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Europa

Auf höchstem Niveau: Ein Pro und Kontra zur Geschichte der Nato-Osterweiterung

Ulrich Krökel
Osteuropa-Korrespondent / Piqer für DLF-Europaformate
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Ulrich KrökelDienstag, 16.07.2019

Vorweg dies: Ich habe den kurzen "Widerspruch" von Horst Teltschik verlinkt, weil es der aktuellere Text ist. Dringend zur Lektüre empfehlen möchte ich aber ebenso den vorrangegangenen Beitrag von Klaus von Dohnanyi, auf den Teltschik antwortet. Für den Zugang zum Dohnanyi-Artikel muss man sich bei Z+ (kostenlos) registrieren. Aber in diesem Fall lohnt sich das unbedingt, denn erst beide Texte zusammen lassen sich als Pro und Kontra zu einer der wichtigsten zeitgeschichtlichen Streitfragen lesen, die auch die aktuelle Weltpolitik nachhaltig beeinflusst.

Im Kern geht es um die Frage, ob die USA dem damaligen sowjetischen Präsidenten Michail Gorbatschow 1990 "das klare Versprechen gegeben haben, die Nato nicht nach Osten zu erweitern", wie Teltschik es formuliert. Ja, behauptet Dohnanyi unter Berufung auf Forschungen der Harvard-Professorin Mary Elise Sarotte, es habe dieses Versprechen gegeben und es sei gebrochen worden. Mit dramatischen Folgen:

Die Nato-Frage hat inzwischen auch das schwierigste Hindernis für eine Wiederbelebung der Entspannungspolitik geschaffen: die Annexion der Krim. 2008 wurde in Bukarest der Ukraine gegen der Rat Deutschlands und Frankreichs das Tor zur Nato weit geöffnet.

Teltschik antwortet Dohnanyi mit einer Art eidesstattlicher Erklärung:

Ich habe an allen Gesprächen des Bundeskanzlers mit Gorbatschow und Schewardnadse teilgenommen. In keinem davon ist die Osterweiterung der Nato über die Ex-DDR hinaus angesprochen worden [...] Präsident Gorbatschow hat selbst, wenn auch etwas spät, öffentlich erklärt, dass in keinem seiner Gespräche 1990/91 mit westlichen Partnern über eine Erweiterung der Nato über das Gebiet der DDR hinaus gesprochen worden sei.

Ich kann und will diesen Streit natürlich nicht entscheiden. Eines scheint mir aber doch offensichtlich zu sein: Es gab, wie Dohnanyi schreibt, einen "sinnlos verletzenden Umgang der USA [und des gesamten Westens - U.K.] mit russischen Interessen und Gefühlen nach 1990".

Auf höchstem Niveau: Ein Pro und Kontra zur Geschichte der Nato-Osterweiterung

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Kommentare 10
  1. Thomas Wahl
    Thomas Wahl · vor mehr als 4 Jahre

    Wenn überhaupt kann es zwar ein Versprechen an die Union der Sowjetrepubliken gegeben haben, nicht an Rußland. Das diese nicht wirklich freiwillige Union sich (unter aktiver Beteiligung Rußlands) auflösen würde war nicht absehbar. Und das die ehemaligen Teilstaaten Angst vor ihren ehemaligen Kolonialherren haben und sich Verbündete suchen, ist nachvollziehbar und völkerrechtlich abgestützt. Komischerweise spielen diese Ängste und das Recht dieser Nationen kaum eine Rolle in der Diskussion. Rußland bekommt sozusagen Absolution und gewisse „Anrechte“ auf seine blutigen Eroberungen aus der Zarenzeit und während der Konstituierung der Sowjetunion.

