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Volk und Wirtschaft

Unpiq: Blockchain als Ideologie

Rico Grimm
Journalist
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Rico GrimmMittwoch, 21.03.2018

Mit-piqer Michael Seemann hat in seinem Blog einen Text über die Blockchain-Technologie veröffentlicht. Da dieser Text auch von anderen Medien wie der taz oder Deutschlandradio-Kultur aufgegriffen wurde, haben seine Thesen zusätzliche Glaubwürdigkeit bekommen. Seemanns' Kernaussage ist:

Blockchain ist mehr Ideologie als Technologie.

Um seine These zu stützen, greift Seemann auf mehrere Argumente zurück. In jedem einzelnen macht er Fehler – weswegen auch sein Schluss nicht zulässig ist.

1. Er fragt: Warum gibt es bis heute keine populäre Blockchain-Anwendung?

Das ist so, als würde man 1990 fragen, warum es noch kein Amazon oder Google gibt. Die Voraussetzungen dafür sind noch nicht erfüllt. Gerade bauen alle an der Infrastruktur, von der so genannten Anwendungsschicht sind viele noch weit entfernt. Wobei es da auch Ausnahmen gibt. Diese Google Docs Alternative funktioniert z. B. auch schon. Diese sind nicht populär, schon klar. Aber dazu fehlt diesen Sachen auch noch die Benutzerfreundlichkeit. Wer sich in der Szene umhört, merkt schnell: Das ist vielen bewusst.

2. Er antwortet: Es gibt noch keine Anwendungen, weil Krypto-Investitionen eine Wette auf den Niedergang von Institutionen seien.

Die deutsche Rechte und die amerikanischen Libertären zitierend, versteht Seemann Blockchain-Technologien nur als Instrument, um zentral organisiertes Vertrauen durch dezentral organisiertes Vertrauen zu ersetzen. Dabei schaut er auch nur offizielle Institutionen an. Auch hier: Mit ein wenig Recherche hätte er schnell feststellen können, dass die Mehrheit in der Szene nicht die nächsten USA bauen wollen, sondern Google und Facebook ersetzen. Sie sind Tech-Entrepreneure. Deswegen geht auch dieses Argument ins Leere.

Um konstruktiv zu enden: Wer wirklich etwas über diese Technologie lernen will (aber kein Bock auf Technik hat), sollte diese Bücher lesen (gibt's auch auf Youtube, Teil I und Teil II).

Unpiq: Blockchain als Ideologie

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Kommentare 8
  1. Antje Schrupp
    Antje Schrupp · vor 6 Jahren

    Hm, ich weiß auch nicht genau, worauf du mit deinem Unpiq hinaus willst, denn du widerlegst Seemanns These ja auch nicht, du sagst nur, dass seine Argumentation nicht schlüssig genug ist, um die These zu beweisen. Bei der These, Bitcoin sei mehr von der Ideologie der institutionenlosen kapitalistischen Freiheit getrieben als von realem technologischem Nutzen, handelt es sich natürlich um eine politische Interpretation und nicht um eine wissenschaftliche Tatsache, deshalb kann man sie nicht beweisen oder widerlegen, man kann sie nur für mehr oder weniger plausibel halten. Deshalb finde ich nun widerum, dass deine Argumentation ein bisschen ins Leere läuft. Ich halte diese Interpretation jedenfalls für einen interessanten Aspekt und sehr bedenkenswert, zumal der Zugang zu Technologie für meinen Geschmack ohnehin viel zu selten die weltanschaulichen Implikationen dahinter bedenkt und gerne so tut, als ging es nur um etwas "Neutrales", reine Methode. Ich finde es lohnenswert, die gegenwärtigen und zukünftigen Debatten über Blockchain unter diesem Blickwinkel zu verfolgen.

