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piqer für: Fundstücke Volk und Wirtschaft Liebe, Sex und Wir Seite Eins
Antje Schrupp beschäftigt sich vor allem mit der politischen Ideengeschichte von Frauen. Gerade erschien ihre neue Biografie der ersten amerikanischen Präsidentschaftskandidatin Victoria Woodhull (Ulrike Helmer Verlag, Sulzbach 2016), zuvor der Comic "Kleine Geschichte des Feminismus" zusammen mit der Zeichnerin Patu (Unrast Verlag, Münster 2015). Sie engagiert sich für ein Bedingungsloses Grundeinkommen und ist Mitglied im Netzwerk Care-Revolution. Sie bloggt unter www.antjeschrupp.com.
Der Kapitalismus und seine Dynamiken als wirtschaftliches Grundprinzip sind schon länger in der Kritik, doch es fehlt an Ideen, wie man ihn nachhaltig verändern oder gar abschaffen könnte. Mit der Globalisierung hat sich das noch verstärkt, weil die Prinzipien von Effizienz- und Profitsteigerung inzwischen auch in die letzten Winkel der Erde vorgedrungen sind.
Der Soziologe Jens Beckert hat jetzt ein Buch veröffentlicht, in dem er zeigt, wie sehr der Kapitalismus auf Illusionen und eine "imaginierte Zukunft" (so der Titel) angewiesen ist. Ein weiterer Baustein in der Dekonstruktion des "homo oeconomicus", also jenes vorgestellten rational wirtschaftenden Menschen, von dem die kapitalistischen Wirtschaftstheorien ausgehen, den es aber in Wirklichkeit eben nicht gibt.
Die Kritik an diesen Illusionen - zum Beispiel den Glücksversprechen des Konsums - ist natürlich nicht neu. Aber seit der Finanzkrise und den zunehmenden weltweiten politischen Instabilitäten stellt sich die Frage immer konkreter, was passieren würde, wenn das System tatsächlich kollabiert. Das Bild, das Beckert für die Situation, in der wir uns befinden, wählt, trifft es wohl tatsächlich auf den Punkt: Wie ein rollendes Fahrrad muss sich der Kapitalismus immer weiter bewegen, sonst fällt er um. Und das ist kurzfristig eben für die Radlerin noch schlimmer als das Weiterfahren - auch wenn es auf den Abgrund zugeht.
Finde insbesondere was er zum Thema "Zukunftsnarrative" sagt spannend. Ich frage mich das oft beim Medienkonsum. So gerne ich Sendungen wie "Black Mirror" gucke, frage ich mich jedes Mal, was es mit einer Gesellschaft macht, wenn ihr nur noch Dystopien gezeigt werden. Gefühlt war für mich die letzte Erzählung mit einer positiven Utopie Star Trek: The Next Generation.
„Wir müssen also hoffen, dass unsere permanente Selbsttäuschung noch möglichst lange anhält?
Im Grunde ja. Vielleicht steuern wir tatsächlich auf ein No-Growth-Szenario zu, für das man aus ökologischer Sicht viele Sympathien haben kann. Aber für unseren gesellschaftlichen Zusammenhalt wäre das eine Katastrophe.“ Wer will schon Katastrophen?