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Volk und Wirtschaft

Wie viel Wirtschaftswachstum brauchen wir, um Armut abzuschaffen?

Thomas Wahl
Dr. Phil, Dipl. Ing.
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Thomas WahlDonnerstag, 01.04.2021

Die Zahl der Menschen, die in extremer Armut leben, nimmt ab – von 1,9 Mrd. im Jahr 1990 (36 % der Weltbevölkerung) auf 0,73 Mrd. (9,9 %) 2015. Trotz aller Fortschritte: Armut bleibt eines der drängendsten Probleme unserer Zeit. 

Wir können konstatieren, dass Armut nicht unvermeidlich ist. Gerade in den westlichen Ländern ist sie in den vergangenen Generationen mit Kapitalismus und Sozialstaat sehr stark zurückgegangen. 

Die Bevölkerung Dänemarks war einst so arm wie die heutige Bevölkerung Äthiopiens, aber seitdem nahm die Armut ab und die Lebensbedingungen verbesserten sich: Das Durchschnittseinkommen stieg um mehr als das 25-fache, die Kindersterblichkeit sank von mehr als einem Viertel auf weniger als ein halbes Prozent – eine der niedrigsten Levels der Welt – und Dänemark ist heute eines der Länder, in denen die Menschen mit ihrem Leben am zufriedensten sind.

Der Artikel nutzt Dänemark daher als Maßstab dafür, was es bedeutet, dass die Armut "erheblich" sinkt. Mit dieser "Benchmark" wird gefragt: Wie gleich und reich müssten Länder auf der ganzen Welt werden, damit die globale Armut ähnlich niedrig ist wie in Dänemark?

In Dänemark leben heute 86 % der Bevölkerung mit mehr als 30$ am Tag, in Äthiopien mehr als 99 % mit (meist sehr viel) weniger als 30$.

Ordnet und visualisiert man die Länder der Welt nach Einkommen – von den ärmsten Ländern ganz links bis zu den reichsten Ländern rechts zeigt sich:

Die große Mehrheit der Welt lebt in Ländern, in denen die Mehrheit arm ist. Wie man in dieser Grafik lesen kann, leben 77 % der Weltbevölkerung in Ländern, in denen mehr als 90 % von weniger als 30 USD pro Tag leben. 

Das zu ändern, wird nicht gehen ohne beträchtliches globales Wirtschaftswachstum – Klimawandel und Ressourcenproblematik hin oder her.

Um ein Gefühl für die Größenordnung des notwendigen Wachstums zu bekommen, werden Äthiopien und Dänemark mit ihren jeweils durchschnittlichen Einkommensniveaus (55$/3,3$ pro Tag) und den Ungleichheiten dieser Einkommen verglichen.

Äthiopien hat ein viel niedrigeres Durchschnittseinkommen: Eine Erhöhung des Durchschnittseinkommens wird als Wirtschaftswachstum bezeichnet. Eine Erhöhung des Durchschnittseinkommens von 3,30 USD pro Tag auf 55 USD würde bedeuten, dass Äthiopien sein Einkommen um das 16,7-fache erhöhen müsste (weil 55 USD um das 16,7-fache höher sind als $ 3,30). 

Auch die Ungleichheit ist in Äthiopien höher (Gini 28,5 / 33). Um das gleiche Armutsniveau bei gleichem Durchschnittseinkommen zu erreichen, müsste der Gini um 5 Punkte fallen. Der derzeitige Durchschnitt liegt jedoch so weit unter  30 USD pro Tag, dass eine reine Umverteilung ohne drastisches Wirtschaftswachstum die Armutsquote im Verhältnis zu dieser Schwelle nicht senken würde.

Eine mehr als 16-fache Steigerung des Durchschnittseinkommens ist sicherlich nicht leicht zu erreichen, aber auch nicht unmöglich. Das Durchschnittseinkommen in Dänemark ist in den letzten Generationen um mehr als das gestiegen, und ein solches Wachstum ist in der jüngeren Wirtschaftsgeschichte nicht selten.

Dieses Szenario auf die gesamte Welt projiziert würde heißen, einerseits rechnerisch in jedem Land, das ärmer als Dänemark ist, das Durchschnittseinkommen auf das Niveau Dänemarks zu erhöhen und in jedem Land, das reicher ist, das Einkommen der Menschen entsprechend zu senken. Darüber hinaus reduziert man in jedem Land der Welt die Einkommensungleichheit auf das niedrige Niveau Dänemarks. Wie viel Wachstum wäre damit insgesamt global erforderlich? Die Berechnungen des Autors Max Roser ergeben:

Das notwendige Mindestwachstum, um die globale Armut auf das Armutsniveau in Dänemark zu reduzieren, beträgt 410 %. Eine Steigerung um 100 % würde bedeuten, dass sich die Größe der Wirtschaft verdoppeln würde. Ein Anstieg um 410 % ist daher ein 5,1-facher Anstieg der Weltwirtschaft. Oder anders ausgedrückt: Eine Weltwirtschaft mit wesentlich weniger Armut ist mindestens fünfmal so groß wie die heutige Weltwirtschaft.

