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Volk und Wirtschaft

Das neue Experiment zum Grundeinkommen – ist das noch Forschung oder schon Werbung?

Thomas Wahl
Dr. Phil, Dipl. Ing.
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Thomas WahlDienstag, 01.09.2020

Die Forscher sagen von sich selbst, sie wollen Grundlagenforschung zum Bedingungslosen Grundeinkommen (BGE) betreiben. In einem ersten Schritt wollen Sie die individuellen Effekte von 1.200 € zusätzlich pro Monat mit 120 Menschen über drei Jahre erforschen. Damit wollen sie "Indizien für die Wirkung auf die gesamte Gesellschaft" herausfinden. Die Ergebnisse werden mit einer Vergleichsgruppe abgeglichen. Weitere Studien sollen anschließend die Grundlagen der Finanzierbarkeit testen. 

Zumindest das Arbeiten mit einer Vergleichsgruppe ist wissenschaftlich. Allerdings besteht das Bedingungslose Grundeinkommen nicht aus 1.200 € zusätzlich, sondern ist ein Betrag, der (je nach Modell) jedem Bürger lebenslang zusteht. Eine vierköpfige Familie hätte dann ein Grundeinkommen von 4.800 €. Zum Vergleich, eine Familie mit zwei Kindern unter 14 Jahren gehört heute mit netto 7.412 Euro zu dem reichsten Zehntel.

Wie hoch das Familieneinkommen mit BGE dann konkret wäre, hängt von vielen Faktoren ab. Unter anderem, wer in der Familie noch arbeiten geht und wie das zusätzliche Arbeitseinkommen besteuert wird. 

Auch erscheinen mir die 120 Testpersonen etwas wenig. Auf diesen Einwand antworten die Forscher selbst:

Natürlich arbeiten wir als Forschende bei unseren Analysen lieber mit einer Fallzahl von über 1.000 Personen; die statistische Kraft, auch kleine Wirkungseffekte identifizieren zu können, würde dann enorm wachsen. Mit dieser kleinen Fallzahl bedarf es wahrhaft „großer“ Effekte. Um ein Beispiel zu nennen: Erst wenn die Spendenquote bei Grundeinkommensbeziehenden um rund zehn Prozentpunkte in der Teilnahmegruppe innerhalb eines Jahres steigen würde, wäre unsere Hypothese, dass ein Grundeinkommen das prosoziale Handeln signifikant zu steigern vermag, bestätigt und statistisch abgesichert. Wir werden unsere Forschungshypothesen mit unserer vergleichsweise kleinen – aber für wissenschaftliche Feldexperimente keineswegs zu kleinen – Stichprobe selbstverständlich mit dem konkreten Start des Experimentes innerhalb der scientific community transparent machen und wie dies mittlerweile in der Forschung üblich ist prä-registrieren. 

Für mich ist es keine Frage, dass, wenn man jemandem einige Jahre etliche Tausend Euro schenkt, er zufriedener wird und wahrscheinlich auch großzügiger. Auch die Resonanz ist nun wirklich keine Überraschung. Aber was das  BGE in der Gesellschaft als Ganzes bedeutet, ist m.E. mit diesem Testsetting nicht zu "erforschen" bzw. zu prognostizieren. Ich bleibe skeptisch gegenüber über solchen soziologischen Versuchen, die sich allzu oft nicht reproduzieren lassen.

Die eigentliche Frage ist doch, wie sich die Dynamik einer Gesellschaft verändert, wenn z. B. Familien, schon ohne zu arbeiten ein hohes Nettoeinkommen erzielen (was ihnen gegönnt sei). Menschen reagieren immer wieder überraschend und neu. Und das Problem dabei ist nicht die intellektuelle Klasse in den Medien und an den Universitäten. Die sind meist intrinsisch motiviert und werden sich beschäftigen. Es sind die vielen jetzt geringer Verdienenden, der Mittelbau unserer Gesellschaft. Was werden sie in welchen Anteilen tun – befreit ihre Jobs fortsetzen oder schwarz arbeiten? Wie wird sich die Besteuerung der Arbeitseinkommen auch bei den "Besserverdienenden" je nach Dynamik entwickeln, wie werden die reagieren? Wie das BIP? Diese Fragen sprechen nicht per se gegen ein BGE. Sie zeigen allerdings, das ein großes Risiko besteht, das wir nicht abschätzen können. Es geht wohl nur ganz oder gar nicht. Und ein BGE, das sozial-ökonomisch nicht erfolgreich ist,  lässt sich schwer zurücknehmen. Immerhin sehen die Wissenschaftler das Risiko:

Kann man Schaden anrichten, wenn man ein Grundeinkommen einführt? Schon möglich. Wenn man es nicht einführt aber vor allem auch keine Grundlagenforschung dazu betreibt, kann man jedoch möglicherweise ebenfalls künftig Schaden anrichten. Denn wer kann schon ausschließen, dass die Gewährung eines Grundeinkommens nicht vielleicht doch in einigen Jahren eine überlegene Alternative zum Status Quo unseres gegenwärtigen Sozialsystems darstellen kann? Dieses Risiko einer verpassten Klärung wollen wir – ausgestattet mit einem Mandat der Vielen – nicht eingehen. 

Nur halte ich eben diese Klärung nicht vorab für möglich und schon gar nicht mit 1.200 € zusätzlich für 120 Bürger. Die Zukunft komplexer, offener Systeme lässt sich nicht bestimmen, sie entwickelt sich.

Das neue Experiment zum Grundeinkommen – ist das noch Forschung oder schon Werbung?

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Kommentare 72
  1. Andreas P.
    Andreas P. · vor mehr als 3 Jahre · bearbeitet vor mehr als 3 Jahre

    Ich bin der festen Überzeugung dass das bedingungslose Grundeinkommen nicht kommen wird, und wenn es kommen sollte, nicht du funktionieren wird. Dies aus den selben Gründen: es würde den derzeitigen absurden Sozialstaat ersetzen und damit den meisten linken verteilungsgeilen Politikern alle Themen wegnehmen (Beispiel Mindestlohn, Pflegepersonal, etc.), sowie den Leuten die den Sozialstaat organisieren und verwalten Einkommen und Macht entreißen - gegen diese geballte Lobby geht in Deutschland gar nichts. Wenn es kommt, wird es diejenigen die profitieren sollen verwahrlosen, weil diese Leute dann keinerlei Motivation mehr haben, sich zu bilden oder zu arbeiten.

    Der Mensch kann incentiviert werden und handelt dann entsprechend. Ein schönes Beispiel aus Australien: Dort wurde mal die Erbschaftsteuer zu einem Stichtag abgeschafft und später wieder eingeführt. Das Ergebnis war eine Untersterblichkeit vor der Abschaffung und eine Übersterblichkeit vor der Wiedereinführung, jeweils mit Kompensation danach. Menschen sterben also sogar früher oder später sterben, man sie entsprechend incentiviert. Dann werden sie auch kleinere Effekte aus Incentives ableiten.

    1. Thomas Wahl
      Thomas Wahl · vor mehr als 3 Jahre

      So hab ich das noch nicht betrachtet. Christoph Butterwegge und Georg Cremer - bewährte Kämpfer für mehr Sozialstaat - sind jedenfalls dagegen.

      http://georg-cremer.de/
      https://www.bpb.de/dia...

    2. Marcus von Jordan
      Marcus von Jordan · vor mehr als 3 Jahre

      @Thomas Wahl ja Butterwegge hat sich da ja auch legendär gezofft mit Precht...war auch Punktsieger damals.
      Aber man darf es nicht als "anstatt Sozialsystem" sehen denke ich...wenn dann als schleichende Korrumpierung..

