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Zeit und Geschichte

Grundsatzkritik & Verschwörungstheorie - Romantik des Selbstdenkens

Thomas Wahl
Dr. Phil, Dipl. Ing.
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Thomas WahlMittwoch, 02.11.2022

"Merkur" bringt einen interessanten Erklärungsansatz für aktuelle und frühere Radikalisierungsprozesse. Und der Autor, Benedikt Sepp, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Zeitgeschichte der LMU, sieht durchaus Parallelen zwischen dem schnellen Hochschaukeln der Studenten- und Jugendbewegung um 1968 sowie den heutigen radikalen politischen Protestbewegungen, etwa der Querdenker.

Entkleidet von den vielen nostalgischen, verklärenden oder kriminalisierenden Narrativen bleibt von den 68ern

nicht zuletzt die Geschichte einer enormen, fast schon erschreckenden Radikalisierungsdynamik: Was als Forderung nach freier Rede und weniger autoritärer Lehre an den Ordinarienuniversitäten begann, steigerte sich über den Protest gegen Notstandsgesetzgebung und Vietnamkrieg innerhalb weniger Jahre zu einer – wenigstens rhetorisch – unversöhnlichen Ablehnung der gesamten bundesdeutschen Politik und Gesellschaft.

Der Autor meint zurecht, das klassische Erklärungsmuster, wonach insbesondere benachteiligte oder unzufriedene Individuen aber auch andauernde staatliche Repressionen zur Radikalisierung führen, nicht so recht passen wollen. Auch besonders zweckrational oder zielorientiert war das Handeln nicht.

Vielmehr war die Radikalisierung in der Angst angelegt, der eigene Protest könne vom System quasi aufgesogen werden – eine Angst, die eine Hermeneutik des Verdachts gegen sich selbst nach sich zog. Die Antiautoritären wurden durch diese Angst in die Notwendigkeit einer permanenten Kritik und damit in ein Selbstverständnis als permanente Kritikerinnen und Kritiker gezwungen, das, um Armin Nassehis und Diedrich Diederichsens Begriff aufzugreifen, bald zu einer allgemein verständlichen Pose der Kritik gerann. 

Den Antiautoritären fehlte ein realistischer inhaltlicher Fixpunkt und man schottete sich zunehmend ab von der andersdenkenden Umwelt. Das förderte nicht nur die inhaltliche Verschärfung der Standpunkte sondern auch ein Verständnis von Politik, das sich stark mit dem Selbstverständnis, dem Ego der einzelnen Akteure verwob

Wo geglückte Kompromisse mit der politischen Umwelt als Gefährdung der eigenen Radikalität gesehen werden konnten, bemaß sich der Erfolg von Aktionen, Demonstrationen und Diskussionen nicht mehr unbedingt an ihrer Wirkung auf möglichst viele Außenstehende, sondern am Verfestigen der fundamentaloppositionellen Haltung bei den schon Überzeugten. Auseinandersetzungen mit der Polizei etwa sollten auch dazu dienen, die »autoritäre Struktur des bürgerlichen Charakters in uns tendenziell zu zerstören [und] Momente der Ich-Stärke, der Überzeugung zu schaffen«, so Rudi Dutschke.

Was nach meinen Eindrücken heute oft so ähnlich abläuft. Demnach ist es nicht die kritische Grunposition selbst, die etwa Querdenker so schnell radikalisiert

sondern die Verknüpfung dieser Grundhaltung mit einem Selbstverständnis als Dissidenten, das ihrer Kritik keine Stopp-Regel einbaut, nach dem Motto: Weil ich ein eigenständiger Denker bin, der sich nicht unterkriegen lässt, bin ich dem System schon auf den Leim gegangen, wenn ich keinen Ansatzpunkt für Kritik sehe. Wenn Kritik und »Selbstdenken« solcherart zur persönlichen Identität, zu einer identitätsstiftenden Pose werden, kann diese Kritik keine inhärente Mäßigung oder Korrektive mehr kennen; sie koppelt sich von der Möglichkeit des Dialogs und Kompromisses ab …..

Diese Pose der Grundsatzkritik am System scheint sich bei vielen 68ern seither durch ihr ganzes Leben zu ziehen. Auch bei den vielen, die sich nach dem "Rausch der Rebellion" in verantwortungsvollen Positionen der bundesdeutschen Gesellschaft wiederfanden. Ich würde ja gern erleben, wie das bei den Querdenkern oder den Mitgliedern der "Letzten Generation" in 50 Jahren sein wird.


Grundsatzkritik & Verschwörungstheorie - Romantik des Selbstdenkens

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