Wir hätten damit eine globale Ökonomie, in der Armut erheblich reduziert wäre, aber dennoch 14 % der Bevölkerung von weniger als 30 USD pro Tag in relativer Armut leben. Klar ist auch, das dahinter eine ganz andere globale Lebensqualität stehen wird. Hohe Lebenserwartung, Gesundheit, Bildung und Kultur für alle.

Wir wissen, die Verringerung der Armut ist nicht das einzige notwendige globale Ziel. Ähnlich wichtig ist es, die Auswirkungen der Menschheit auf die Umwelt zu verringern. Beides zusammen ist die eigentliche Herausforderung. 

Wie viel Wirtschaftswachstum brauchen wir, um Armut abzuschaffen?

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Kommentare 14
  1. Gabriele Feile
    Gabriele Feile · vor 3 Jahren

    Ich frage mich: wer legt die Grenze fest, an der Armut beginnt? Und warum? Ist die Tatsache, dass wir Reichtum und Armut mit "Geld" messen nicht eher ein Teil des Problems als die Lösung? Wie lässt sich Wachstum rechtfertigen, wenn es auf dem Rücken von Gig-Workern erzielt wird oder durch Kinderarbeit oder Ausbeutung? Wie sieht eine Welt aus, in der alle Menschen mehr als 30 USD pro Tag zur Verfügung haben, jedoch keine saubere Luft zum Atmen, keine natürlichen Wälder oder keine Lebensmittel, weil die Insekten zum Bestäuben fehlen? Oder die von einer Pandemie in die nächste "gleitet"? Oder...

    1. Thomas Wahl
      Thomas Wahl · vor 3 Jahren

      Wie will man denn ganz ohne Geld/Kaufkraft sonst halbwegs verläßlich messen und vergleichen? Die Armutsdefinition ist eigentlich zwischen internationalen Organisationen abgestimmt und es gibt auch Ansätze mit mehreren Faktoren. Wird aber schnell schwammig. https://www.bmz.de/de/...

      Ich finde es von unserem warmen Sofa aus etwas zynisch saubere Luft gegen Armut auszuspielen, das als Gegensatz zu sehen. Die Alternative kann nicht heißen, schmutzige Luft oder Tod für Milliarden. Es darf nur heißen gute Umwelt und Wachstum von Wohlstand. Ohne Wachstum bleibt die Armut (inklusive Kinderarbeit zwangsläufig, mit und ohne Geld) und auch die Natur wird endgültig ruiniert. Wobei komplexere Wirtschaften ohne Meßmittel wie Geld nicht funktionieren. Ohne moderne Wissenschaft und Technik werden die wachsenden Einwohnerzahlen des globalen Südens ihre Wälder abholzen, das Holz verbrennen, Felder wieder mit Brandrodung nutzen, die Tiere weiter ausrotten und die Gewässer weiter verunreinigen. Das haben wir doch in Europa etc. schon seit den alten Griechen getan. Milliarden Menschen können m.E. nur mit und durch modernen Technologien halbwegs naturschonend leben.
      https://www.oekomodern...

    2. Thomas Wahl
      Thomas Wahl · vor 3 Jahren

      Willst Du wirklich unsere überzogene Angst vor Corona gegen Wachstum und Armutsbekämpfung in Stellung bringen? Das wir diese Pandemie in den wohlhabenden Nationen mit einer erträglichen Übersterblichkeit überstanden haben ist Folge des medizinischen Fortschritts durch Wachstum. Im armen Mittelalter wurden durch Seuchen ganze Regionen menschenleer. Hohe Prozentsätze der Bevölkerung starben.

    3. Gabriele Feile
      Gabriele Feile · vor 3 Jahren

      @Thomas Wahl Ist diese Antwort an mich gerichtet? Wenn ja: auf welche meiner Fragen bezieht sie sich?

    4. Thomas Wahl
      Thomas Wahl · vor 3 Jahren

      @Gabriele Feile Eigentlich auf alle .....

    5. Gabriele Feile
      Gabriele Feile · vor 3 Jahren

      @Thomas Wahl Interessant :-).

    6. Thomas Wahl
      Thomas Wahl · vor 3 Jahren

      @Gabriele Feile So schwer zu verstehen? Schade .....

