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Volk und Wirtschaft

Anpassung zahlt sich aus – auch in der Klimapolitik?

Thomas Wahl
Dr. Phil, Dipl. Ing.
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Thomas WahlFreitag, 16.12.2022

Reduktion des CO2-Ausstoßes oder Anpassen an den Klimawandel – das ist die Frage? Nein, es sind eigentlich sich ergänzende Strategien, um die Zukunft zu bewältigen. Und trotzdem

gilt das Prinzip Vorsorge und Anpassung in der Klimapolitik vielen nicht viel. Im Vordergrund steht das Prinzip Verzicht auf Klimagase. Als auf der Weltklimakonferenz im ägyptischen Scharm el-Scheich auch über Anpassung an die Erderwärmung gesprochen wurde, beklagten nicht wenige Kommentatoren, dass die Vermeidung von Klimagasen vernachlässigt werde. Doch ist es kurzsichtig, die Anpassung an den Klimawandel schlechtzureden. 

Das Problem in ökonomischer Sicht besteht darin, dass hinter Anpassung und Vermeidung auch divergierende Interessenlagen stehen. Und dann widersprüchliche Reaktionsmuster generiert werden. Die komplizierte und kostenintensive Reduktion von Klimagasen setzt darauf, die Erderwärmung zu verlangsamen, um die Klimaschäden zu verringern. 

Das klingt toll, hat aber einen Haken: Zumindest die größten Verursacher von Klimagasen müssen mitmachen, damit die Strategie Erfolg hat. Wie schwer das fällt, zeigen die Weltklimakonferenzen immer wieder aufs Neue.

Dieses Dilemma tritt ständig auf, wenn es um die Produktion eines öffentlichen Gutes geht, von dem alle und nicht nur der Produzent profitieren. Sicher, jedes Gramm Kohlendioxid, das z. B. wir Deutschen zu hohen Kosten weniger ausstoßen, nutzt der Welt ein wenig. Aber unter den gegebenen Umständen mehr als Deutschland. 

Jedes Gramm weniger deutschen Kohlendioxids verringert den Anreiz für andere, CO2 zu vermeiden. So wartet jeder darauf, dass der andere sich bewegt, um die eigenen Kosten der Verringerung zu vermeiden. Spieltheoretiker sprechen von Trittbrettfahrertum. Es lohnt sich für jeden, mitzufahren, ohne zu zahlen. Doch wenn alle kostenlos mitfahren wollen, fährt keiner.

Aus dieser Sicht sind die Weltklimakonferenzen der Versuch, das Trittbrettfahrer-Dilemma durch moralischen Druck zu überwinden. Etwa indem reiche Staaten den armen Geld versprechen, um CO2-Zusagen zu erkaufen. Die dann aber oft nicht durchgesetzt werden (können). 

Die Strategie der Anpassung an den Klimawandel ist gewissermaßen die andere Seite der Medaille. Sie setzt auf das Eigeninteresse, sich und sein Land selbst zu schützen. Jeder Euro dafür kommt auch im eigenen Beritt an.

Dazu gehören: höhere Deiche und höher gebaute Häuser und Atomkraftwerke. Teurere Versicherungen für Häuser am Meer. Mehr Stauseen, um Wasserpuffer vorzuhalten. Sparsamere Toiletten. Genetisch veränderte Nutzpflanzen, die auf trockeneren Böden gut gedeihen. Straßenbeläge, die resistenter gegen Hitze sind. Aufforstung oder Betonierung von Abhängen, um vor Erdrutschen bei Starkregen zu schützen. Kleidung, die vor UV-Strahlen schützt. Und so weiter.