    3. Andreas P.
      Andreas P. · vor mehr als 3 Jahre

      @Marcus von Jordan Die negative Kopfsteuer BGE ist zwangsläufig statt der restlichen Sozialhilfeleistungen. Zum einen weil das Existenzminimum satt überschritten würde (keine Bedürftigkeit mehr) und zum anderen weil überbleibende Sozialhilfe nicht Bedingungslos wäre. Mit gleichzeitiger Einführung einer positiven Kopfsteuer wäre ich uneingeschränkt dafür. Aber: Abgesehen dass man Mathematik mit linken Beschwörungen nicht ändern kann, führt der Wegfall von Bedürftigkeit dazu, dass ganze Heerscharen von Politikern, Journalisten, Solzialwissenschaftlern, etc. ihr intellektuelles Existenzminimum und ihre gefühlte Daseinsberechtigung verlieren, weil man ohne Komplexität im Über-Exitenzminimumsschlaraffenland keine noch so subtilen Ungerechtigkeiten finden kann, über die man sich Echauffieren kann. BGE ist für die Priesterkaste existenzgefährdend!

    4. Thomas Wahl
      Thomas Wahl · vor mehr als 3 Jahre

      @Andreas P. Was wäre denn eine positive Kopfsteuer?

    5. Andreas P.
      Andreas P. · vor mehr als 3 Jahre

      @Thomas Wahl Jeder Kopf zahlt das selbe.

    6. Thomas Wahl
      Thomas Wahl · vor mehr als 3 Jahre

      @Andreas P. Anteilig oder absolut?

    7. Andreas P.
      Andreas P. · vor mehr als 3 Jahre

      @Thomas Wahl Absolut, wie BGE, nur zahlen statt kassieren.

    8. Thomas Wahl
      Thomas Wahl · vor mehr als 3 Jahre

      @Andreas P. Das ist doch Unsinn ....

    9. Andreas P.
      Andreas P. · vor mehr als 3 Jahre · bearbeitet vor mehr als 3 Jahre

      @Thomas Wahl Ja, aber diese Erkenntnis hilft bei der Einordnung des BGE, - dasselbe mit anderem Vorzeichen.

      PS: Kopfsteuer gab es schon und es wird immer mal wieder drüber promoviert.

    10. Thomas Wahl
      Thomas Wahl · vor mehr als 3 Jahre

      @Andreas P. Ok, das kann ich nachvollziehen

    11. Marcus von Jordan
      Marcus von Jordan · vor mehr als 3 Jahre

      @Andreas P. ich versteh dich nicht wirklich...aber ich weiß ja eh auf was es hinausläuft. :)
      meine Welt läuft nicht nach Mathematik alleine...deine auch nicht in Wirklichkeit.
      Sozialfälle wird es auch geben, wenn es ein BGE gibt. Und man wird sich um sie kümmern müssen. Die Wette ist ja, dass das aber so viel weniger sein werden und so viele, so viel mehr beitragen werden, dass du unter dem Strich weniger abgeben musst. Jedenfalls war das natürlich Nixons Plan..

    12. Thomas Wahl
      Thomas Wahl · vor mehr als 3 Jahre

      @Marcus von Jordan Bei Nixon gab es aber nur einen Teil des Existenzminimums - so weit ich mich erinnere?

    13. Marcus von Jordan
      Marcus von Jordan · vor mehr als 3 Jahre

      @Thomas Wahl https://www.zeit.de/wi...

      ...bei Bregmann war glaub ich die Rede von 1600$ für eine 4-köpfige Familie...das dürfte damals schon das Existenzminimum gewesen sein (Kann grad nicht nachlesen, ist verliehen :)). Sie hatten ausgerechnet, dass die Kinder armer Leute diese Unterstützung sozusagen bis sie 25 sind schon zurückbezahlt haben.

    14. Thomas Wahl
      Thomas Wahl · vor mehr als 3 Jahre

      @Marcus von Jordan Ja, nur die diskutierten deutschen BGE liegen oft erheblich über dem Existenzminimum. Das ist schon ein Unterschied.
      Bei HIV liegt die Summe für vier Personen so um die 2000 € (wahrscheinlich etwa das bedarfsgewichtete Mindesteinkommen). Bei den BGE oft zw. 4000 - 4800€.

    15. Thomas Wahl
      Thomas Wahl · vor mehr als 3 Jahre

      @Marcus von Jordan Hier werden zumindest die %-Zahlen der Experimente genannt.
      https://de.wikipedia.o...

    16. Thomas Wahl
      Thomas Wahl · vor mehr als 3 Jahre

      @Marcus von Jordan Ja, das mit der "schleichenden Korrumpierung" find ich treffender. Schöne Begriffsfindung ....

  2. Gabriele Feile
    Gabriele Feile · vor mehr als 3 Jahre

    Sehr gerne möchte ich der "Diskussion Grundeinkommen" noch einen Blickwinkel hinzufügen und freue mich echt auf viele Antworten. Die Frage ist:

    Welches "Problem" (oder sind es mehrere) wollen wir wirklich, wirklich lösen mit der Einführung eines Grundeinkommens?

    1. Hansi Trab
      Hansi Trab · vor mehr als 3 Jahre · bearbeitet vor mehr als 3 Jahre

      Das ist eine sehr komplexe Frage, denn die Effekte können je nach Gesellschaft (natürlich auch innerhalb von Gesellschaften) von einer Beseitigung der bittersten Formen von Armut bis zu einem Gefühl der Befreiung aus dem Hamsterrad oder der Teilhabe und Gleichberechtigung reichen. Das ist teilweise sehr individuell.

      Ganz allgemein kann man glaube ich sagen, dass das BGE mehr Verteilungsgerechtigkeit verspräche, weil es der Idee nach eben nicht versucht alle gleich zu behandeln und dabei blind für den jeweiligen Startpunkt eines Menschen ist, sondern durch die Bedingungslosigkeit dazu führen könnte, dass jeder seinen Startpunkt und auch seinen Zielpunkt selbst finden und bestimmen könnte, weil es ihm die Zeit und den finanziellen Raum für diese Bestimmungssuche gibt. Das wäre dann natürlich auch ein deutliches Maß an individueller Entscheidungsfreiheit.

      Alles aber natürlich unter der Vorraussetzung dass es denn funktioniert.

    2. Thomas Wahl
      Thomas Wahl · vor mehr als 3 Jahre

      @Hansi Trab Ob es mehr "Verteilungsgerechtigkeit" verspricht, weiß ich nicht. Wird oft behauptet. Hängt aber letztendlich davon ab, ob wirklich jeder nach besten Kräften zur Erwirtschaftung der Mittel beiträgt. Wenn nicht, wird es schnell parasitär. Und das ist eben das Problem, die Befürworter des BGE versprechen etwas, dessen Voraussetzungen sie nicht in der Hand haben. Auf die Kreativität und Solidarität der einzelnen zu setzen ist ja gut und schön - funktioniert aber heut schon nicht. Wir können ja jeder lebenslang nach unserer Bestimmung suchen. Nur wer sorgt dann für die notwendigen Bedingungen, für Essen, Müllabfuhr, Medizin, Altenpflege, Sicherheit, Recht usw. usw. Aus dem individuellen Recht auf Selbstverwirklichung entsteht eben kein Rahmen für ein gesamtheitliches Wirtschafts- und Gesellschaftssystem. Rechte ohne Pflichten, das kann glaub ich nicht gut gehen.

    3. Marcus von Jordan
      Marcus von Jordan · vor mehr als 3 Jahre

      @Thomas Wahl ich finde du radikalisierst oder polarisierst das unnötig. Wobei dein Punkt an sich einer ist natürlich. Aber es geht doch nicht immer gleich um Selbstverwirklichung im Sinne von "alle stricken nur noch ihre Lieblingsmützen" oder sonstigen Hippieentgleisungen. Und klar gäbe es Fälle von Missbrauch und Tatenlosigkeit. Aber die Beispiele von Versuchen von denen ich gelesen habe sprechen alle eine andere Sprache (trotz Ausnahmen). Ist dein Menschenbild da nicht etwas zu negativ? Letztlich geht es ja dann um die Frage mit viel Freiheit Mensch umgehen kann.

