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Fundstücke

Über das Glück in Zeiten des Glücksterrors

Ulrich Krökel
Osteuropa-Korrespondent / Piqer für DLF-Europaformate
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Ulrich KrökelMittwoch, 24.04.2019

Der Frühling ist bekanntlich die Jahreszeit der ... nun ja, der Wonne, um einmal ein etwas altertümliches Wort voranzustellen. Höchste Zeit also, sich Gedanken über Glücksgefühle und das Glück als solches zu machen. Der belgische Moralphilosoph Jean-Pierre Wils hat das getan und die Ergebnisse in einem DLF-Essay zusammengefasst, der inhaltlich weit über die übliche Ratgeberliteratur hinausreicht, aber trotzdem gut zu lesen und noch besser anzuhören ist, auch wenn vielleicht ein paar zu viele Fragen gestellt werden. Aber keine Sorge: Wils gibt auch Antworten.

Die zentrale Frage lautet: "Welche sind die Gründe des Glücks – und welche seine Abgründe?" Dass Menschen in modernen Gesellschaften auf das Streben nach Glück "geeicht" sind, wie Wils schreibt, daran scheint es keinen Zweifel zu geben. Der Philosoph spricht sogar von einem "Glücksimperativ", worunter er die Erwartung versteht oder sogar "die Pflicht, glücklich zu werden".

Wenn man das so liest, kann einen schon das wenig euphorisierende Gefühl beschleichen, wir lebten in Zeiten eines Glücksterrors, als verbreitete der Zwang zum Glücklichsein vor allem Angst und Schrecken. Wils spricht tatsächlich von einer "glücksbesessenen Gesellschaft", in der es jede Menge Verlangen gebe, die "uns geradezu ins Unglück führen". Dahinter steckt die Erkenntnis, dass der so oft beschworene Lebensimperativ Carpe diem auch eine Schattenseite hat, die zu selten beachtet wird, wie Wils in einem Exkurs zu den Überlegungen des Soziologen Hartmut Rosa über die Unverfügbarkeit erläutert:

Wir Modernen, so Rosa, verfügen nicht länger über die Vorstellung der Ewigkeit, über die Vorstellung eines Lebens nach dem Tod. [...] Und deshalb bleibt uns nichts anders übrig, als unsere Lebenszeit zu füllen, getrieben von einer anhaltenden Versäumnisangst. Wir müssen das Leben genießen.

Dem zweifelhaften Müssen hält Wils einen Gedanken ausgerechnet von Franz Kafka entgegen: "Es kommt nicht auf dich an."

Ich wünsche allen piqd-Fans einen glücklichen Mai!

Über das Glück in Zeiten des Glücksterrors

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Kommentare 4
  1. Christine Köhler
    Christine Köhler · vor fast 5 Jahre

    Der Philosoph richard David Precht zitierte in einer Fernsehsendung einmal genüsslich Nietzsche, wenn ich mich recht erinnere, der sich belustigt über den in der Unabhängigkeitserklärung, also geradezu konstitutionell verankerten "pursuit of happiness" bei den Amerikanern geäußert habe. Kein anderes Volk der Welt suche ,,das Glück". (Sind wir alle mittlerweile globalisiert-individualisiert-amerikanisiert?!)

  2. Johann Rosenlaub
    Johann Rosenlaub · vor fast 5 Jahre

    Sehr anregender und wichtiger Beitrag in einer Zeit wo Glück gleichsam einer Werbeansage gleichkommt. Vielleicht darf ich mit Hermann Hesse einen Zusatz einbringen der einmal schrieb:

    Solang du nach dem Glücke jagst,
    Bist du nicht reif zum Glücklichsein,
    Und wäre alles Liebste dein.

    Solang du um Verlornes klagst
    Und Ziele hast und rastlos bist,
    Weißt du noch nicht, was Friede ist.

    Erst wenn du jedem Wunsch entsagst,
    Nicht Ziel mehr noch Begehren kennst,
    Das Glück nicht mehr mit Namen nennst,

    Dann reicht dir des Geschehens Flut
    Nicht mehr ans Herz - und deine Seele ruht.

    1. Ulrich Krökel
      Ulrich Krökel · vor fast 5 Jahre

      Sehr schön, danke!

    2. Christine Köhler
      Christine Köhler · vor fast 5 Jahre

      Oder Bertolt Brecht:

      BALLADE VON DER UNZULÄNGLICHKEIT MENSCHLICHEN PLANENS

      Der Mensch lebt durch den Kopf.
      Sein Kopf reicht ihm nicht aus.
      Versuch es nur, von deinem Kopf
      Lebt höchstens eine Laus.
      Denn für dieses Leben
      Ist der Mensch nicht schlau genug.
      Niemals merkt er eben
      Diesen Lug und Trug.

      Ja, mach nur einen Plan!
      Sei nur ein großes Licht!
      Und mach dann noch’nen zweiten Plan
      Gehn tun sie beide nicht.
      Denn für dieses Leben
      Ist der Mensch nicht schlecht genug.
      Doch sein höhres Streben
      Ist ein schöner Zug.

      Ja, renn nur nach dem Glück
      Doch renne nicht zu sehr
      Denn alle rennen nach dem Glück
      Das Glück rennt hinterher.
      Denn für dieses Leben
      Ist der Mensch nicht anspruchslos genug.
      Drum ist all sein Streben
      Nur ein Selbstbetrug.

      Der Mensch ist gar nicht gut
      Drum hau ihn auf den Hut.
      Hast du ihm auf dem Hut gehaun
      Dann wird er vielleicht gut.
      Denn für dieses Leben
      Ist der Mensch nicht gut genug
      Darum haut ihm eben
      Ruhig auf den Hut!

      https://www.lyrikline....

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