    1. Ulrich Krökel
      Ulrich Krökel · vor mehr als 4 Jahre

      Das ist ein wichtiger Hinweis: Die Ängste und Rechte von Nationen wie Polen, Estland/Lettland/Litauen und der Ukraine kommen in der Debatte immer wieder zu kurz. Da bin als langjähriger Korrespondent für die Region sofort einverstanden. Was Russland betrifft, geht es hier aber weniger um Absolution oder geopolitische "Naturrechte". Jedenfalls geht es mir nicht darum. Mir geht es um politische Klugheit, und es gab ja in der Geschichte genug Fälle, in denen ein falscher Umgang mit "Verliererstaaten" neuen Unfrieden bis hin zu Kriegen gesät hat. Man denke an den deutsch-französischen Krieg von 1871 mitsamt Annexion Elsass-Lothringens, was die Franzosen nie verwunden haben, bis sie sich nach dem Ersten Weltkrieg mit dem Versailler Vertrag "revanchiert" haben, der wiederum in Deutschland Dolchstoßlegenden und Rachegelüste befeuert hat und damit den Weg in den Zweiten Weltkrieg mit geebnet hat.
      Russland wiederum befand sich nach der Niederlage im Kalten Krieg in einer ähnlichen Verlierersituation, und für meine Begriffe war es einfach politisch dumm, auf dem "Sieg des Westens" (George Bush senior) und dem "Ende der Geschichte" (Fukuyama) herumzureiten oder Russland als "Regionalmacht" abzukanzeln (Obama).
      Ich würde gar nicht gegen die Erweiterung von Nato und EU argumentieren und schon gar nicht den Ostmitteleuropäern ihr Recht auf freie Bündniswahl nehmen wollen, aber man hätte sich sehr viel stärker auch um Russland kümmern müssen, etwa so, wie man sich nach dem WK II per Marshall-Plan um (West-)Deutschland gekümmert hat. Welch verheerende Wirkung so ein stigmatisierendes Verliererimage auf Menschen und ganze Gesellschaften haben kann, erleben wir doch seit Jahrzehnten im Osten Deutschlands. Falsche Versprechen (keine Nato-Erweiterung, blühende Landschaften) machen die Sache dann nur noch doppelt und dreifach schlimm.

    2. Thomas Wahl
      Thomas Wahl · vor mehr als 4 Jahre · bearbeitet vor mehr als 4 Jahre

      @Ulrich Krökel Im Grunde sehe ich auch, dass beide Seiten nicht optimal kommuniziert haben. Es ist wohl auch hier die doppelte Kontingenz, die u.a. zuschlägt. Luhmanns berühmte Alter/Ego-Geschichte. Was denkt der andere wenn ich dieses und jenes sage/tue? Was meint der andere mit seinen Worten und Taten. Welche Bilder hat man wechselseitig von einander? Was muß ich wie sagen, um Fehlinterpretationen zu vermeiden? Geht das überhaupt. Und Politiker sprechen dazu sowohl nach innen zu „ihrem Volk“ und nach außen mit unterschiedlicher Betonung.
      Wie Putin an die Macht kam, z.B. (wahrscheinlich) durch die Bomben in Wohnhäusern oder den Tschetschenienkrieg, das waren ja auch Signale, die gedeutet wurden.
      Gelungene Kommunikation ist wohl wirklich eher die Ausnahme - leider.

  2. Frank Gerards
    Frank Gerards · vor fast 5 Jahre

    Selbst wenn es diese gegeben hat. Die Ukraine ist kein geopolitisches Objekt, sondern ein souveräner Staat und damit ein von Russland unabhängig handelndes Subjekt. Sie hat sich längst für Europa und die NATO entschieden (aus gutem Grund, wie sich 2014 gezeigt hat), wurde von beiden aber im Stich gelassen und von Russland territorial brutal vergewaltigt.
    Damit erübrigt sich Streit- und Schuldfrage. Russland hat seinerseits übrigens ca. 60 Verträge seit 2006 gebrochen. Hier dem Westen noch irgendeine Mitverantwortung anzudichten ist vorsätzlich gefährlich und treibt Europa weiter dem Mafiapaten im Kreml in die Hände.

    1. Ulrich Krökel
      Ulrich Krökel · vor fast 5 Jahre · bearbeitet vor fast 5 Jahre

      Persönlich bin ich weit davon entfernt, Putin für ein politisches Unschuldslamm zu halten. Ich war allerdings in den 90er Jahren viel in Russland unterwegs und habe das Land und seine Menschen nach dem Zerfall der Sowjetunion erlebt (Stichwort: Jelzin-Anarchie). Diese Lage haben die USA und der Westen "sinnlos verletzend" ausgenutzt, wie Dohnanyi es zu Recht formuliert. Das war mindestens strategisch unklug. Putin ist in meinen Augen ein politisches Gewächs, das auf dem Boden der 90er Jahre emporgeschossen ist, den wiederum der Westen bestens gedüngt hat.