Wie der Artikel weiter ausführt, kann die alleinige Konzentration auf die CO2-Reduktionsstrategie auch negative Folgen für die ärmeren Länder haben. Die Reduktion westlichen Konsums mit Waren des globalen Südens um Transport-CO2 zu vermeiden, schwächt die Wirtschaft dort. Bekanntlich ist eine starke Wirtschaft und Wohlstand eine wichtige Voraussetzung, mit Wandel umzugehen, sich Herausforderungen zu stellen und sich anzupassen – ob man nun Bjørn Lomborg und seine Argumentation mag oder nicht. Nicht nur dem Klimawandel, auch dem Bevölkerungswachstum, der Armut, den Umweltproblemen usw. gilt es entgegenzutreten. Klimaschutz, der Wirtschaftswachstum ausbremst, verurteilt daher letztendlich die Welt zu Armut, wirkt nicht sozial und nicht ökologisch. Die vielen Probleme der Welt lösen wir damit nicht. Und es lassen sich dafür ähnlich übertriebene Untergangsszenarien entwerfen wie für die oft projizierten extremen Erwärmungsfolgen. Geschichte und Zukunft sind immer vieldimensionale Prozesse, in denen man vieles falsch machen kann und es i. d. R. auch in vielen Facetten tut. 




Anpassung zahlt sich aus  – auch in der Klimapolitik?

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Kommentare 5
  1. Thomas Wahl
    Thomas Wahl · vor mehr als ein Jahr

    Kleiner Nachtrag zum Thema:

    "In der Tat: Gliche der Mensch einem jungfräulichen Computer, könnte man ihn so programmieren, dass er Gegenwart und ferne Zukunft als gleich relevant bewertete, man könnte ihn so formatieren, dass er nahe und ferne, lebende und noch ungeborene Menschen mit dem gleichen Mass an digitaler Empathie bedenken und allen Leuten zu hundert Prozent vertrauen würde. Wären die Menschen solchermassen künstlich intelligent oder liessen sie sich in ihrem Verhalten derart von aussen festlegen, wäre das Klimaproblem durchaus lösbar.

    Die Rettung des Klimas entpuppt sich als grösstmögliches internationales Kooperationsproblem, das leider gegen unlösbar konvergiert.

    Nur, die reale menschliche Psyche ist nicht von dieser Art. Wie die (an Charles Darwin, Konrad Lorenz und Nikolaas Tinbergen anschliessende, heute von Steven Pinker prominent vertretene, inzwischen international gut etablierte) Evolutionspsychologie lehrt, kommen wir mit grundlegenden Emotions- und Motivationssystemen auf die Welt, die angepasst sind an die Überlebensprobleme der Steinzeit. Die hieraus entspringenden Reaktions- und Verhaltensimpulse lassen sich selbstverständlich und glücklicherweise durch kulturelles Lernen modifizieren sowie bis zu einem gewissen Grad durch Einsicht und Willen modulieren.

    Allerdings braucht das Zeit und hat Grenzen. Allenfalls eine Öko-Erziehungs-Diktatur könnte diese Grenzen brechen. Freilich würde dies über kurz oder lang in den soziokulturellen Zusammenbruch führen – und: Das Leben würde nicht mehr als lebenswert erachtet. Wenn es somit nur den Weg demokratischer Meinungsbildung und Beschlussfassung gibt, dann sollten die sich zur Askese berufenen Avantgarden die psychologischen Realitäten der breiten Mehrheitsbevölkerung kennen und als Tatsachen respektieren."

    https://www.nzz.ch/mei...

  2. Dominik Lenné
    Dominik Lenné · vor mehr als ein Jahr

    Es ist absurd, Anpassung und Begrenzung gegeneinander zu setzen.
    Kein Mensch konzentriert sich allein auf Begrenzung! Auf der letzten COP war "Loss&Damage" und Anpassung großes Thema. Und ja, die Mühlen mahlen langsam. Aber sie mahlen.
    "Sicher, jedes Gramm Kohlendioxid, das z. B. wir Deutschen zu hohen Kosten weniger ausstoßen, nutzt der Welt ein wenig. Aber unter den gegebenen Umständen mehr als Deutschland."
    Erstens: das ist noch nicht raus. Wenn wirklich Flüchtlingsdruck oder große bewaffnete Konflikte entstehen, Versteppung, Ruinierung des Waldes &c. Ja, nicht *sicher* aber was ist schon sicher?
    Zweitens: Was ist das für eine Ethik? "Ich tue das Gute nur, wenn es für mich besser ist als für Andere. Auch wenn diese Anderen unbestreitbar genau unter den Folgen meiner Handlungen (Emissionen) leiden." Eine schöne Egoismus-Ethik. Bravo.