      Inwiefern meinst du, dass das zu "Rechten ohne Pflichten" führt?

      Ich glaube z.B. das es viele Menschen gibt, die ganz gerne in der Pflege arbeiten würden anstatt am Fließband und abends zusätzlich in der Kneipe. Aber sie wollen halt auch weiter in ihrer Stadt wohnen und auch sonst teilhaben.

    4. Thomas Wahl
      Thomas Wahl · vor mehr als 3 Jahre

      @Marcus von Jordan Nun, das BGE verspricht dem Einzelnen das Recht auf ein bedarfsdeckendes Einkommen ohne jede Bedingung und Verpflichtung. Das ist ja der Witz. Mein Menschenbild halte ich eher für realistisch. Ich kenne eigentlich alle "Sorten" von Verhalten in den unterschiedlichen Milieus ganz gut. Menschen die wirklich gern in der Pflege arbeiten, kenne ich kaum. Es geht eben nicht darum, das Menschen mit viel Freiheit umgehen können, sondern das sie mit gesamtgesellschaftlichen Notwendigkeiten umgehen, die sie eben nicht individuell sehen. Die Gesellschaft muß eine Möglichkeit zum regelnden Eingriff haben.

      Mißbrauchen kann man das BGE eigentlich nicht wirklich - vielleicht durch Schwarzarbeit. Es gibt ja keine Regeln des Gebrauchs. Man kann sich nur verhalten - so oder so. Sicher ist, die Menschheit verhält sich nicht gleich. Aber der Mensch richtet sich schon nach seiner jeweils konkreten Lebensumwelt. Und all die Versuche, die immer wieder angeführt werden, finden eben nicht in den verschiedenen Lebensumwelten einer Gesellschaft mit BGE statt. Es sind insulare, temporäre Experimente in unserer heutigen Umwelt, was auch jedem Teilnehmer bewußt ist. Den Drift über längere Zeiten im Verhalten in den Milieus einer ganzen Gesellschaft kann man nicht probieren, darüber kann keines der Experimente Auskunft geben. Und Drift heißt nicht, das sich das ganze in eine Richtung bewegt, sondern es wird sich eher differenzieren - die Einen so, andere anders. Es geht nicht um irgendwelche Kreativität sondern auch und zuerst um gesellschaftlich notwendige. Was das längerfristig für den gesamtgesellschaftlichen Wohlstand, für die Innovationsfähigkeit des Landes, für seine Institutionen etc. bedeutet, ist völlig offen. Den meisten ist nicht klar, was das BGE für ein komplexes Großexperiment ist. Das Menschenbild mag eine Rolle spielen, ist aber viel zu undifferenziert um daraus Schlüsse zu ziehen. Und mit Rousseau, "der Mensch ist von Natur aus gut" kommen wir da nicht weiter. Das Prinzip Hoffnung find ich zu wenig für einen solchen Schnitt.

    5. Marcus von Jordan
      Marcus von Jordan · vor mehr als 3 Jahre

      @Thomas Wahl ok...da haben wir wirklich eine unterschiedliche Grundidee. Ich komme ganz gut weiter mit Rousseau. Er gefällt mir auch besser als dein Hobbes ;)...wenn du das bei dir challengen willst, empfehle ich nochmal Bregmann. Auch sein neueres "Im Grunde gut". (https://mojoreads.de/b...)

      Ich bin wahrscheinlich andersrum pessimistischer als du, was den Status Quo angeht und deshalb absolut geneigt, Erkenntnisse aus einer ganzen Menge natürlich insulärer Versuche (aber an unterschiedlichsten Stellen und schon über lange Zeit) münden zu lassen in einem essentiellen Schritt. Im "next step".

    6. Thomas Wahl
      Thomas Wahl · vor mehr als 3 Jahre

      @Marcus von Jordan Ja, wenn es einen evolutionären Weg zum BGE gäbe, dann wäre das interessant. Einige haben ja vorgeschlagen mit sehr wenig Geld zu beginnen. Das würde aber einen der positiven Punkte, die Abschaffung der Sozialbürokratie (mit viel Bullshit- Arbeit) weit nach hinten verschieben. Und die Aussagefähigkeit zu den sonstigen Wirkungen wäre auch begrenzt. Aber eine Art kleinere Negativ-Tax, wie von Friedman vorgeschlagen, könnte ein Anfang sein. Genau das wurde ja wohl in den USA in den 70ern ausprobiert. Aber nicht repräsentativ für die Gesamtgesellschaft. Und aus den Ergebnissen liest nun jeder heraus, was in sein Konzept passt.

    7. Marcus von Jordan
      Marcus von Jordan · vor mehr als 3 Jahre

      @Thomas Wahl zu klein dürfte es nicht sein, aber ja - man könnte "vorsichtig" beginnen. Die Sozialbürokratie kann und wird es nicht schlagartig ersetzen, aber das ist auch nicht nötig. Bregmann beschreibt etliche Inselversuche, alle mit dem Ergebnis, dass sie für die öffentliche Hand fast sofort bedeutend geringere Ausgaben bedeutet haben.

    8. Thomas Wahl
      Thomas Wahl · vor mehr als 3 Jahre · bearbeitet vor mehr als 3 Jahre

      @Marcus von Jordan Das Problem scheint mir zu sein, das der Mensch "von Natur aus" weder gut noch schlecht ist. Das sind die Extreme einer ganzen Skala von menschlichen Eigenschaften. Menschen sind ungleich, unterschiedlich offen und viele ihrer Potenziale erweisen bzw. entwickeln sich erst in konkreten Situationen als gut, vorteilhaft oder eben nicht. Diese Entgegensetzung von entweder gut oder schlecht ist m.E. dramatisch unterkomplex für gesellschaftliche Szenarien....

      Letztendlich läuft ein Streit um diese Pole im Verhalten nur auf Rechthaberei hinaus. Davor sollten wir uns hüten. Die Offenheit der Geschichte basiert m.E. eben auf dieser Nicht-Festgelegtheit. Und daraus das gut gemeint daher eben oft nicht gut gemacht ist.

    9. Marcus von Jordan
      Marcus von Jordan · vor mehr als 3 Jahre

      @Thomas Wahl unterschreibe ich beidhändig.
      aber eben "oft nicht gut gemacht". Nicht "immer" oder "sowieso".
      Räume geben, Unterdruck aufbauen, Möglichkeiten schaffen, Synapsen öffnen...name it! Und genau - dann sehen, was die Menschen draus machen. Ist ein Risiko wert und ist in der Wolle was völlig anderes, als Gleichmacherei und kollektiver Zwang.

    10. Thomas Wahl
      Thomas Wahl · vor mehr als 3 Jahre · bearbeitet vor mehr als 3 Jahre

      @Marcus von Jordan Ja, nur ob das extreme Gegenteil von etwas wie der "volkseigene" Sozialismus dann funktioniert. Auf jeden Fall verpflichtet man den Staat (oder dieser sich selbst) wieder für etwas, wofür er die Voraussetzungen dann nicht in der Hand hat. Ich würde schon gern wissen, wie hoch das Risiko ist, dass es Wert sein soll. Große Versprechungen kenne ich genügend ..... Vielleicht könnte man die Höhe des BGE dynamisch an das Volkseinkommen koppeln?

    11. Marcus von Jordan
      Marcus von Jordan · vor mehr als 3 Jahre

      Eine meiner Antworten auf deine Frage wäre das Verfügbarmachen von mehr Kreativität und mehr Qualitätsdenken. Dazu würde es mEn kommen, wenn Mensch entsprechend weniger gezwungen ist für das Nötigste jeden Bullshit zu machen. Das Potential wäre hoch - nicht nur menschlich, auch ökologisch und letztlich sowieso auch wirtschaftlich.

      Bregmann beschreibt in Utopien für Realisten eine ganze Reihe an Szenarien, wo das versucht wurde und wird
      (https://mojoreads.de/b...).

