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Volk und Wirtschaft

Wirtschaftswissenschaften - Experimente und Nobelpreise

Thomas Wahl
Dr. Phil, Dipl. Ing.
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Thomas WahlSamstag, 23.10.2021

Wofür bekommt man als Wirtschaftswissenschaftler einen Nobelpreis? Auch die Nobelpreise für Ökonomik sind gedacht für Forscher, deren Arbeiten die gesamte Zunft vorangebracht haben. Die diesjährige Auszeichnung ging an

David Card (University of California, Berkeley, USA) “for his empirical contributions to labour economics” and the other half jointly to Joshua D. Angrist (Massachusetts Institute of Technology, Cambridge, USA) and Guido W. Imbens (Stanford University, USA) “for their methodological contributions to the analysis of causal relationships”

David Card bekam den Preis u.a. für eine Studie (gemeinsam unternommen mit Alan Krueger), mit der sie nachwiesen, dass ein höherer Mindestlohn nicht zum Abbau der Beschäftigung für Angestellte in Fast-Food-Restaurants geführt hatte. Diesen sogar scheinbar noch etwas steigerte. So jedenfalls ihre Beobachtung, nachdem im US-Bundesstaat New Jersey 1992 der Mindestlohn von 4,25 auf 5,05 Dollar je Stunde angehoben wurde. Die Theorie besagte eigentlich, dass ein (höherer) Mindestlohn im Regelfall Arbeiter in unteren Lohngruppen in die Arbeitslosigkeit treibt, wenn die Lohnhöhe nicht mehr durch Leistung gedeckt ist.

Card erhielt den Preis nicht wegen des Aufruhrs, den die Studie verursachte. Die Juroren ehrten vielmehr, dass er der empirischen Wirtschaftsforschung eine neue Richtung gewiesen hatte. Dazu muss man sich das Grundproblem der Ökonomen vor Augen halten. Ökonomen können in die Welt blicken und am Schreibtisch darüber theoretisieren. Sie können ihre Theorien üblicherweise aber nicht mit Experimenten im normalen Leben testen.

Also gilt es reale ökonomische Situationen zu finden, die quasi wie ein definiertes Experiment im normalen Leben wirken. Das hatten Card und Krueger getan und ein quasi natürliches Experiment beobachtet und ausgewertet. In ihrer Mindestlohnstudie verglichen sie die Arbeitsmarkt-Entwicklung in New Jersey mit der Entwicklung im benachbarten Pennsylvania, wo der Mindestlohn nicht geändert wurde. Die Bevölkerung in der Grenzregion beider Staaten ist ähnlich, die Regionen unterliegen vergleichbaren gesamtwirtschaftlichen Einflüssen. Womit mögliche Verzerrungen ausgeschlossen waren - eine fast ideale aber reale Versuchsanordnung: Den Mitarbeitern in New Jersey wurde der höhere Mindestlohn verabreicht, denen in Pennsylvania nicht.
Card und Krueger lösten eine intensive Debatte im politischen und im wissenschaftlichen Raum aus. Es kann nicht sein, was nicht sein darf, sagten manche. Andere fanden Erklärungen, die die Allgemeingültigkeit des New-Jersey-Beispiels infrage stellten. Forscher untersuchten viele weitere Fälle. Drei Jahrzehnte später ist eine faire Beschreibung des ökonomischen Wissens wohl, dass (zu hohe Th.W.) Mindestlöhne im Prinzip schädlich sind, unter bestimmten Bedingungen aber nicht so schädlich, wie es einst vermutet wurde. Die Wissenschaftler sind damit klüger, die politischen Entscheidungsträger nur bedingt. 
Ein anderes mit dem Nobelpreis gewürdigtes "natürliches Experiment" verdanken wir Joshua D. Angrist und Alan B. Krueger (1991). Das half etwa die Frage zu klären, ob eine längere Schulausbildung zu höheren Berufseinkommen führt.
Statistisch ist gut abgesichert, dass Menschen, die länger die Schulbank drücken, später mehr Geld verdienen. Das ist aber kein Beweis, dass die längere Schulausbildung ursächlich für die höheren Einkommen ist. Man darf annehmen, dass klügere Menschen die Schule seltener abbrechen, vielleicht, weil sie auch noch studieren wollen. 
Die höheren Einkommen von Langzeitschülern sind also eventuell nicht Ursache der längeren Ausbildung, sondern bedingt durch deren generell höheren Fähigkeiten. Die Kausalität ist erst mal unbestimmt.
Hinweise zur Kausalität lassen sich nur gewinnen, wenn die Teilnehmer an Experimenten zufällig ausgesucht werden. Es braucht Schüler, die zufällig ohne eigenes Dazutun länger oder kürzer an der Schule bleiben. 
Hier fanden Angrist und Krueger eine bizarre Besonderheit des amerikanischen Schulsystems die wie ein natürliches Experiment wirkt. Sie fanden, dass ein Jahr mehr Schulbildung das Einkommen um 9 Prozent steigert. Zu beachten:
Das Einkommensplus von 9 Prozent für ein Jahr mehr auf der Penne gilt so nur für die Aussteiger, die Rebellen, die die Schule verlassen, sobald es möglich ist. 
Was den hohen Prozentsatz plausibel erscheinen läßt. 
Wirtschaftswissenschaften - Experimente und Nobelpreise

