung - auch falsch liegen (können). Aber es ist auch wichtig zu erkennen, dass, nur weil Ehrlich sich in Bezug auf Überbevölkerung und einige andere Dinge geirrt hat, das nicht bedeutet, dass er oder die Degrowth-Leute in Bezug auf die Bedrohung durch die Zerstörung unseres Lebensraumes und den Verlust von Wildtieren falsch liegen. 

Es geht darum, zu erkennen, was in Prognosen immer wieder übersehen wird, um daraus zu lernen, realistischer in die Zukunft schauen zu können. Was an Ehrlichs Voraussage richtig war, ist das Bevölkerungswachstum an sich. Das hat sich fortgesetzt, aber dank sinkender Fruchtbarkeitsraten und steigendem Wirtschaftswachstum sowie Wohlstand eben nicht mehr exponentiell – das fast weltweit. Damit haben wir einen Punkt für das Verstehen von Fehlprognosen:

Die wissenschaftlichen "Modelle", auf die Ehrlich und die anderen Umweltkatastrophen-Propheten der 60er und 70er Jahre sich verlassen haben, waren sehr einfach gebaut - sie zeichneten wirklich nur exponentielle Kurven und sagten dann: "Siehst du, Linie geht nach oben!" Diese Art von einfacher Projektion ignoriert all die verschiedenen Gegenmaßnahmen, die Menschen gegen aufkommende Probleme ergreifen werden, und alle Möglichkeiten, wie sie sich an neue Bedingungen anpassen werden.

So war die „Grüne Revolution“, die sich ebenfalls in den 60er-Jahren anbahnte, kein zufälliges Ereignis. Sie vervierfachte z. B. die Maisproduktion, sodass heute trotz mehrfach höherer Weltbevölkerung pro Kopf mehr Kalorien konsumiert werden als 1960. Ähnlich das Abflachen der Fruchtbarkeitsraten. Neue Verhütungsmittel und die Verbreitung von Verhütungsmethoden waren eine bewusste Reaktion auf kommende Probleme. Genau wie von Wissenschaftlern entwickelte neue Technologien, die dann von Staaten (leider manchmal mit Zwangsmaßnahmen) und Unternehmen umgesetzt wurden.

Wissenschaftler der 1960er Jahre, wie Norman Borlaug, wussten, dass die Ernährung der Welt ein Problem sein würde, wenn die Weltbevölkerung stieg. Es brauchte nicht Paul Ehrlich, um ihnen das zu sagen. Deshalb widmeten sie ihr Leben der Arbeit an der Verbesserung von Pflanzensorten, Düngemitteln und Bewässerung. Die Erfinder der Empfängnisverhütung wussten, dass für viele Familien ein weiteres zufälliges Kind nur ein weiterer Mund zum Füttern bedeutete, und sie erfanden neue Formen der Empfängnisverhütung speziell, damit die Menschen die gewünschte Familiengröße wählen konnten. 

Es siegte der menschliche Einfallsreichtum über die düsteren Prognosen und letztendlich auch über die Forderungen nach drastischen autoritären Maßnahmen. 

Was sind nach Noah Smith nun die Lehren aus den damaligen Fehlprognosen für die aktuellen apokalyptischen Szenarien? Hier argumentiert der Autor insbesondere gegen die „Degrowth“-Bewegung in den USA. Aber wir sehen das ja auch in Europa immer öfter als eine populäre Strategie in den Medien. Smith bezeichnet Degrowth als ein nicht realistisches Vorgehen, da erstens eine massive koordinierte globale Anti-Wachstumsplanung undurchführbar ist, weil damit zweitens auch der Übergang zu erneuerbaren Energien aufgehalten würde und weil das drittens von den Entwicklungsländern unhaltbare Opfer fordern würde. Dazu käme, 
dass Degrowther nicht nur undurchführbare Lösungen fordern, sondern auch unglaublich schlampig in ihren Vorhersagen sind. Zum Beispiel stützen Degrowther ihre Einschätzungen des nicht nachhaltigen Ressourcenverbrauchs regelmäßig auf aggregierte Messungen des Materialverbrauchs.

Solche Daten etwa in Bruttogewichten umfasst auch Materialien, die recycelt werden oder nachhaltig sind (z. B. kommerzielle Wälder oder Landwirtschaft selbst). Und wenn die Ressourcen in einer nachhaltigeren Form genutzt werden – etwa beim Wechsel von der Fischerei auf die Fischzucht – wird dies in diesen Zahlen nicht erfasst. Auch ignoriert man dabei eine der wichtigsten Quellen der Nachhaltigkeit: die Ressourcensubstitution. 

Wenn Menschen herausfinden, wie sie eine allgemein verfügbare Ressource durch eine knappe ersetzen können, steigt die Nachhaltigkeit, auch wenn die verwendete Bruttotonnage zunimmt. Wenn wir beispielsweise weit verbreitetes Magnesium anstelle von knappem Lithium für unsere Batterien verwenden, erhöht dies die Nachhaltigkeit, auch wenn sich die Tonnage nicht ändert. 

Und wir sind natürlich immer auf der Suche nach Möglichkeiten, knappe, problematische und/oder teure Ressourcen durch reichlich Vorhandenes zu ersetzen – oft erfolgreich. Ein gutes Beispiel wäre Windenergie oder Kernkraft statt Kohle oder Erdöl. Trotzdem dominiert in den Angstprognosen das typische "Die Kurven steigen"-Denken und man behandelt die frühere Korrelation von Wirtschaftswachstum und Ressourcen-Übernutzung als ein universelles Gesetz. Obwohl, wie Smith am Beispiel der CO2-Emissionen zeigen kann, in sehr vielen Staaten eine absolute Entkopplung gegenüber dem Wirtschaftswachstum stattgefunden hat (siehe Artikel).

Trotzdem, es wäre „sehr, sehr schlecht, die Menschen zu ignorieren, die vor dem Klimawandel warnen“. Denn es ist schwierig, zwischen berechtigter Angst und unbegründeter Panik zu unterscheiden. Zudem kann ich Noah Smith durchaus folgen, wenn er sagt:
Wenn ich die Prävalenz solcher Einstellungen sehe, frage ich mich, ob Panikmache wie Ehrlichs kein nützliches Gegengewicht zur menschlichen Gefühllosigkeit ist. Im Wirtschaftsjargon ist die Überschätzung der Wahrscheinlichkeit eines sechsten Massensterbens vielleicht eine Möglichkeit, die privaten Versorgungsfunktionen der Menschen, die die globale Wirtschaftspolitik gestalten, besser mit der Sozialfunktion in Einklang zu bringen, die alle lebenden, fühlenden Wesen umfasst. Zumindest könnte Panikmache dazu beitragen, die Zerstörung von Lebensräumen im öffentlichen Bewusstsein zu halten.

Lernen wir, einander zu verstehen und zu akzeptieren …


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