      Etwas weiter ausgeholt: die Notwendigkeit fürs Überleben jede Arbeit zu machen ist der entscheidende Machthebel zwischen oben und unten. Eine resultierende Verstärkung eines breiten, unabhängigen Mittelstands wäre zwar irgendwie "anti-Konzern" und "anti-Kapitalanleger", aber mitnichten antikapitalistisch.

    12. Thomas Wahl
      Thomas Wahl · vor mehr als 3 Jahre

      @Marcus von Jordan Es ist ja keine Schwierigkeit sich eine ganze Reihe von Szenarien auszudenken. Und dann nur die positiven als wahrscheinlich zu betrachten. In der Vergangenheit haben sich allzuoft die negativen durchgesetzt. Und es stimmt nicht, dass Demokratie oder die Abschaffung der Sklaverei so kurzfristig und plötzlich entstanden sind. Demokratie gab es schon in der Antike und schon Plato diskutierte sie. Die Städte im Mittelalter waren demokratische organisiert. Sicher in Abstufungen. In jedem Fall als Prozess. Also "denkmöglich" ist nicht gleich real möglich. Es reicht leider bei weitem nicht das "Unmögliche" zu denken. Man muß auch das daran Mögliche bestimmen können - zumindest mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit. Sonst sind wir schnell wieder bei den Sozialutopien des 19. und 20. Jh.. Da wurde auch das Unmögliche nicht nur gedacht, sondern auch versucht. Mich wundert immer, das sich keiner mehr erinnern will.

    13. Marcus von Jordan
      Marcus von Jordan · vor mehr als 3 Jahre

      @Thomas Wahl ...ich habe glaube ich schon an anderer Stelle gesagt: wenn die gescheiterten Utopien des Sozialismus uns daran hindern über grundsätzliche Veränderung nachzudenken und sie auch zu versuchen, dann halte ich das für fatal.
      Das BGE halte ich nicht für eine "linke Utopie", sondern für eine demokratische Weiterentwicklung (mit wirtschaftlichem Mehrwert). Es stellt das Sozialsystem um von Druck auf Unterdruck, von Zwang auf Möglichkeit. Und nach meinem Eindruck sagt es eben nicht wie der Sozialismus "ihr müsst euch jetzt so und so verändern", sondern es sagt "ihr könnt jetzt einfacher das machen, was ihr wollt". Insofern nicht zu vergleichen und unser Disput läuft doch auf die Frage hinaus: ist das gefährlich und staatszersetzend, wenn mehr Menschen leichter machen können, was sie wollen (Freiheit), oder ist es gerechter, menschlicher UND wirtschaftlich erfolgreicher.

    14. Thomas Wahl
      Thomas Wahl · vor mehr als 3 Jahre

      @Marcus von Jordan Oh, diesen, deinen Einwand habe ich übersehen. Natürlich ist es wünschenswert, wenn Menschen machen können, was sie wollen. Ich denke nur, das eine Gesellschaft in der alle machen was sie wollen nicht funktionieren kann. Es müssen leider viele Dinge getan werden, die keiner will. Das andere ist Freizeit.Manchmal trifft sich auch beides.

      Ich sage es auch noch mal, die gescheiterten Utopien sollen uns keinesfalls am Denken hindern. Im Gegenteil. Die Erfahrungen sind das Wertvollste was davon übrig geblieben ist. Wir sollten sie nutzen. Diese Utopien wollten genau das, was das Grundeinkommen auch will, den Menschen vom Zwang befreien und seine Selbstverwirklichung befördern. Der Glaube war eben, das der vom Kapitalismus befreite Mensch zum Schöpfer wird, die Gesellschaft wesentlich produktiver und reicher. Marx hat das ja mal wunderbar formuliert:

      „Sowie nämlich die Arbeit naturwüchsig verteilt zu werden anfängt, hat Jeder einen bestimmten ausschließlichen Kreis der Tätigkeit, der ihm aufgedrängt wird, aus dem er nicht heraus kann; er ist Jäger, Fischer oder Hirt oder kritischer Kritiker und muss es bleiben, wenn er nicht die Mittel zum Leben verlieren will - während in der kommunistischen Gesellschaft, wo Jeder nicht einen ausschließlichen Kreis der Tätigkeit hat, sondern sich in jedem beliebigen Zweige ausbilden kann, die Gesellschaft die allgemeine Produktion regelt und mir eben dadurch möglich macht, heute dies, morgen jenes zu tun, morgens zu jagen, nachmittags zu fischen, abends Viehzucht zu treiben, nach dem Essen zu kritisieren, wie ich gerade Lust habe, ohne je Jäger, Fischer, Hirt oder Kritiker zu werden.“
      K. Marx, Dt. Ideologie, MEW 3, 33.

      Insofern wäre das BGE schon ein sehr linkes Projekt. Der Kommunismus mit anderen Mitteln sozusagen .....

    15. Marcus von Jordan
      Marcus von Jordan · vor mehr als 3 Jahre

      @Thomas Wahl danke übrigens mal wieder für den guten Austausch!...ich zwinge mich aber jetzt zur Arbeit, weil immer noch kein BGE ;)

    16. Gabriele Feile
      Gabriele Feile · vor mehr als 3 Jahre

      @Thomas Wahl Und welches Problem wollen wir denn jetzt lösen mit einem BGE?

    17. Thomas Wahl
      Thomas Wahl · vor mehr als 3 Jahre · bearbeitet vor mehr als 3 Jahre

      @Gabriele Feile Das weiß ich nicht. Ich glaube eigentlich nicht daran. Es gibt sicher verschiedene Ziele der Befürworter. Manche sehr idealistisch ....Den Menschen von Zwängen befreien, ihn kreativ und frei machen usw.

    18. Gabriele Feile
      Gabriele Feile · vor mehr als 3 Jahre

      @Thomas Wahl Genau das ist der Punkt: Ursprünglich ging es mal darum, Bürokratie abzubauen (vordergründig) und mehr Gerechtigkeit zu schaffen. Viele Fans des BGEs sahen dann darin eine Möglichkeit, endlich das zu tun, was sie wirklich, wirklich wollen und eine größere Unabhängigkeit von der zwangsweisen Lohnarbeit ("im Minirock", wie Frithjof Bergman sagt) zu erreichen. Als dann die Silicon-Valley-Bosse (und andere) anfingen, für ein Grundeinkommen zu werben, wurde klar, dass es darum geht, die Konsumfähigkeit der Menschen aufrecht zu erhalten. Und gleichzeitig die Menschen "unfrei" und von ihren Plattformen und Diensten abhängig zu halten. Das heißt: Es gibt viele "Hidden Agendas" bei dem Thema, und keine übergreifende, klare und utopische Vision. Gäbe es diese, wäre das Grundeinkommen nur EIN Weg, um sie zu erreichen.
      Aus meiner Perspektive ist das BGE innerhalb des aktuellen Wirtschaftssystems deshalb keine wirkliche Lösung. Es wird zur Symptombehandlung eingesetzt, und dafür ist es zu schade. Und nein: ein alternatives System heißt nicht Kommunismus/Sozialismus. Es ist Zeit für ein neues System.

    19. Thomas Wahl
      Thomas Wahl · vor mehr als 3 Jahre

      @Gabriele Feile Wie soll das neue System aussehen? Wie kann es aussehen - vielleicht die wichtigere Frage. Gesellschaften lassen sich ja nicht beliebig formen .....

    20. Gabriele Feile
      Gabriele Feile · vor mehr als 3 Jahre

      @Thomas Wahl Praktikable Ideen, was die wirtschaftliche und gleichzeitig nachhaltige Seite angeht, gibt es ja schon: Gemeinwohlökonomie, Post-Wachstums-Gesellschaft oder die Doughnut-Economy. Das sind alles wohl durchdachte Konzepte, die zum Teil ja schon praktiziert werden.

