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Volk und Wirtschaft

Merkels Wirtschaftsbilanz – Licht und Schatten

Thomas Wahl
Dr. Phil, Dipl. Ing.
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Thomas WahlFreitag, 17.09.2021

Nach 16 Jahren Angela Merkel, als Kanzlerin einer der größten Volkswirtschaften der Welt, versucht die FAZ eine wirtschaftspolitische Bilanz mit vielen Zahlen und Grafiken dieser Ära. Der erste Teil widmet sich der Frage, wie sich der Wohlstand in unserem Land entwickelt hat. In dem wir ja, so Angela Merkel, „gut und gerne leben“. Die Bilanz ist durchaus gemischt.

Bei ihrem Amtsantritt als Bundeskanzlerin im Jahr 2005 kostete ein Liter Benzin rund 1,20 Euro. So billig sollte der Treibstoff für die Wirtschaft erst gegen Ende von Angela Merkels langer Amtszeit rund 15 Jahre später wieder werden, als der Stillstand der Weltwirtschaft wegen der Corona-Pandemie den Ölpreis einbrechen ließ.

Allerdings müssen wir heute für unser Benzin viel weniger arbeiten als zum Amtsantritt der „ewigen“ Kanzlerin. Damals litt Deutschland unter einer zweistelligen Arbeitslosenquote. Diese ist unter Merkels Ägide stark zurückgegangen – trotz der Coronafolgen auf heute nur 6 %. Was insgesamt nicht unbedingt mit dem wirtschaftspolitischen Geschick der Kanzlerin zu tun hat, sondern eher mit den Einschnitten in den Sozialstaat, 

die kurz zuvor ausgerechnet eine sozialdemokratisch geführte Bundesregierung gegen den erbitterten Widerstand der damaligen Kanzlerpartei SPD durchgesetzt hatte. Die Hartz-Reformen waren ein wichtiger Grund dafür, dass Gerhard Schröder das Kanzleramt an Merkel verlor. Der durch die Reformen ausgelöste Aufschwung hielt bis zur Finanzkrise im Jahr 2008 und verlieh der Merkel-Regierung Aufwind.

So stiegen während Merkels Amtszeit sowohl die Wirtschaftsleistung pro Kopf als auch das verfügbare Einkommen je Bürger fast jedes Jahr. Das durchschnittlich verfügbare Einkommen je verheiratetem Arbeitnehmer mit zwei Kindern (Alleinverdiener) wuchs von etwa 23.000 auf 33.000 €.

Ausnahmen bei der Steigerung gab es nur 2009 in der internationalen Finanzkrise und im Corona-Jahr 2020. Wobei das wirtschaftspolitische Krisenmanagement der Merkel-Regierungen wohl das Schlimmste verhindert hat. Der Preis allerdings war hoch. Die Verschuldung wuchs seit 2005 je Bürger um 44 Prozent auf 26.000 €. Besonders stark in den Krisenjahren 2009 und 2020.

Ein oft übersehener Erfolg war es sicher, den Anstieg der Ungleichheit gestoppt zu haben. Der Gini-Koeffizient etwa der verfügbaren Haushaltseinkommen hat seinen steilen Anstieg beendet und schwankt um die 0,29 – die Schere geht nicht immer weiter auseinander.

Im zweiten Artikel werden die Infrastrukturen und ihre Entwicklung der letzten 16 Jahre analysiert. Man erinnert sich:
Die Unionsparteien waren 2005 auf einer heißen Spur. Es klang ganz ähnlich wie das, was ihr aktueller Kanzlerkandidat Armin Laschet vorhat. Gleich das erste Infrastruktur-Ziel des Regierungsprogramms von 2005 lautete: „Wir beschleunigen den Bau wichtiger Infrastrukturmaßnahmen durch eine Vereinfachung von Planungen und eine Verkürzung von Planungszeiten.“

Die Resultate sieht man heute. Wie eine Befragung des Global Competitiveness Reports unter Geschäftsführern verschiedener Branchen aus 129 Ländern zeigt, hat die Bundesrepublik bei Straßen und Schienen

auf einer Skala von eins bis sieben einen ganzen Punkt verloren. Das ließ unser Land im internationalen Vergleich regelrecht abstürzen: Von Rang 2 in der Befragung 2007/2008 auf Rang 12 zehn Jahre später.

Man merkt das auch auf den Straßen. So hat sich zwischen 2005 und 2018 die Länge aller Staus im Jahr fast verfünffacht: Von knapp 360 000 Kilometern auf 1,53 Millionen pro Jahr. 

