Wahrscheinlich wird es nicht mehr lange dauern, bis wir im Labor hergestellte Steaks essen, der Hähnchenschenkel aus einer Art Food-3D-Drucker kommt und auch die Milch und die Eier künstlich erzeugt werden, und ich gehe fest davon aus, dass mein ein Jahr alter Sohn eines Tages von unserer heutigen Massentierhaltung erfährt und mich danach staunend anguckt und fragt: "Und das hast du gewusst und trotzdem mitgemacht?" Und dann werde ich Ja sagen und versuchen zu erklären, warum. Warum trotzdem. Es ist neben dem Sex-Trafficking und der Zwangsprostitution eines der größten und am ausdauernsten ignorierten Übel der jüngeren Menschheitsgeschichte: Was wir mit Tieren machen (lassen), um sie und ihre Nebenprodukte zu essen und anderweitig zu nutzen, und das bei vollem Bewusstsein — unserem und ihrem. Wie jeder einigermaßen wache Mensch kreise auch ich seit Jahren um dieses Thema, meistens auf der äußeren Umlaufbahn, weil es so unangenehm ist. "Man weiß alles und macht doch nichts" sagt sich der aufgeklärte Fleischesser und wundert sich — vor allem über sich. Wie kann man Safran Foers "Tiere essen" gelesen haben und trotzdem weiter Fleisch essen? Fakt ist: Man kann. Und wundert sich.

Die "The Green Pill" genannte Folge der Ezra Klein Show (dritte von oben) zieht den Schleier weg, den Vorhang auf — so fühlt sich das tatsächlich an. Klein unterhält sich mit der Sozialpsychologin Dr. Melanie Joy über unseren Tierkonsum, und er, der im Zentrum der Facebook-Krise lässig mit Mark Zuckerberg plaudert, windet sich, weil das Thema so heikel ist und man so schnell als Moralapostel dasteht usw., hat aber mit Dr. Joy die perfekte Gesprächspartnerin gefunden, denn sie kann uns ganz unaufgeregt dieses trotzdem erklären. Sie nennt es ‚Karnismus‘. Es ist eine Art Glaubenssystem.

Hören Sie diesen Podcast. Nur bis Minute zehn oder fünf — wer es nicht tut, ist feige.

Und wer das Thema danach noch enger einkreisen will, dem sei Frau Joys TEDx Talk empfohlen, dieses Interview und ihr Buch.