      Ich bin allerdings aktuell noch am innerlichen Debattieren, ob der Fokus auf die Wirtschaft der richtige ist. Und ich gebe zu, dass ich das Pre-Corona noch anders gesehen habe. Die Wirtschaft, das ist halt keine Institution oder irgendwelche Großkopferten. Das sind wir alle.

    21. Thomas Wahl
      Thomas Wahl · vor mehr als 3 Jahre

      @Gabriele Feile Ob die Ideen praktikabel sind muß sich aber noch erweisen.

    22. Marcus von Jordan
      Marcus von Jordan · vor mehr als 3 Jahre

      @Gabriele Feile warum, frage ich mich immer, ist es so schwer einfach mal über die Verbesserung des Kapitalismus nachzudenken? Zu definieren, was nicht funktioniert und da anzusetzen? Geht es überhaupt um eine Alternative?

    23. Thomas Wahl
      Thomas Wahl · vor mehr als 3 Jahre

      @Marcus von Jordan Ich weiß gar nicht, ob es dabei um den Kapitalismus geht oder mehr um den Staat, die Demokratie und um wirtschaftliche Notwendigkeiten der Gesellschaft? Die gleiche/ähnliche Diskussion gäbe es doch auch bei Volkseigentum?

    24. Gabriele Feile
      Gabriele Feile · vor mehr als 3 Jahre

      @Marcus von Jordan Ja, ich verstehe, was du meinst. Vielleicht ist das alles zu "heftig" und unvorstellbar. Und der Kapitalismus kam ja auch nicht per Verordnung, sondern schleichend.

      Du bist mit deinen Fragen in guter Gesellschaft beim Wirtschaftsphilosophen Anders Indset und seiner Quantenwirtschaft. Er plädiert für einen verbesserten Kapitalismus, in welchem zum Beispiel die Art der Güter/Produkte/Dienstleistungen sich wandelt und somit durch ihre Existenz auch angrenzende Themen (also auch die Menschen) beeinflusst. Auch die "stupide" Digitalisierung sieht er kritisch.

      Genau diese diversen Lösungsansätze, die allesamt für sich sinnvoll und intelligent sind, rufen bei mir - in blinkenden Leuchtbuchstaben - die Fragen hervor: Worum geht es wirklich? Und was ist die Brücke, die alles verbindet?

    25. Andreas P.
      Andreas P. · vor mehr als 3 Jahre

      @Marcus von Jordan Wenn Du „unten“ die Arbeit wegnimmst, veränderst du keinen Machthebel, sondern ersetzt sinnvolles (Arbeit) durch sinnloses (Fernsehen), das Ergebnis ist dann sondern anti-aktiv und anti-nüchtern mit einem anti-Selbstwert. Das sollte man Menschen nicht antun.

  3. Alexander Sängerlaub
    Alexander Sängerlaub · vor mehr als 3 Jahre

    Das faszinierende am Grundeinkommen ist doch, das wir schon längst in den utopischen Überflussgesellschaften leben, die in vergangenen Jahrhunderten von vielen als Utopie gezeichnet wurden. Die Notwendigkeit, die Menschen in Arbeit zu zwingen, besteht schon lange nicht mehr – die Landwirtschaft ist fast voll automatisiert – wir entwickeln uns in hochtechnologische Dienstleistungsgesellschaften (von denen mit Sicherheit auch noch ein Großteil wirklich überflüssig ist). Die Menschen aus ihren Existenzängsten zu befreien (das verstehe ich als die Uraufgabe des Grundeinkommens) und damit für die Gesellschaft neue Potentiale freizulegen, ist eigentlich eine längst überfällige Notwendigkeit. Wenn die Studie die Debatte dazu weiterbringt, gern.

    1. Thomas Wahl
      Thomas Wahl · vor mehr als 3 Jahre · bearbeitet vor mehr als 3 Jahre

      Das ist der alte Traum der Menschen nicht mehr arbeiten zu müssen. Träume faszinieren meistens und hindern oft am Denken. Noch arbeiten ja mehr Menschen als je zuvor. Nur nicht in der Landwirtschaft - dort arbeiten Maschinen, die auch produziert werden müssen. Einige der Arbeitenden tun sicher auch Überflüssiges. Letztendlich allerdings - Geld kann man nicht essen und Geld wird uns nicht pflegen. Insofern geht es nicht darum 1.200 € zu bekommen, sondern dafür verläßlich auch eine Gegenleistung zu erhalten. Der Überfluß entsteht immer noch aus der Arbeit und der sehr differenzierten Arbeitsteilung. Wenn mal wirklich fast alles automatisiert sein sollte, ok. Aber Existenzangst muß m.E. eigentlich heute schon keiner haben

  4. Gabriele Feile
    Gabriele Feile · vor mehr als 3 Jahre · bearbeitet vor mehr als 3 Jahre

    Danke für diesen Blickwinkel aufs Thema. Die Finanzierung der 120 Grundeinkommen erfolgt ja über freiwillige Geldgeschenke. Das heißt, um mehr Grundeinkommen zu verteilen, braucht es mehr Spenden und Spendenwillige. Oder eine alternative Finanzierungsform.

    1. Thomas Wahl
      Thomas Wahl · vor mehr als 3 Jahre · bearbeitet vor mehr als 3 Jahre

      Ja, aber das wirkliche Grundeinkommen basiert eben nicht auf Spenden sondern auf Steuern bzw. Sozialabgaben. Bei 1.200 € für 83 Mio. Einwohner wäre das etwa 1,2 Billion € im Jahr. Von ca. 3,5 Billionen € BIP (2019). Die 1,2 Bill. enthält dann wohl die gesetzlichen Renten und die sonstigen heutigen Sozialausgaben mit. Gesetzliche Renten und Arbeitslosengeld gäbe es nicht mehr. Diese ganze Sozialbürokratie könnte man einsparen, was sicher gut wäre. Bleibt noch die gesetzliche Krankenkasse (250 Mrd. pro Jahr), die finanziert werden muß. Also rein rechnerisch würde es gehen. 1.200 Mrd. € wären aber fast die Hälfte des Volkseinkommens (Arbeitnehmerentgelte und Vermögenseinkommen, 2,56 Bill.€ 2019). Das würde heißen, die würden dann im Schnitt mit mindestens 50% besteuert werden müssen. Die Hälfte aller Brutto-Arbeitseinkommen und der Vermögenseinkommen gehen also mindestens für das BGE weg. Den aktuellen Zustand der Volkswirtschaft statisch angenommen. https://www.destatis.d...

      Bleibt nur noch die Frage nach der Dynamik. Wieviel BIP würde eine Nation mit BGE zukünftig erzeugen? Also wieviel Arbeitnehmerentgeld und Gewinne werden entstehen, wenn sich die Anreize so dramatisch ändern. Und wie wäre das mit offenen Grenzen und wer ist berechtigt das BGE zu bekommen. Auch die Frage der Preisentwicklung ist offen.

      Ich hoffe, ich hab richtig gerechnet .... 🤔

    2. Gabriele Feile
      Gabriele Feile · vor mehr als 3 Jahre · bearbeitet vor mehr als 3 Jahre

      @Thomas Wahl Hallo Thomas,

      bestimmt hast du richtig gerechnet. Es gibt ja ein paar (Rechen-)Modelle zum BGE, und die, die ich kennengelernt habe, "rechneten" sich alle. Ich denke also schon, dass ein BGE zahlenmäßig machbar ist.

      Die Hindernisse sind eher beim Willen der "Entscheider:innen" zu sehen und bei denen, die vielleicht Macht abgeben müssten. Und: was wir nicht wissen ist, was die Menschen tatsächlich unter-nehmen, wenn sie ein BGE bekämen. Also, was erwirtschaften sie, und wie rechnet sich das? Ich nehme an, diese Seite kennst du:

      https://www.grundeinko...

      Obwohl ich eine BGE-Befürworterin bin, wird mir mehr und mehr klar, dass ein BGE nur mit einem Systemwechsel in Zusammenhang mit "frischen" Menschen funktioniert. Bleiben nämlich die kapitalistischen Denkweisen erhalten, werden diejenigen, die etwas zu verkaufen/vermieten/verpachten etc. haben das weiterhin tun.