Dass der aktuelle Wert nicht ganz so krass ausfällt, liegt vor allem an der Pandemie: Die Staukilometer haben sich vergangenes Jahr mehr als halbiert. Wenn die Menschen aus Angst vor dem Virus nicht unterwegs sind, ist auf den Autobahnen ausreichend Platz – aber auch nur dann.

Wer nun glaubt, die vielen Baustellen erhöhen Wert und Qualität unserer Straßen, wird mit Blick auf das Netto-Anlagevermögen der Verkehrsinfrastruktur schnell eines Besseren belehrt:

Der Blick auf diese Größe zeigt, dass sich in der gesamten Merkel-Ära fast nichts getan hat: Das deutsche Straßennetz war im Jahr 2019 mit 415,9 Milliarden beinahe exakt genauso viel wert wie 2005 mit 415,2 Milliarden Euro.

Man fragt sich unwillkürlich, wie bei einer solchen Bilanz (z. B. auch bei unseren digitalen Infrastrukturen) die riesige Herausforderung beim klimabedingten Umbau unserer energetischen Basis oder auch des Rentensystems zukünftig bewältigt werden soll? Die aktuellen Versprechen der Wahlkämpfer klingen für mich da eher hohl.

Merkels Wirtschaftsbilanz – Licht und Schatten

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Kommentare 18
  1. Gabriele Feile
    Gabriele Feile · vor mehr als 2 Jahre

    Wann hören wir bloß damit auf, den Benzinpreis als Indikator für ein "gutes" Leben in Wohlstand zu nutzen?

    1. Thomas Wahl
      Thomas Wahl · vor mehr als 2 Jahre

      Dort steht nicht, dass sei ein Inikator für ein gutes Leben? Es ist in dem Falle ein Indikater, dass wir trotz des steigenden Literpreises dafür weniger arbeiten müssen. Was natürlich Verhalten beeinflußt.

    2. Gabriele Feile
      Gabriele Feile · vor mehr als 2 Jahre · bearbeitet vor mehr als 2 Jahre

      @Thomas Wahl Na ja, das wird die Kanzlerin mit "gut und gerne Leben" zitiert und dann wird der Spritpreis erwähnt, den sie erst am Ende ihrer Amtszeit wieder billig "machte". Später im Text geht's um Staukilometer, also wieder um Autos. Warum nur? Und wofür?

    3. Thomas Wahl
      Thomas Wahl · vor mehr als 2 Jahre

      @Gabriele Feile Ok, so gesehen scheinen viele Menschen das Auto für ein Bestandteil des guten Lebens zu halten. Und man möchte weder im Stau stehen noch viel Geld dafür bezahlen. Das kann man natürlich kritisieren ….

    4. Gabriele Feile
      Gabriele Feile · vor mehr als 2 Jahre

      @Thomas Wahl Ich stelle es halt in Frage und bin zunehmend ent-setzt, wie "erfolgreich" die Automobilindustrie ihr Produkt platziert hat - als lebensnotwendig.

    5. Thomas Wahl
      Thomas Wahl · vor mehr als 2 Jahre

      @Gabriele Feile Ich weiß nicht, ob es die Automobilindustrie ist oder der gewohnte Lebensstil. Es ist ja nicht hier Ursache (die Industrie) und da Wirkung (der verführte Käufer). Es ist der uralte Traum der Mobilität, den das Auto „glänzend“ erfüllt. Besser als das Pferd oder auch die Bahn.

    6. Gabriele Feile
      Gabriele Feile · vor mehr als 2 Jahre

      @Thomas Wahl Dieser Traum der Mobilität: Woher kommt dieser? Und warum wird der immer größer? Warum ist das Bedürfnis nach Mobilität so stark?

    7. Thomas Wahl
      Thomas Wahl · vor mehr als 2 Jahre · bearbeitet vor mehr als 2 Jahre

      @Gabriele Feile Ich bin mir nicht sicher ob der Traum immer größer wird. Jedenfalls haben sich Menschen früh über die ganze Welt ausgebreitet. Ist es Neugier, ist es der Handel, der auch zu „Wohlstand“ geführt hat, ist es der Wunsch nach Alternativen, ist es das Prestige, Reisen zu können, vielleicht auch Bequemlichkeit bei der Wahl des Transportmittels? Sicher spielt auch Kultur und die erreichte Technologie eine Rolle.

    8. Gabriele Feile
      Gabriele Feile · vor mehr als 2 Jahre

      @Thomas Wahl "Früher", also vor der Entdeckung der Landwirtschaft, ging es ja darum, genügend Essen zu finden und ein Klima, in welchem man überleben konnte. Dafür zog man weiter, wenn es vor Ort nicht mehr passte. Dann wurden die Menschen sesshaft, also im-mobil. Holt uns das irgendwie ein? Sind wir vielleicht nicht fürs Leben an einem festen Platz gemacht? Und warum ist dann vielen der Besitz einer Immobilie so wichtig? Das widerspricht doch dem Drang nach Mobilität.