    1. Rico Grimm
      Rico Grimm · vor 6 Jahren

      Michael macht ein eindeutiges Argument, das so geht: "Warum verbleiben alle Blockchaintechnologien in der Projektphase, und keines findet einen Markt? Die Antwort ist: Blockchain ist mehr Ideologie als Technologie. Ideologie meint hier, dass dahinter eine Vorstellung steht, wie Gesellschaft funktioniert und wie sie funktionieren sollte."

      Darin stecken faktische Fehler z.B. die Annahme, dass diese Technologien keinen Markt finden würden oder dass die Szene rein ideologisch getrieben ist durch Anarchokapitalismus (so etwas kann man ja mit Recherche überprüfen). Ganz zu schweigen davon, dass er nicht ausführt wie genau die Mechanik seines Arguments eigentlich ist. Was bedingt da was.

      Ich bin unbedingt dafür über die Technologie selbst zu sprechen, auch aus politisch-philosophischer Ebene - aber dann muss das auch Hand und Fuß haben und erkennen lassen, dass man sich mit der Materie beschäftigt hat.

  2. Michael Seemann
    Michael Seemann · vor 6 Jahren

    Zu 1: Geschenkt. Ich will gar nicht ausschließen, dass wir in 5 bis 10 Jahren die große Cryptorevolution erleben werden. Ich würde nicht gerade drauf wetten, aber ausschließen eben auch nicht. Wenn wir im Bild bleiben: Derzeit wird viel Geld in boo.com und Webvan gesteckt. Kennen sie nicht? sind halt auch beim Platzen der Dotcomblase untergegangen. die Googles und Facebooks sind noch mindestens 5 Jahre hin. Wenn überhaupt, wie gesagt.

    zu 2. Ich meinte keinesfalls nur staatliche Institutionen. Google und Facebook habe ich explizit genannt. Auch wenn das keine populäre Meinung ist, aber auch diese Unternehmen übernehmen innerhalb ihres Wirkungsbereichs institutionelle Aufgaben. Sie policen Hatespeech und Fakenews, regeln Konflikte, üben Druck aus und legen Incentives für bestimmtes Verhalten. Die Unternehmen werden oft für diese Praxen kritisiert, aber fraglich ist, ob wir ganz ohne auskommen. Blockchain-Enthusiasten scheinen eine Antwort darauf zu haben: ja, weg damit. Das ist genau diese Ideologie, die ich meine.

    1. Rico Grimm
      Rico Grimm · vor 6 Jahren

      Kennst du die verschiedenen Projekte, die sich mit dezentraler Governance auseinandersetzen? Z.B. Aragon, 0x, Decred. Die Macher dahinter versuchen Modelle zu finden, bei denen eine Institution funktionieren kann ohne das eine Person oder Zentrale die totale Macht hat - so wie gerade Mark Zuckerberg (nur so als Beispiel). Also gibt es auch hier im Blockchain-Universum Dinge, die deinem Schluss widersprechen.

    2. Michael Seemann
      Michael Seemann · vor 6 Jahren

      @Rico Grimm kenne ich jetzt nicht, aber ist ja nicht so, als würden basisdemokratische entscheidungsfindungs- und gruppenregulierungsmechanismen erst seit kurzen erprobt. wer schon mal in entsprechenden wgs war, weiß wie "schwierig" das ist.

  3. Karsten Lemm
    Karsten Lemm · vor 6 Jahren

    Hallo Rico, wir stecken sicher noch im Morgennebel der Blockchain-Technologie, deshalb ist es schwer, abzuschätzen, wo der wahre Wert dieser Idee liegt – aber ganz sicher lässt sich vieles von dem, was wir aktuell beobachten, mit dem Hype um die „New Economy“ während des Dotcom-Booms vergleichen.

    Was Michael auf taz.de schreibt, greift etwas zu kurz, geht aber deshalb nicht in die falsche Richtung. Es gibt viele ernstzunehmende Kritiker, wie den Direktor der London School of Economics, die besonders im Jubel um Kryptowährungen wenig mehr entdecken können als den kollektiven Fiebertraum einer kultartigen Anti-Establishment-Bewegung, in Kombination mit reichlich Gier:

    https://www.weforum.or...