      Die Werbung läuft weiter und viele Menschen werden weiterhin ihre Bedürfnisse durch Konsum zu befriedigen suchen, falls ihnen keine Alternativen bewusst sind. Irgendwann reicht das BGE nicht dafür aus, sie arbeiten weiter und wollen ihren Status erhalten bzw. steigern und mindestens über dem der anderen wissen. Das heißt, wir könnten zum selben Punkt wie jetzt kommen, nur halt mit 1.200 Euro mehr im Monat.

      Denn: Geld ist nicht die Lösung, es ist nur ein Mittel.

      Wie schätzt du das ein?

    3. Thomas Wahl
      Thomas Wahl · vor mehr als 3 Jahre · bearbeitet vor mehr als 3 Jahre

      @Gabriele Feile Es geht ja nicht um das Geld, das könnte man drucken. Es geht darum, ob letztendlich dann noch genügend Waren und Dienstleistungen entstehen, die man mit dem Geld kaufen kann. Und nicht nur für ein paar Grundbedürfnisse. Das hat auch mit Kapitalismus wenig zu tun, das müßte ggf. auch mit "Volkseigentum" funktionieren. Wenn es mit BGE möglich gewesen wäre die Arbeitsmotivation, die Arbeitsteilung und die Produktivität zu gewährleisten, der Sozialismus hätte gewonnen. Es fehlte der neue Mensch (oder wie du sagst, der frische Mensch), der ganz uneigennützig jede notwendige Arbeit erledigt und mit dem einfachen Leben zufrieden wäre. Man hat ihn aber nicht "herstellen" können.

      Nein, den Zustand wie heute mit real 1.200 € mehr für jeden, den wird, kann es nicht geben. Es sei denn es wird mehr gearbeitet. Geld ist ja letztendlich nur ein Bezugsschein auf Güter. Eine Inflation kann ich mir allerdings gut vorstellen. Wenn weniger produziert, weniger Dienste angeboten werden, dann steigen die Preise. Wir haben dann nominell mehr Geld aber weniger Gegenleistung ....

    4. Hansi Trab
      Hansi Trab · vor mehr als 3 Jahre

      @Thomas Wahl Die Diskussion um das BGE ist wie eine Wette auf die Zukunft. Die Einen sagen, relativ idealistisch, es wird funktionieren, sprich, es wird weiterhin so umfangreich gewirtschaftet werden, dass es bezahlbar sein wird, die Anderen sagen, relativ dogmatisch, es wird dann nicht mehr ausreichen.

      Eine Antwort auf die Frage wer nun richtig liegt, können damit nur solche Experimente bringen, sonst bleibt alles im Dunkeln. Also selbst wenn eine klar normative Motivation hinter dem Forschungsdesign eines solchen Experiments erkennbar ist, bleiben diese Experimente wissenschaftlich doch der vielversprechendste Weg. Ziemlich steinig also. Deswegen liegt die Vermutung freilich nahe, dass es ziemlich bald Gesellschaften geben wird, die den Schritt einfach tun werden, bevor sie ausreichend Erkenntnisse haben. Auch ein Prozess der schöpferischen Zerstörung.

    5. Thomas Wahl
      Thomas Wahl · vor mehr als 3 Jahre

      @Hansi Trab Im Grunde sehe ich das auch so. Möglicherweise wird eine Gesellschaft, ein Staat als ganzes diesen Schritt gehen. Vielleicht wie einst die Bolschewiki, aber gewaltlos. Es wird sicher eine Zerstörung, aber eine schöpferische?

      Allerdings werden solche begrenzten Experimente zum BGE eben keine wirklichen Antworten geben können, wie sich eine solche Gesellschaft dann über viele Jahre als Ganzes entwickeln wird. Was sollen denn da für wissenschaftliche Erkenntnisse rauskommen? Was haben uns denn die frühsozialistischen Experiment z.B. von Robert Owen über die Entwicklung der Welt oder gar des real-existierenden Sozialismus gelehrt. Nein, die Gesellschaft und das menschliche Verhalten ist viel zu komplex um Vorhersagen halbwegs verläßlich treffen zu können. Deswegen sollten wir sehr, sehr vorsichtig mit solchen Großexperimenten sein. Mir reichen die Erfahrungen des 20.Jahrhunderts völlig. Aber ich bin auch zu alt um die Folgen mit all ihrer Wucht zu erleben.
      Ich sage nicht dogmatisch, dass dann nicht mehr ausreichend gewirtschaftet wird. Ich weiß es nicht. Nur meine Erfahrungen sagen mir, die Wahrscheinlichkeit ist groß. Ohne einen gewissen Druck auf die Arbeitsnorm, ohne auch drängende Motivation wird es nicht gehen. Das haben eigentlich alle Sozialismusversuche gezeigt. Es hat freilich 40 - 60 Jahre gedauert, bis es auch der letzte verstanden hat. Wir haben es also mit einem gesamtgesellschaftlichen Langzeitexperiment im ganz großen Stil zu tun. Eine isolierte Versuchsgruppe von 100 oder 1000 oder noch ein paar mehr ist dagegen pipifax .... Jede Generation muß letztendlich selbst entscheiden, welches Risiko sie eingeht. Und welche Verantwortung sie da übernimmt.

    6. Gabriele Feile
      Gabriele Feile · vor mehr als 3 Jahre

      @Thomas Wahl Ein paar Fragen, die sich mir aufdrängen:

      Wurde das aktuelle System auch mal "geprobt"?

      Oder ist es nicht eher ein "Work in Progress"?

      Die Frage, ob Menschen mit BGE noch genügend erwirtschaften (i.e. produzieren) kann man erweitern: Was ist genug?

      Und was ist überhaupt der so genannte Lebensstandard?

      Wann hat ein Mensch genug, um zu existieren?

    7. Thomas Wahl
      Thomas Wahl · vor mehr als 3 Jahre · bearbeitet vor mehr als 3 Jahre

      @Gabriele Feile Das oder besser die gegenwärtige System sind evolutionär entstanden. In vielen Schritten und Variationen - es wurden also immer wieder Varianten getestet. Mit vielen (oft brutalen) Wirrungen und Irrungen. Die versuchten großen Sprünge und großen Versprechungen haben dabei eigentlich nie funktioniert. Ja, Work in Progress ist gut - aber in möglichst überschaubaren Schritten, die notfalls reversibel sein sollten.Da folge ich Popper ....

      Was genug ist wird in Demokratien nicht von oben entschieden und nicht geplant. So wie auch ein Grundeinkommen (wenn es kommt) letztendlich eine Mehrheitsentscheidung sein wird/muß. Und wenn das Volk dann meint, das es die Erwartungen und Versprechungen nicht erfüllt - nun dann haben wir eine große Instabilität.

    8. Thomas Wahl
      Thomas Wahl · vor mehr als 3 Jahre · bearbeitet vor mehr als 3 Jahre

      @Hansi Trab Es würde mich übrigens schon sehr beruhigen, wenn ich sehen könnte, dass die Befürworter ein/zwei Konzepte hätten, für den Fall, das die Wirtschaft eben nicht wie erwartet weiterläuft? Im real existierenden Sozialismus hat man dann den Arbeitszwang eingeführt, als man merkte, dass die "Springquellen des Reichtums" eben nicht so sprudelten wie gedacht. Was aber tut der Staat in einer Demokratie, wenn die Güterproduktion erlahmen würde und die Bürger auf die Strasse gehen, ihr Lebensniveau einfordern? Menschen vergessen schnell, das sie den Versprechungen ja mal geglaubt haben. Also eigentlich Mitverantwortung tragen.