    2. Frank Gerards
      Frank Gerards · vor fast 5 Jahre

      @Ulrich Krökel Wie genau hat der Westen das ausgenutzt? Indem er den NATO-Russland-Rat gebildet hat? Indem die UsA mind 60 Mrd $ Wirtschaftshilfe gegeben hat? Indem man Russland als (illegitimen) Rechtsnachfolger im UN Sicherheitsrat bestaetigt hat? Indem man Georgien und der Ukraine mehrfach den NATO zutritt verwehrt hat? Das russische Volk ist mittlerweile leider zum Taetervolk geworden, mit blutigen Kriegen in Tschetschenien (FSB wurde beim Bombenlegen erwischt...), Georgien und jetzt in der Ukraine. Russlands Vergewaltig

    3. Frank Gerards
      Frank Gerards · vor fast 5 Jahre

      @Ulrich Krökel Wie genau hat der Westen das ausgenutzt? Indem er den NATO-Russland-Rat gebildet hat? Indem die UsA mind 60 Mrd $ Wirtschaftshilfe gegeben hat? Indem man Russland als (illegitimen) Rechtsnachfolger im UN Sicherheitsrat bestaetigt hat? Indem man Georgien und der Ukraine mehrfach den NATO zutritt verwehrt hat? Das russische Volk ist mittlerweile leider zum Taetervolk geworden, mit blutigen Kriegen in Tschetschenien (FSB wurde beim Bombenlegen erwischt...), Georgien und jetzt in der Ukraine. Russlands Vergewaltigung seiner direkten Nachbarn ist durch gar nichts zu rechtfertigen. Lassen Sie sich das von mir gesagt sein, der Verwandte in Odessa und auf der Krim hat, die durch russische Hand leiden.

    4. Ulrich Krökel
      Ulrich Krökel · vor fast 5 Jahre

      @Frank Gerards Mit Verlaub, aber Sie tragen mit Ihrer Wortwahl zu eben jener neuen Ost-West-Spaltung bei, die doch eigentlich niemand wollen kann: "Mafiapate", "territorial brutal vergewaltigt" und als Krönung das "Tätervolk". Letzterer Begriff war übrigens das Unwort des Jahres 2003, weil damit "ohne Ausnahme ein ganzes Volk für die Untaten Einzelner verantwortlich gemacht wird", so die Begründung damals. Ich würde sagen: "Tätervolk" enthält eine kollektive Schuldzuweisung, die ein Element reiner Demagogie ist.
      Aber auch Ihre Fragen zeigen wenig Substanz. Weder hat der Westen den Nato-Russland-Rat gegründet (dazu gehören mindestens zwei), noch hat der Westen der Ukraine und Georgien den Zutritt zur Nato mehrfach verwehrt, sondern im Gegenteil die grundsätzliche Bereitschaft zur Aufnahme erklärt (https://www.spiegel.de...). Last not least kann man auch über die US-Wirtschaftshilfe nach dem Zerfall der SU mindestens geteilter Meinung sein. Die Turboprivatisierung in Russland und anderen Nachfolgestaaten, aus der sich schließlich das Oligarchensystem entwickelte (Stichwort Mafiapate), ging maßgeblich auf das Wirken von US-Beratern zurück, die damals nach Moskau entsandt wurden, um Jelzin und seine Leute zu steuern. Am Ende stand eine Verarmung weiter Bevölkerungsschichten, die bis heute nachwirkt.
      All das kann niemals das aggressive Vorgehen Russlands in der Ukraine seit 2014 legitimieren oder gar entschuldigen. Aber die Kenntnis der Vergangenheit trägt immer zum besseren Verständnis aktuelle Entwicklungen bei. Und da haben wir noch gar nicht davon gesprochen, dass völkerrechtswidrige Angriffskriege, Vertragsbrüche und Lügen (wie vor dem Irak-Krieg 2003) durchaus auch integraler Bestandteil US-amerikanischer Außenpolitik sind.

    5. Frank Gerards
      Frank Gerards · vor fast 5 Jahre

      @Ulrich Krökel ...also doch alles die Schuld der USA :)? Ich persoenlich habe 3 bekannte durch russische Scharfschuetzen verloren. Putin hat Zustimmungsraten a la Hitler, deshalb ja - seit mind. 2014 sind die Russen als Taetervolk zu betrachten, ist numal Fakt und ihren Taten zuzuschreiben. Das Zugehen auf Russland seit 1991 und das Appeasement nach 2014 jat offensichtlich nichts genuetzt. Giftgasangriffw in Syrien, 13.000+ Tote in der Ukraine, fast 4 Mio Binnenfluechtlinge usw. Ein Wort von Putin und das alles endet von heute auf morgen.

    6. Ulrich Krökel
      Ulrich Krökel · vor fast 5 Jahre

      @Frank Gerards Nein, die USA sind nicht an allem schuld. Im Gegenteil, ich wollte darauf hinweisen, dass es zwischen Schwarz und Weiß unendlich viele Grautöne gibt und dass Vergleiche zwischen Putin und Hitler niemandem helfen, auch dann nicht, wenn man drei nahe Menschen durch russische Scharfschützen verloren hat, wofür Sie mein volles Mitgefühl haben.

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