    9. Thomas Wahl
      Thomas Wahl · vor mehr als 2 Jahre · bearbeitet vor mehr als 2 Jahre

      @Gabriele Feile Das ist so nicht ganz richtig. Vor der Landwirtschaft war die Erde extrem dünn besiedelt. Ein bis zwei Personen pro Quadratmeile (ca. 2,6 Quadratkilometer) schätzt Marvin Harris für die Steinzeitvölker. Und es gab Wild im Überfluß. Die Jäger und Sammler waren besser ernährt und gesünder als dann die Bauern. Und sie sind gewandert. Wie auch heute noch/bis vorkurzem die Buschmänner, Aborigines oder die Eskimo. Das galt zumindest solange wie die Populationen klein blieben. Irgendwann hat dann aber die Jagdtechnik und die wachsende Bevölkerungszahl zur Ausrottung der plaistozänen Megafauna geführt. Da war der Homo Sapiens schon sehr weit gekommen. Und dann begann wohl der langsame Übergang zur agrarischen Lebensweise. Und auch diese Kulturen dehnten sich aus. Jetzt sicher auch um die wachsende Bevölkerung zu "verteilen". Ist eine spannende Geschichte ……

    10. Thomas Wahl
      Thomas Wahl · vor mehr als 2 Jahre · bearbeitet vor mehr als 2 Jahre

      @Gabriele Feile Nun, der Drang zur Immobilie führt ja nicht zwangsläufig dazu nicht mehr zu reisen. Und widersprüchlich sind Menschen alle mal. Die meisten haben mehr als einen "Drang" …..

    11. Gabriele Feile
      Gabriele Feile · vor mehr als 2 Jahre

      @Thomas Wahl "...denn sie wissen nicht, was sie wirklich, wirklich wollen", um einen großen Philosophen zu zitieren, der leider vor kurzem unseren Planeten verlassen hat und weitergezogen ist: Frithjof Bergmann.

    12. Thomas Wahl
      Thomas Wahl · vor mehr als 2 Jahre

      @Gabriele Feile Da hat man es mit den 10 Geboten oder so versucht ….. 😏

    13. Gabriele Feile
      Gabriele Feile · vor mehr als 2 Jahre

      @Thomas Wahl Das verstehe ich nicht. Was hat man mit den 10 Geboten versucht?

    14. Thomas Wahl
      Thomas Wahl · vor mehr als 2 Jahre

      @Gabriele Feile Den Menschen, die nicht wirklich wissen was sie wollen, zu sagen was sie sollen und was nicht.

    15. Gabriele Feile
      Gabriele Feile · vor mehr als 2 Jahre

      @Thomas Wahl OK. Und heute macht das die Werbung :-).

    16. Thomas Wahl
      Thomas Wahl · vor mehr als 2 Jahre
  2. Thomas Wahl
    Thomas Wahl · vor mehr als 2 Jahre

    Hier noch ein weiterer Artikel der FAZ zum Thema "16 Jahre Merkel" und die Einwanderung:

    "Ob die Entscheidung Deutschland geschadet hat, wie aus jenen Kreisen suggeriert wird, ist aber eine andere Frage. Denn trotz der gestiegenen Zuwanderung wuchs Deutschlands Bevölkerung insgesamt nicht, sondern stagnierte weitgehend. Das heißt, ohne Zuwanderung wäre das Land geschrumpft, weil unter der heimischen Bevölkerung mehr alte Menschen starben, als Kinder geboren wurden. Obwohl die Bevölkerung insgesamt kaum wuchs, wuchs die arbeitende Bevölkerung aber schon. Von Merkels erster Wahl zur Bundeskanzlerin bis zum Jahr 2019 ist die Zahl der Erwerbstätigen kontinuierlich gestiegen. Das dürfte weniger etwas mit ihr als mit den zuvor verabschiedeten Arbeitsmarktreformen der Agenda 2010 zu tun haben, dennoch ist es aber ein bemerkenswerter Effekt. Nicht einmal die Finanzkrise 2008 konnte diese Entwicklung bremsen, erst durch die Corona-Pandemie im vergangenen Jahr ging die Beschäftigung leicht zurück. Auch trotz gestiegener Zuwanderung sank die Arbeitslosenquote von 2015 bis 2019 von 6,3 auf 5 Prozent. Das heißt nicht, dass die Entwicklung nicht auch volkswirtschaftliche Kosten verursacht hätte."
    https://www.faz.net/ak...

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