    9. Hansi Trab
      Hansi Trab · vor mehr als 3 Jahre

      @Thomas Wahl Das würde mich auch sehr beruhigen. Ich stehe dem BGE sehr offen gegenüber aber der fehlende Plan zur Reversibilität ist etwas, worüber auch ich mir Sorgen mache. Aber kann es den überhaupt geben? Auch das gegenwärtige System ist evolutionär gewachsen, ohne das jemand einen Plan hatte, was passiert, wenn man umkehren muss.

      Also ehrliche Antwort: ich weiss nicht, was dann passieren würde. Ich setze mal auf die Kreativität und Anpassungfähigkeit der Menschen. So wie es eben beim gegenwärtigen System auch ist. Panta rhei!

    10. Thomas Wahl
      Thomas Wahl · vor mehr als 3 Jahre

      @Hansi Trab Ich halte das BGE nicht für einen evolutionären Schritt. Das ist eher ein ziemlicher Bruch und darin liegt die Gefahr.

    11. Hansi Trab
      Hansi Trab · vor mehr als 3 Jahre · bearbeitet vor mehr als 3 Jahre

      @Thomas Wahl Ich bin mir da nicht sicher. Wäre der Bruch stärker als bei Bismarcks Sozialgesetzgebung? Die war damals auch beispiellos. Wie stark muss ein Bruch sein, damit er nicht mehr als evolutionär betrachtet werden kann?

      Vielleicht liegt da der Unterschied in der Wahrnehmung. Ich halte das BGE nicht für eine sozialistische und auch keine politisch links einzuordnende Idee.

    12. Marcus von Jordan
      Marcus von Jordan · vor mehr als 3 Jahre

      @Hansi Trab lest mal Bregmanns "Utopien für Realisten" - da ist beschrieben, was es alles an Versuchen schon gab und gibt...unter Nixon (!) waren die USA nur noch einen cm entfernt vom BGE...verhindert von demokratischen Senatoren / Lobby...
      Hier mit einer kleinen Besprechung von mir:
      https://mojoreads.de/b...

    13. Hansi Trab
      Hansi Trab · vor mehr als 3 Jahre · bearbeitet vor mehr als 3 Jahre

      @Marcus von Jordan Danke für den Tipp. Habe ich gelesen, war ungemein spannend. Hatte damals auch einen Piq dazu geschrieben (also nicht zum Buch aber zu einem Artikel der sich damit befasst hatte).

      https://www.piqd.de/us...

    14. Marcus von Jordan
      Marcus von Jordan · vor mehr als 3 Jahre

      @Hansi Trab ach wie cool!
      den hab ich verpasst scheints. Aber ich kann ja auch nicht immer :)
      Bau das doch als Rezension bei mojo ein...ist viel besser als meins. Sonst wird ich den Link einfach als mojo reinsetzen...

    15. Thomas Wahl
      Thomas Wahl · vor mehr als 3 Jahre

      @Hansi Trab Das stimmt, es gibt keine verläßliche Methode die Grenze zw. evolutionär und revolutionär Streng zu bestimmen. Die Bismarcksche Reform hat eigentlich die Anreizstruktur, den Zwang zur Arbeit nicht angetastet. Es hat einen gewissen, kleinen Anteil des Ertrages in Rente umgeleitet. Das System ist dann evolutionär gewachsen. BGE leitet etwa die Hälfte des Volkseinkommens in arbeitsfreie Einkommen um, hat damit das Potential, diese Anreizstruktur ziemlich komplett zu zerstören. Arbeitsteilige Strukturen, all unsere Infrastrukturen sind ja auf Verläßlichkeit angewiesen. Und das BGE auf einen größeren Anteil an eben verläßlich arbeitenden Bürgern. Und verläßlich Arbeiten erzeugt leider all zu oft wenig Motivation. Und das schlägt als Rückkopplung auf die Gesamtgesellschaft zurück.

      Mag sein, das das BGE keine direkt sozialistische Idee ist. Die Wurzeln liegen auf jeden Fall in der Sozialromantik. Rousseau, "der Mensch ist von Natur aus gut". Man muß nur die (individuellen?) Zwänge und die Ausbeutung beseitigen und alles wird gut. Nur verschwinden die ökonomischen Zwänge der Gesellschaft die Lebensgrundlagen zu produzieren nicht einfach.

      Marx hat das durchaus gesehen - das Reich der Freiheit basiert auf dem Reich der Notwendigkeit. Sein Grundsatz des Kommunismus lautet: „Jeder nach seinen Fähigkeiten, jedem nach seinen Bedürfnissen!" Aber dann muß auch möglichst jeder nach seinen Fähigkeiten beitragen. Und nicht nur seine Bedürfnisse abrufen. Und heute wissen wir, dass auch die Bedürfnisse zu begrenzen sind und ein totaler Umbau unserer energetischen und materiellen Infrastrukturen vor uns steht. Da das Zeitalter der Selbstverwirklichung auszurufen und zu hoffen, alle werden freiwillig an dieser mühsamen Aufgabe mittun - ich halte das für leichtsinnig.

    16. Hansi Trab
      Hansi Trab · vor mehr als 3 Jahre · bearbeitet vor mehr als 3 Jahre

      @Thomas Wahl Ich sehe das BGE in keiner Sozialromantik verwurzelt. Und in Rousseaus radikalem Weltbild schon dreimal nicht. Schon viel eher in der Tradition von Paine und Mill. Es schafft jenes existenzsichernde Individualeinkommen, das die faktische Inanspruchnahme vieler grundlegender Freiheitsrechte erst möglich macht.

      In diesem Punkt unterscheidet es sich somit kaum von anderen modernen, westlichen Sozialsystemen. Zumindest in der Theorie muss z.B. in Deutschland niemand mehr hungern. Der Staat sorgt heute schon dafür, dass alle, die nicht arbeiten können oder arbeiten wollen, trotzdem versorgt sind. Sprich: jeder der will, kann sich heute schon ausruhen! Das ist doch nichts radikal Neues!

      Der schöne, radikal neue, Gedanke am BGE ist doch, dass es den Menschen - im Gegensatz zum jetzigen Sozialsystem - einen wirklichen Anreiz gibt, über das existenzsichernde Einkommen hinaus zu arbeiten, ohne dass die Gemeinschaft ihnen im Gegenzug diese Leistung wieder entzieht. Das ist für mich der springende Punkt. Die dadurch eröffnete Möglichkeit der beruflichen Selbstverwirklichung ist eine wunderbare Folge dieses neuen Anreizsystems aber eben nicht der zentrale Punkt. Und die Gefahr der Selbstverwirklichung, also dass jetzt alle Bildhauer, Maler und Musiker werden, sehe ich außerdem sehr gering. Denn hier gibt es, genau wie heute schon, sehr viele Einschränkungen: fehlende Eignung, fehlendes Talent, fehlende Anerkennung...

      --> fehlender Spaß an der Sache...

      Sprich, das würde sich m.E. ziemlich schnell einrenken.

      Und btw: auch die Liste der Arbeiten, die gemacht werden wollen, wird nicht kürzer, nur weil wir die Finanzierung des Sozialsystems ändern. Was macht das dann mit den heute als prekär gesehenen Jobs, die dann angeblich keiner mehr machen will. Wenn der Arbeitnehmer dafür plötzlich sein Arbeitsentgelt plus das BGE und eben nicht nur das Arbeitsentgelt zur Verfügung hat? Will die dann wirklich keiner machen? Wirklich?

    17. Thomas Wahl
      Thomas Wahl · vor mehr als 3 Jahre

      @Hansi Trab Das radikal neue am Grundeinkommen wäre die höhe, der Umfang am bedingungslos ausgezahlten Anteil des Volkseinkommens und eben auch die wirkliche Bedingungslosigkeit. Was von unseren Meinungen eintreffen wird ist offen - das genau ist das Problem. Wir reden über Glauben .....