    7. Gabriele Feile
      Gabriele Feile · vor 3 Jahren

      @Thomas Wahl Aus Zeitgründen gebe ich dir eine einheitliche Antwort auf deine vorangehenden Fragen: Nein. Dankeschön.

  2. Dominik Lenné
    Dominik Lenné · vor 3 Jahren

    30 $ pro Tag und Kopf ist schon nicht schlecht. Da kann man schon einiges mit machen.
    Wirft natürlich die Frage auf: was bedeutet das für den Ressourcenverbrauch?

    1. Thomas Wahl
      Thomas Wahl · vor 3 Jahren

      Letztendlich muß man Ressourcenverbrauch und Wachstum entkoppeln. Wird schwierig und langwierig. Aber wer hat gesagt, dass es einfache Lösungen geben kann?

    2. Dominik Lenné
      Dominik Lenné · vor 3 Jahren

      @Thomas Wahl True. Aber woraus besteht unser Reichtum? Geld ist nur eine Zahl. Was unterscheidet mein Leben (mit ca. 30€/Tag) von dem eines Einwohners von Gambia, der einigermaßen zurecht kommt?
      gute Straßen, stabile geräumige Häuser mit sanitären Anlagen, extensive und relativ billige öffentliche Verkehrsmittel, Gesundheits- und Pflegewesen mit Gebäuden und Technik, extensives und differenziertes Bildungssystem mit Gebäuden und Technik, Medienwesen und -Anbindung incl. Ausstattung mit elektronischen Geräten, Kulturwesen, Politik und Verwaltung, reichhaltige und differenzierte Lebensmittelversorgung, reiche Versorgung mit Kleidung.
      Der softe Anteil, d.h. was mit menschlicher Interaktion zu tun hat: Medien, Bildung, Gesundheit zum Teil, Kulturwesen ist ohne große Steigerung des Ressourcenverbrauchs realisierbar.
      Aber es bleibt ein harter Anteil. Auto sparen wir mal aus weil is nich bei 30 €/Tag. Bleiben sonstige Verkehrsmittel, Gebäude und Technik, die aus Materie bestehen.

    3. Thomas Wahl
      Thomas Wahl · vor 3 Jahren

      @Dominik Lenné Ja, aber auch die Menschen in Medien, Bildung, Gesundheits- und Kulturwesen wollen essen und wohnen. Geld ist nicht nur eine Zahl sondern ein Maß für die Verfügbarkeit/Produktion und den möglichen Bezug von Waren und Dienstleistungen. Also eben für all die Dinge, die unser Leben von den Menschen in Gambia unterscheiden. Und die natürlich auch die Armen zumindest zum Teil benötigen um besser und gesünder zu leben. Und die müssen erst mal produziert werden. Von wem auch immer. Ich denke, dass entzieht sich weitgehend unserem Einfluß.

    4. Dominik Lenné
      Dominik Lenné · vor 3 Jahren

      @Thomas Wahl Geld ist zwar ein Maß dafür, aber kein absolutes, sondern nur ein Vergleichsmaß. 30 € sind ein bestimmter Anteil an der Gesamtproduktion der Welt. Das für Geld Produzierte ist die Basis, was auch immaterielle Güter einschließt.
      Geld entspricht Wert(empfinden) und der(das) ist nur zum Teil an materiellen Ressourcenverbrauch gebunden. Meine Überlegungen zielen in die Richtung, diesen Teil herauszuarbeiten. Der Lebensstandard teilt sich grob in den materiellen und den ideellen Teil. Der "ideelle Lebensstandard" kann beliebig erhöht werden, der "materielle" macht Probleme. Ohne "ideelle Produktion" hätte die Gesellschaft immer noch den materiellen Lebensstandard, der dann mit deutlich weniger Arbeit erzeugt würde.

    5. Thomas Wahl
      Thomas Wahl · vor 3 Jahren

      @Dominik Lenné Ja, natürlich ein Vergleichsmaß. Das sehe ich auch so. Den ideelen Teil würde ich als Dienstleistungen aller Art bezeichnen - von FuE, Bildung über Beratung bis hin zu Gesundheit, Pflege und Kultur. Der steigt ja in den entwickelten Industriestaaten auch absolut und relativ. Das geht aber wahrscheinlich erst ab einem gewissen Level der materiellen Entwicklung. Die ärmeren Nationen werden da erst mal nachholen wollen/müssen.

      Und auch wir stehen vor der Aufgabe alle unsere Infrastrukturen umzubauen um den Klimawandel zu stoppen bzw. uns gegen den unvermeidlichen Wandel zu wappnen. Das wird materielle Ressourcen und Wachstum bedürfen. Man kann sicher einiges recyceln, aber Nullwachstum kommt da nicht zustande.

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