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Volk und Wirtschaft

Ofen aus für "Made in Europe"?

Thomas Wahl
Dr. Phil, Dipl. Ing.
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Thomas WahlMittwoch, 18.01.2023

Das wirtschaftlich-soziale Erfolgsmodell des letzten Jahrhunderts, zumindest West- und Mitteleuropas, war die Industrialisierung – Kapitalismus plus Demokratie. Mit preiswerter Kohle und der Dampfmaschine d. h. durch ausreichende Energie, wurden in unserem Teil der Welt Güter für alle möglich, die vorher nur einer sehr kleinen Schicht der Reichen zugänglich waren. Warme Wohnungen und Kleidung, ausreichend Nahrung und Genußmittel, Geschirr, Zeitungen und Bücher, Autos, Fahrräder u. v. a. m.. Die Globalisierung hat diesen Weg für alle geöffnet, und viele Nationen jenseits des "Westens" haben ihn beschritten. Industrie und Energie ist nichts mehr, was wenige Länder exklusiv besitzen (können) – immer nur im Wettbewerb und in Kooperation mit anderen. Und nun kommt der Alarmruf:

Die Energiekosten - die 2022 durch die Invasion Russlands in die Ukraine und die Abschaltung lebenswichtiger Gaspipelines auf Rekordniveau getrieben wurden – sind für viele produzierende Unternehmen zu hoch geworden, um mit Produktion in Europa wettbewerbsfähig zu bleiben. Gleichzeitig hat ein riesiges Paket amerikanischer Subventionen für grüne Industrien (nicht nur) unsere EU-Beamten schockiert und verärgert. Sie müssen mit ansehen, wie die USA – ein angeblicher Verbündeter – Unternehmen dazu verleiten, Produktion über den Atlantik zu verlagern.

Besonders betroffen sind natürlich energieintensive Sektoren wie Glas, Chemikalien, Metalle, Düngemittel, Zellstoff oder Papier, Keramik sowie Zement. Das trifft Industriezweige, die 8 Millionen Menschen Arbeit geben. Konfrontiert mit dem global wachsenden wirtschaftlichen Wettbewerb nicht nur mit China, sondern auch mit den zunehmend protektionistischer agierenden Vereinigten Staaten warnen die europäischen Staats- und Regierungschefs offen vor einer Ausdehnung der "Deindustrialisierung" auf die gesamte Produktion unseres Kontinents. 

"Angesichts der Maßnahmen der USA und Chinas sehen wir die reale Gefahr der Deindustrialisierung und Desinvestition", sagte ein hochrangiger Beamter der Europäischen Kommission.

Und es sind nicht nur die Politiker, die vor einem aus des "Made in Europe" warnen:

Der Verlust von Produktionskapazitäten bedeutet, Arbeitsplätze zu verlieren, und das – sagte Luc Triangle, Generalsekretär der Europäischen Gewerkschaft IndustriALL, die Produktionsarbeiter vertritt – hat "politische Konsequenzen".

Triangle warnte davor, das z. B. ein beschleunigter Exodus der Industrie in Mittel- und Osteuropa Wähler gegen die EU in Stellung bringen könnte, die dann in eine andauernde Krise gleiten würde.

"Es gibt politische Konsequenzen", sagte Triangle. "Welche Parteien werden gewinnen und von der Unzufriedenheit und Enttäuschung gedeihen? Die Parteien, die antieuropäische oder andere extremistische Agenden haben".

Einige wollen gleich den Kapitalismus abschaffen, der für alles verantwortlich sei. Ich bin ja mit vielem, was Wolfgang Merkel in der FR sagt, nicht ganz einverstanden, aber hier stimme ich zu – Demokratie und Kapitalismus

das ist eine Zwangsverheiratung. Der Kapitalismus folgt zwar einem anderen Prinzip, aber die Demokratie ist auf den Kapitalismus angewiesen, auf seine Effizienz und Innovationskraft, sonst wird sie an Legitimität bei ihren eigenen Bürgerinnen und Bürgern verlieren. Der Kapitalismus braucht die Demokratie nicht, aber die Demokratie braucht den Kapitalismus.

Verlieren wir die Industrie, verlieren wir u. U. die Demokratie. Ganz ohne energieintensive Fabriken wird es nicht gehen ...

Aber bei allen Meinungsverschiedenheiten zwischen den Ländern und Strategien der weitere Weg bleibt noch unklar. 

Die Lockerung der strengen Beihilfevorschriften der EU ist ein wichtiger Schwerpunkt unter den Beamten, und die finanzielle Unterstützung der EU für das verarbeitende Gewerbe wird ebenfalls in Betracht gezogen.

Der Spiegel schreibt, dass z. B. in Deutschland der Bund ab nächstem Jahr mit der Industrie sogenannte Klimaschutzverträge abschließen will: 

Wer klimafreundlich produziert, obwohl das teurer ist, bekommt vom Staat bis zu 15 Jahre lang die Mehrkosten erstattet. Vor allem die Stahl-, Chemie-, Zement- und Glasindustrie sollen damit angetrieben werden, schnell auf eine grüne Fertigung umzusteigen.

Da kann man nur sagen, im Sozialismus wurde auch über lange Zeit versucht, fehlende Produktivität durch Subventionen auszugleichen. Das hätte was von Münchhausen, wenn die Wettbewerber nicht mitziehen, wird es so nicht funktionieren. Aber wie auch immer, es kommt ein global spannendes Jahr 2023 ...

Ofen aus für "Made in Europe"?

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Kommentare 2
  1. Dominik Lenné
    Dominik Lenné · vor mehr als ein Jahr

    Ja, guter Piq. Es gibt ja Leute, die sagen, dass bestimmte energieintensive Produktion dorthin wandern wird, wo Solar- und Windstrom am billigsten sind: in den Süden. Beispiel: die Produktion von Stickstoff-Düngemittel, verantwortlich für ~~1% der globalen CO2-Emission, kann ideal in Chile oder Namibia stattfinden. Bei Stahl sieht es möglicherweise ähnlich aus. Wir, d.h. die EU, werden es kaum schaffen, diese großen Mengen an Wind- und Sonnenstrom rechtzeitig bereitzustellen. Ich glaube nicht, dass wir die Produktion bestimmter Massenprodukte in der EU werden halten können. Besser wir sind uns darüber klar und bereiten uns darauf vor.

    1. Thomas Wahl
      Thomas Wahl · vor mehr als ein Jahr

      Wenn es Afrika gelingt stabile und effiziente Strukturen aufzubauen wäre das perfekt. Aber aktuell sehe ich das nicht. Es wurde ja immer wieder versucht dort Industrien anzusiedeln. Kann man sich darauf verlassen?

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