    Die Investment-Abteilung der Allianz kommt zu dem (weit verbreiteten) Schluss, dass Bitcoin eher in die Abteilung Schwindel fällt, während die Idee der Blockchain zumindest für bestimmte Anwendungen taugen könnte:

    https://www.allianzgi....

    Die Ideologie, aus der Bitcoin und Blockchain entstanden sind, habe ich noch nirgendwo so treffend beschrieben gefunden wie in dem Buch „Attack of the 50 Foot Blockchain“ von David Gerard:

    https://davidgerard.co...

    Gerard räumt darin mit vielen Mythen auf – unter anderem, dass Bitcoin und die Blockchain durch ihre eingebaute dezentrale Struktur die Welt automatisch demokratischer machen würden. Dazu kommt, dass viele Anwendungen, für die sich die Blockchain angeblich perfekt eignet, ähnlich effizient von anderen, bereits etablierten Technologien übernommen werden können. (Schon die kostenlosen Leseproben auf Gerards Website geben einen guten Überblick.)

    Mein Bauchgefühl als langjähriger Beobachter der Tech-Szene sagt mir, dass sich irgendwo in diesem Nebel des Ungewissen tatsächlich ein paar Amazons und Googles der Zukunft verbergen könnten. (Mit Betonung auf dem Konjunktiv.)

    Aber sehr vieles von dem, was aktuell passiert, erinnert mich eher an Pets.com, eXcite und eToys: Milliardenfirmen am Höhepunkt der Spekulationsblase, die dann über Nacht verschwanden, zusammen mit den Hoffnungen ihrer Gründer, Mitarbeiter und Investoren, als es „Puff!“ machte und die heiße Luft entwich.

    1. Rico Grimm
      Rico Grimm · vor 6 Jahren

      David Gerard ist gut, lese ich auch immer wieder gerne, weil er schön nüchtern bleibt. Kann da auch Tim Swanson (https://twitter.com/of...) empfehlen und Isabella Kaminska bei der FT (https://ftalphaville.f...).

      Aber: Bitcoin als Schwindel zu bezeichnen, ist interessant. Denn dann muss es ja jemanden geben, der betrogen wird? Wer ist das? Und von wem wird er betrogen? Diese Fragen sind unmöglich zu beantworten, denn Bitcoin ist durch die Kooperation von einander völlig unbekannten Menschen entstanden. Betrügen diese Leute jemanden, wenn sie Bitcoin minen, verkaufen, handeln? Betrügen sie der Schwindel-Logik folgend nicht zu allererst sich selbst, schließlich investieren sie viele Ressourcen in das System...

    2. Karsten Lemm
      Karsten Lemm · vor 6 Jahren

      @Rico Grimm Danke für die Hinweise – ich kannte die beiden noch nicht.

      Was Deine Frage nach den Schwindel-Vorwürfen angeht, hier ein Zitat aus der Einschätzung der Allianz: „Bitcoin meets all of the essential criteria for any asset-class bubble, including overtrading, a lack of regulation and the potential for swindles.“

      Im übrigen gibt es in der kurzen Geschichte von Bitcoin & Co. ja schon so viele Beispiele für betrügerische Geschäfte und Skandale (z.B. Mt. Gox oder die Pleite des „Bitcoin Savings & Trust“), dass mir nicht klar ist, wie Du über das Schwindel-Potential hinwegsehen kannst. Betrogen wird permanent in dieser Subkultur der Gier – vor allem beim Kaufen und Verkaufen (etwa durch einen Hack namens „transaction malleability“) oder durch digitale Einbrüche in Kryptobörsen.

      Und ja: Der größte Betrug mag am Ende der Selbstbetrug sein – nämlich der Glaube, eine rein imaginäre Währung, die ausschließlich von Spekulation lebt, könnte alle herkömmlichen, von Volkswirtschaften gestützten Währungen an Wert überflügeln.

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