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Kommentare 4
  1. Achim Engelberg
    Achim Engelberg · vor mehr als 2 Jahre

    In diesem älteren Piq geht Ulrike Herrmann hart mit diesem Nobelpreis um:
    https://www.piqd.de/vo...

    Ihr Fazit:

    "Diese Erkenntnis ist wichtig. Aber das Nobelpreiskomitee tut so, als wäre damit erklärt, wie es zu ungleichen Löhnen kommt. Doch so einfach ist es nicht, wie etwa Deutschland zeigt: Noch nie waren die Arbeitnehmer im Durchschnitt so gut ausgebildet wie heute – und trotzdem ist die Kluft zwischen den Beschäftigten größer geworden.

    Die neoliberale Theorie steckt in einer Sackgasse. Aber das wird die schwedische Reichsbank nicht daran hindern, weitere Nobelpreise zu verteilen. Schließlich geht es hierbei nicht um Erkenntnis, sondern ums Dogma."

    1. Thomas Wahl
      Thomas Wahl · vor mehr als 2 Jahre · bearbeitet vor mehr als 2 Jahre

      Der Nobelpreis wurde eben nicht dafür vergeben, das Card "empirisch aufzeigen konnte, dass ein Mindestlohn nicht zu vermehrter Arbeitslosigkeit führt". Das ist eher eine Ente. Er hat empirisch nachgewiesen, dass es in einem konkreten Fall nicht zu vermehrter Arbeitslosigkeit gekommen ist. Also, dass es nicht in jedem Fall dazu kommen muß. Die Ökonomen haben ja auch nicht unisono behauptet, jede Erhöhung führe zu mehr Arbeitslosigkeit.
      Auch das DIW (also Prof. Sinn) hat damals den Mindestlohn nicht wirklich abgelehnt, aber an der Höhe zur Einführung gezweifelt:
      "Eine neue Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), keineswegs der übertriebenen Arbeitgebernähe verdächtig, gibt nun beiden Seiten ein wenig Recht. Die Einführung einer Untergrenze von 8,50 Euro könnte demnach wie gewünscht die Ausbreitung von Niedriglöhnen in bestimmten Branchen bremsen, ohne international tätige Unternehmen in ihrer Wettbewerbsfähigkeit zu gefährden. Andererseits warnen die Forscher, ein solcher Mindestlohn treffe besonders Kleinstbetriebe, die ihre zusätzlichen Kosten an die Verbraucher weitergeben könnten.
      Insgesamt sei "die abrupte Einführung eines Mindestlohns in Höhe von 8,50 Euro pro Stunde nicht anzuraten", heißt es in dem Papier, das am Mittwoch vorgestellt wird und SPIEGEL ONLINE vorab vorlag. Ratsamer sei, auf einem "deutlich niedrigeren" Niveau anzufangen und den Mindestlohn dann gegebenenfalls schrittweise anzuheben.
      Trotz dieser vorsichtigen Einschätzung bezweifeln die Forscher nicht, dass viele Arbeitnehmern bei einem Mindestlohn von 8,50 Euro grundsätzlich profitieren würden"

      https://www.spiegel.de...

      Da wird heute viel unhistorischer Unsinn verbreitet …..

    2. Achim Engelberg
      Achim Engelberg · vor mehr als 2 Jahre
    3. Thomas Wahl
      Thomas Wahl · vor mehr als 2 Jahre

      @Achim Engelberg Ich wollte mich auch für den Hinweis auf den anderen Piq bedanken. Hatte ich übersehen ….

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