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Volk und Wirtschaft

Pikettys neues Buch der Ungleichheit – alles nur Ideologie oder was?

Thomas Wahl
Dr. Phil, Dipl. Ing.
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Thomas WahlMittwoch, 04.03.2020
Nicht nur das Buch von Piketty, dem Starökonomen, ist sehr umfangreich. Auch die Rezensionen sind es. Dass es sich bei "Kapital und Ideologie"  um 
eine ökonomische, soziale und politische Geschichte inegalitärer Systeme von den Feudal- und Sklavenhaltergesellschaften bis zu den postkolonialen und »hyperkapitalistischen« Gesellschaften der Gegenwart
handelt, ist nachvollziehbar. Vergleichbare egalitäre Gesellschaften gab es ja meines Wissens eigentlich nicht. Es wäre also interessant, ob es dafür jenseits der Ideologie Gründe gibt. Offensichtlich entstehen egalitäre Systeme weniger spontan bzw. sind nicht stabil zu halten. Gesellschaften arbeiten natürlich mit verschiedenen Sinnsystemen – nicht nur bei den Ungleichheiten. Das bedeutet doch aber nicht, dass diese Sinngebung die vorrangige Ursache für die Akzeptanz ist und mit deren Änderung eine Gesellschaft der Gleichheit entstehen würde. 

Also, wie bekommt man Gleichheit in arbeitsteiligen komplexen Gesellschaften mit Millionen sehr unterschiedlichen Bürgern, mit differenzierten Fähigkeiten, Ansprüchen, Interessen, Vorstellungen und Temperamenten hin? Was für eine Gleichheit ist überhaupt gemeint und wie viel davon? Reicht es wirklich, Einkommen und Vermögen gleich zu verteilen? Und wie steht es mit der Gerechtigkeit, die ja bekanntermaßen gerade nicht Gleichheit ist? Alles nur Ideologie oder was?

Dazu (so der Artikel) identifiziert Piketty in seiner Gegenwartsanalyse die für ihn entscheidende (für mich etwas simple) Herausforderung unserer Zeit, die »identitäre Falle«:

Die Sozialdemokratie sei im Grunde Opfer ihres eigenen bildungspolitischen Erfolgs geworden, indem sie sich schleichend von einer Arbeiterpartei in eine Akademikerpartei verwandelt habe. Die ehemalige Klientel empfinde sich heute als Globalisierungsverlierer und drohe, zwischen einer »Kulturlinken« (gauche brahmane) und einer »Businessrechten« (droite marchande) politisch heimatlos geworden, sich auf die nationale Identität zurückzuziehen.
Hinzu kommt der Vorwurf, die Sozialdemokraten hätten es versäumt, einen postnationalen Entwurf zu entwickeln, um dem postnationalen Kapitalismus beizukommen. Ob das angesichts der Großmächte USA, China oder Russland und der schwachen EU eine realistische Option ist, wage ich zu bezweifeln. Jedenfalls werden viele große, abstrakte Begriffe bemüht. 
Piketty antwortet seinerseits auf diese politische Herausforderung mit dem Programm eines »partizipativen und dezentralen Sozialismus«. Dieser stützt sich im Wesentlichen auf die stark progressive Besteuerung von Einkommen, Besitz und Erbe, beinhaltet aber auch neuartige Elemente wie eine radikalisierte Mitbestimmung in Betrieben und eine Art »Grunderbe« von 120.000 Euro, das im Alter von fünfundzwanzig Jahren an jeden Bürger ausbezahlt werden soll.
Klingt gut, ob es aber funktioniert, das darf man bezweifeln. In Jugoslawien hat die dezentrale Mitbestimmung der Belegschaften als Eigentümer jedenfalls nicht gut funktioniert. 

Der Autor der Rezension lobt insbesondere das Kapitel über die Geschichte des Eigentums:
Ideologie – also die institutionelle Infrastruktur – wird in Pikettys Geschichtsmodell zum wichtigsten erklärenden Faktor. Dies ist der Sinn des eingangs zitierten Satzes, Ungleichheit sei kein ökonomischer, sondern ein ideologischer Sachverhalt. Damit steht das neue Buch diametral gegen den Vorgängerband. Rein ökonomischen Erklärungen fehle gerade das »Wesentliche«, stellt Piketty nun fest. Man mag es für einen perspektivischen Effekt halten, welche Faktoren als Langzeittrends erscheinen und welche als exogene Schocks. Der Ökonom sieht es auf die eine Weise, dem Politikwissenschaftler stellt es sich anders dar. Aber bei Piketty hat es eine tiefere Bewandtnis damit.
Ob dabei der Begriff einer "Ideologie des absoluten Eigentums" treffend ist, das wird man beim Lesen des Gesamtwerkes prüfen müssen. Auf jeden Fall wieder ein Buch mit originellen Gedanken, an denen man sich reiben kann. Mit der folgenden Kritik wird man leben können:
Wie dies bereits an dem Vorgängerband bemängelt wurde, werden auch im neuen Buch die Grundbegriffe – Ideologie, Kapital, Kapitalismus – nicht mit der gebotenen Sorgfalt definiert. Auch darüber hinaus legt Piketty durchweg eine verblüffende Nonchalance im Umgang mit Begriffen an den Tag.
Das gehört wohl zu so großen Erzählungen dazu ...
Pikettys neues Buch der Ungleichheit – alles nur Ideologie oder was?

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Kommentare 3
  1. Georg Wallwitz
    Georg Wallwitz · vor 4 Jahren

    Paul Krugman kann nicht viel mit dem Buch anfangen: https://www.nytimes.co...

    Raghuram Rajan fällt ebenfalls ein negatives Urteil (hinter der Paywall):
    https://www.ft.com/con...

    Beides bedeutende Ökonomen

    1. Thomas Wahl
      Thomas Wahl · vor 4 Jahren

      Ich bin leider kein bedeutender Ökonom. Vermute das aber auch .....

    2. Georg Wallwitz
      Georg Wallwitz · vor 4 Jahren

      @Thomas Wahl Willkommen im Club! 🙂

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