      Und das BGE In dieser Höhe gibt eben Anreize in zwei Richtungen - darüber hinaus Zusatzeinkommen durch (dann hochbesteuerte) Arbeit zu erzielen, kein Einkommen zusätzlich oder eben unversteuerte Schwarzarbeit. Das muß man schon mitbedenken wenn man über Anreize nachdenkt. Das ist meine Skepsis oder ein Teil davon, das die BGE-Bewegten immer nur das Positive erwarten. War bei den Sozialutopien früher auch nicht anders. Und die gingen dramatisch in die Hosen. Die Menschen verhielten sich eben nicht nach den Vorstellungen.

      Sicher schafft das Grundeinkommen die Möglichkeit Freiheitsrechte in Anspruch zu nehmen. Aber auf der anderen Seite schafft es auf Grund der Bedingungslosigkeit keine Verpflichtungen den Notwendigkeiten der Gesellschaft zu folgen. Letztendlich basiert es auf dem Prinzip, "der Mensch an sich ist gut" und wird sich schon gut verhalten im Sinne des Gemeinwohls und seiner Notwendigkeiten .... Genau das wird er m.A. nach wohl nicht so einfach tun. Was ihn natürlich nicht gleich böse macht. Aber er hat es einfach nicht nötig. Also die Idee, durch die Auszahlung eines grundbedarfsdeckenden Einkommens entsteht ein komplexer und differenzierte sozialer Zusammenhalt, den halte ich für illusorisch.

    18. Hansi Trab
      Hansi Trab · vor mehr als 3 Jahre · bearbeitet vor mehr als 3 Jahre

      @Thomas Wahl Hm, wir stecken hier irgendwie fest, denn ich kann dem Argument nicht folgen, dass das Grundeinkommen automatisch den Menschen von den gesellschaftlichen Notwendigkeiten entbinden würde. Das ist mir einfach zu schemenhaft gedacht, denn im Bezug auf "arbeiten müssen" ist das doch faktisch bereits heute so! Ganz abgesehen davon, dass Erwerbsarbeit bei Weitem nicht der einzige soziale Zwang ist, der auf dem Menschen ruht und ihn gesellschaftlich sozialisiert.

      Ich sehe auch nicht, dass es hierfür einen prinzipiell guten Menschen bräuchte oder dass ein komplexer und differenzierter sozialer Zusammenhalt erst entstehen müsste. Können denn Menschen, die ein BGE beziehen plötzlich nicht mehr aus rein egoistischen Gründen mehr wollen? Sich zusätzlich absichern wollen? Sich zusätzlich etwas leisten wollen? Ein BGE ist doch kein Eingriff ins limbische System. Wo braucht es hier zusätzliche altruistische Antriebe?

      Ich kann mir das BGE also sehr gut in liberaler Tradition, mit gemischten Motivationen und Lebensentwürfen der Menschen denken. Das miteinander auskommen und gesellschaftliche Abläufe organisieren zu müssen, ist mir Zwang genug. Dafür muss ich wirklich keinen idealen Menschen erziehen. Immer gleich den Sozialismus und die totalitäre Versuchung des 20. Jahrhunderts ins Feld zu führen ist mir zu viel Denkverbot.

    19. Thomas Wahl
      Thomas Wahl · vor mehr als 3 Jahre · bearbeitet vor mehr als 3 Jahre

      @Hansi Trab Natürlich kann und sollte man das BGE auch positiv denken. Der Sozialismus ist übrigens nicht als totalitäre Versuchung gestartet. Er basierte auf der Prognose, der Hoffnung, dass die Springquellen des Reichtums viel stärker Sprudeln, wenn die Ausbeutung und der kapitalistische Zwang zur Arbeit abgeschafft wäre, der "Neue Mensch" entstehen würde. Erst als das nicht funktionierte griff man zur Gewalt. Ich sehe das nicht als Denkverbot. Man muß nur die Geschichte kennen und mitdenken. Denken würde ich nie verbieten. Und es geht ja inzwischen eigentlich nicht um das Denken sondern um das Machen. Wir werden irgendwann darüber abstimmen müssen.

      Heute ist es natürlich auch schon möglich ohne Arbeit vom Sozialsystem zu leben. Nur geht das nicht so komfortabel wie mit BGE. Das macht für mich einen gewaltigen Unterschied. Ich kenne einige in meinem Umfeld, die, als es noch Arbeitslosengeld zeitlich unbegrenzt gab, durch ein Zusatzeinkommen nicht animiert wurden. Erst als Hartz IV kam und das Gehalt des Partners eine Rolle spielte, da wurde Arbeit gesucht.

      Dieses BGE ermöglicht Z.B. einer Familie mit Kindern einen Lebensstandard, der früher nur wenigen vorbehalten war. Bei allein Lebenden ist das nicht ganz so ausgeprägt. Trotzdem, wenn das die Anreizstruktur nicht verändert, fress ich einen Besen. Ich denke auch nicht, dass dies plötzlich oder automatisch geschieht. Es geht wahrscheinlich schleichend. Und gerade die Intellektuellen werden sich irgendwie für sie sinnstiftend beschäftigen. Wir kommen ja mit "relativ" wenig aus und freuen uns auch an intellektuellen Glasperlenspielen. Nur wird das dann in ausreichendem Maße zu gesellschaftlich notwendiger Arbeit führen? Zumal unsere Gesellschaft altert und die Zahl der aktiv Arbeitenden und Steuern Zahlenden abnimmt.

      Der Druck auf eine Gesellschaft miteinander auszukommen und gesellschaftliche Abläufe organisieren zu müssen ist dann eben noch lange kein individueller Zwang auf Einzelne z.B. massenhaft in ungeliebte aber notwendige Jobs zu gehen. Also das BGE entbindet die Gesellschaft nicht von den Notwendigkeiten, für den Einzelnen werden diese erst mal nicht unmittelbar sichtbar. Auch hat der Staat dann keine Instrumente diese auch dem Einzelnen klarzumachen und sie durchzusetzen. Na ja, vielleicht erleben wir es ja noch .....

    20. Marcus von Jordan
      Marcus von Jordan · vor mehr als 3 Jahre

      @Thomas Wahl lest mal Bregmanns "Utopien für Realisten" - da ist beschrieben, was es alles an Versuchen schon gab und gibt...unter Nixon (!) waren die USA nur noch einen cm entfernt vom BGE...verhindert von demokratischen Senatoren / Lobby...
      Hier mit einer kleinen Besprechung von mir:
      https://mojoreads.de/b...

    21. Thomas Wahl
      Thomas Wahl · vor mehr als 3 Jahre

      @Marcus von Jordan Das die USA kurz vor der Einführung standen ist aber kein Beweis für die Funktion eines BGE im Land. Zumal die Studienergebnisse recht umstritten sind.

    22. Marcus von Jordan
      Marcus von Jordan · vor mehr als 3 Jahre

      @Thomas Wahl Null Beweis natürlich.
      Immerhin interessant, dass eine erzkonservative Regierung so kurz davor stand, das umzusetzen und warum.

    23. Thomas Wahl
      Thomas Wahl · vor mehr als 3 Jahre

      @Marcus von Jordan Ja, genau. Spricht das nun dafür oder dagegen? 🤔

    24. Marcus von Jordan
      Marcus von Jordan · vor mehr als 3 Jahre

      @Thomas Wahl für mich dafür...ihre Prüfkriterien dürften umfassend und frei von linken Umtrieben gewesen sein.

    25. Thomas Wahl
      Thomas Wahl · vor mehr als 3 Jahre

      @Marcus von Jordan Aber die rechten Umtriebe?

    26. Thomas Wahl
      Thomas Wahl · vor mehr als 3 Jahre

      @Marcus von Jordan Steckte da nicht auch Milton Friedman hinter? Der gilt ja als ein Vater des Neoliberalismus und hat mit seinen Chicago Boys in Chile Pinochet beraten. Und war er nicht auch an derGründung der Mont Pelerin Society beteiligt? Aus dieser Sicht könnte das BGE auch ein neoliberales U-Boot sein? Nein, ist ein Scherz. Aber die Welt ist voller Widersprüche.

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