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Medien und Gesellschaft

Krieg der Lügen: Ukraine-Feature von 2015

Susanne Franzmeyer
Piqer für Radio Features
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Susanne FranzmeyerMittwoch, 09.03.2022

Aktuell gibt es für mich kaum ein anderes Thema als der Krieg in der Ukraine. Entsprechend fielen meine letzten Feature-Empfehlungen aus und auch heute werde ich wieder dort anknüpfen. Meine letzte Empfehlung war das jüngste Feature von Christine Hamel, die sich mit Putins Engagement in systematischer Geschichtsfälschung beschäftigte. Das Feature, das ich heute empfehlen möchte, stammt von derselben Autorin und wurde 2015 produziert. Auch hier geht es um die Verdrehung und systematische Umdeutung der Wirklichkeit, konzentriert sich aber auf die Ukraine und nimmt beide Seiten – die ukrainische und die russische – ins Visier der Recherchen.

"Ich bin schockiert. Ukrainer und Russen haben im Zweiten Weltkrieg zusammen gekämpft und heute beschimpfen sie sich. Auf der Krim haben wir beide zusammen gelebt und alles war gut. Aber das Fernsehen hat inzwischen so viel Hass zwischen den Menschen gesät, und die Leute schalten ihren Verstand einfach nicht ein. Hier spielt einer Flöte, und alle Ratten laufen hinter ihm her in die Fluten des Meeres, wo sie ertrinken."

Putins Propaganda-Maschinerie läuft schon lange, sie ist Teil seiner Pläne für Russland und hat den Weg zur Annexion der Krim geebnet. Der beliebige Umgang mit Fakten und deren Umdeutung scheint abenteuerlich bis abstrus, zeigt aber Wirkung.

"Propaganda und Leugnung offensichtlicher Fakten haben den Unterschied zwischen Lüge und Realität getilgt. Erst 'gibt es keine russischen Soldaten' auf der Krim. Dann ist man 'stolz auf die russischen Soldaten', die die Krim in den 'Heimathafen' zurückgeholt haben - 'ohne Blutvergießen'. Auch in der Ostukraine 'gibt es keine russischen Soldaten'. Dann kämpfen dort russische Soldaten 'in ihrem Urlaub' zusammen mit 'Fallschirmjägern, die sich verlaufen' haben."

Putin zeichnet in den Medien ein Idealbild von Russland. Der Aggressor Russland wird zum 'Befreier' umgedeutet. Regt sich Widerstand von ukrainischer Seite, kommt der von 'Faschisten'. Fehlen unabhängige journalistische Stimmen, bleibt auch die Kritik am Vorgehen der russischen Regierung aus.

"Die Situation heizte immer weiter auf. Im ersten russischen Kanal, im zweiten, im dritten. Auf allen Kanälen berichteten alle unisono, wie schlecht es um die Ukraine steht, und dann war da die Rede von Faschisten. Und das schraubte sich alles so weit hoch, dass die Leute nicht mehr kapierten, was vor sich ging."

Was ist dran an den "Faschismus"-Vorwürfen seitens der Russen? Tatsächlich gibt es Rechtsextremismus in der Ukraine. Vermutlich sind es einige Tausend, die vorzugsweise als Partei oder paramilitärische Gruppierung in der Ukraine in Erscheinung treten, und die eine Abgrenzung sowohl nach Westen als auch gegenüber Russland fordern. Eine kleinere Gruppe rechter Nationalisten stürzte die haushohe Lenin-Statue vor dem Rathaus in Slawjansk - für Putin und seinen Medien-Machtkampf ein gefundenes Fressen, das ihm die nötigen Schlagzeilen lieferte.

"In der Welt der russischen Medien gibt es keine Differenzierung. Es gibt kein 'grau'. Jeder Zwischenton ist durch eine Meinung ersetzt. Zufälle existieren nicht. Stets wird ein Komplott vermutet, stets wittert jemand Verschwörung. Aus eher unbrauchbaren Quellen werden brauchbare Schlüsse für eigene Thesen gezogen. In Fernsehen und Radio überlässt man zudem das Wort so genannten 'Experten', von denen niemand etwas weiß, und die selbst nichts wissen. Eine groß angelegte Reality Show russischer Politik."

Neben den aufschlussreichen Recherchen der Autorin zu Putins Propagandamethoden, gelingt es Christine Hamel, wunderbare Originaltöne einzufangen, von überzeugten oder in Ungnade gefallenen ehemaligen Putin-Anhänger*innen, wie dem ehemaligen Kreml-nahen Politiker Pawlowski, inzwischen ein scharfer Kritiker Putins, oder dem Ukrainer Pelunsky, der sich auch nach der Annexion der Krim trotz bitterer Anfeindungen nicht von dort vertreiben lassen will. In der Ukraine war er Abgeordneter des Krim-Parlaments - nun gilt er als 'Volksfeind'.


Mitunter wird im Feature eine fast poetische Bildsprache verwendet, die stellenweise auch den Humor der Bevölkerung erkennen lässt. Anekdoten, die man sich erzählt, wie die des Mannes, der auf dem Roten Platz 'Krokodile' vertreibe. Als dieser gefragt wird, wieso denn 'Krokodile' - es gäbe dort doch keine, erwidert der Mann, dass er sie ja 'verjage' und es deswegen keine gäbe - ähnlich verhalte es sich mit den Faschisten in der Ukraine. Auch andere Passagen greifen das Thema der Wahrheitsumgestaltung auf originelle Weise auf, wie ein fiktiver Märchentext.

"Es war einmal ein Land, das umsorgte und umhegte seine Bewohner mit aufopferungsvoller Leidenschaft. Es kontrollierte, was die Menschen sagten und schrieben und sorgte auch zünftig dafür, was die Menschen denken sollten. Die Bewohner fühlten sich von ihrem Land getragen und geborgen und nannten es zärtlich 'Mütterchen Russland' (...) Mütterchen Russland fühlte sich so stark, so einzigartig und so gut versorgt durch seinen Präsidenten, so dass es den Landsleuten fast so schien, als müsse er nicht nur sie, sondern die ganze Welt regieren."

Eine Sounddesignerin sorgt zudem im Feature für eine zusätzliche kunstvolle akustische Untermalung, die der Produktion eine besondere Note verleiht. Vielleicht war das auch möglich, da es sich um ein von der Robert-Bosch-Stiftung gefördertes Feature-Projekt handelt.

Krieg der Lügen: Ukraine-Feature von 2015

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Kommentare 1
  1. Marcus von Jordan
    Marcus von Jordan · vor 2 Jahren

    toller piq! Herzlichen Dank!

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