    1. Thomas Wahl
      Thomas Wahl · vor mehr als ein Jahr

      Ob eine alleinige Einsparung gut ist, das hängt eben davon ab was die anderen tun. Da regiert eben nicht die Wunschethik sondern auch knallharte wirtschaftliche Kalküle/Interessen. Das kann man natürlich ignorieren, wie z.B. beim russischen Gas und der Ukraine. Aber man wird damit auf die Nase fallen. Was ist das für eine Ethik - ich tue Gutes, egal was hinten raus kommt? Eine reine Gesinnungsethik, rein moralische Strategien funktionieren nun mal nicht. Das zu wissen gehört zur Verantwortungsethik. Eine moralische Diffamierung hilft letztlich niemanden. Auch wenn man sich dabei eine Zeit lang gut fühlt. Was das Gute war sieht man erst am Ergebnis. Es geht auch nicht um ein „Gegegeneinandersetzen“. Der Vorwurf ist einfach falsch. Woher kommen diese Reflexe?

  3. Nick Reimer
    Nick Reimer · vor mehr als ein Jahr

    Die Anpassungsdebatte basiert oft auf einem Denkfehler: WORAN will man sich anpassen? Sagen wir: An die Zustände der 2040er Jahre? Das würde nur funktionieren, wenn sofort alle Verbrenner (Kohlekraftwerke, Pkw, Flugzeuge, Schiffe etc.) aus dem Verkehr ziehen würden - das sogenannte RCP 2.6 Szenario des IPCC. Ist nicht sehr wahrscheinlich, dass das umgesetzt wird. Wir könnten uns an die Zustände der 2050er Jahre anpassen? Nicht mit der derzeitigen Klimapolitik, denn die Zustände der 2050er Jahre haben so keinen Bestand.

    Also: WORAN wollen wir uns anpassen? Natürlich können wir heute in einer Großstadt den toten Baum durch einen neuen, resistenteren ersetzen. Aber da das mit der Klimaerhitzung so weiter geht, ist er in 15 Jahren, dann, wenn er anfängt Schatten zu spenden, bereits schon wieder tot. Anpassung braucht eine Planungsgrundlage. Aktuell haben wir aber eine galoppierende Erderhitzung. Ohne Klimaschutz wird Anpassung deshalb nicht funktionieren.

    1. Thomas Wahl
      Thomas Wahl · vor mehr als ein Jahr · bearbeitet vor mehr als ein Jahr

      Eine galoppierende Erderhitzung sehe ich zwar nicht. Eine Erderwärmung, die sich nach den moderateren Szenarien des IPCC vollzieht schon. Es gibt also eine gewisse Planungsgrundlage. In 15 Jahren wäre der Baum keinesfalls schon tot. Anpassung heißt auch Anpassung an den Prozess, mit dem Prozess. Und natürlich würde ohne Klimaschutz auch die Anpassung irgendwann versagen. Wir brauchen also beides. Nur für den Klimaschutz gibt es global auch keine verläßliche Planungsgrundlage. Klimaschutz allein basiert damit auch auf einem gefährlichen Denkfehler - er wird nicht ausreichen.
      Und was macht ein Land wie Deutschland oder ein Kontinent wie Europa, wenn große Teile der Welt nur begrenzt Klimaschutz betreiben - so wie es ja aussieht? Wenn sich die Szenarien der Erwärmung doch Richtung 4 Grad bewegen? Wie sieht der Plan dann aus. Nachträgliche Anpassung? Ganz schlechte Idee …..

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