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Medien und Gesellschaft

Wie die Welt am Sonntag eine Umfrage zu geschlechtergerechter Sprache verzerrt und polemisiert

Simon Hurtz
Journalist, Dozent, SZ, Social Media Watchblog

Mag es, gute Geschichten zu erzählen.
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Mag es, gute Geschichten zu teilen. Das tut er hier.
Mag es gar nicht, in der dritten Person über sich zu schreiben.

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Simon HurtzMittwoch, 24.06.2020

Ende Mai erschien auf der Webseite der Welt ein Text, über den ich mich damals geärgert habe. Bereits der erste Satz zeigt, wohin die Reise geht:

Die Mehrheit der Deutschen lehnt es ab, die deutsche Sprache zwanghaft zu verweiblichen.

Von da an wurde es nur noch schlimmer: Susanne Gaschke, die in anderem Zusammenhang auch gern mal über "Kontaktsperren-Totalitarismus" klagt, zitiert in der Folge angebliche Expertïnnen – die zufälligerweise allesamt ihre Meinung teilen und "Gender-Unfug" ablehnen.

Ich habe damals kurz überlegt, ob ich mich auch öffentlich auf Twitter darüber ärgern soll, dann aber entschieden, dass jeder Klick einer zu viel ist. Außerdem hatte ich weder Zeit noch Energie für Medienbubble-Diskussionen.

Woher der Sinneswandel? Warum greife ich den Text fast einen Monat später doch noch auf?

Weil Stefan Fries eine interessante Entdeckung gemacht hat: Die Printfassung, die ich bislang nicht kannte, unterscheidet sich von der Online-Version – und zwar signifikant. Das beginnt schon beim Vorspann. In der Zeitung heißt es:

56 Prozent der Bevölkerung sind gegen Binnen-I und Gendersternchen. Talkmaster Markus Lanz: Solche Formalismen seien "Unfug". Befürworter dagegen halten die deutsche Sprache für "ausgrenzend".

Für die Webseite hat die Redaktion den Teaser drastisch zugespitzt:

Eine Umfrage im Auftrag von WELT AM SONNTAG zeigt: Die Mehrheit der Deutschen hält nichts von Binnen-I und Gendersternchen, mit denen politische Aktivisten ihre Mitbürger erziehen wollen. Kritiker sprechen von "Gender-Unfug".

Die Gegenmeinung der "Befürworter" taucht nicht mehr auf – weil sie auch aus dem Artikel geflogen ist. Normalerweise werden Texte für die Zeitung gekürzt, weil sie auf Zeile geschrieben werden müssen (so kenne ich das jedenfalls von der SZ und anderen Medien). In diesem Fall fehlt in der Online-Version ein Absatz, in dem die Schriftstellerin und Übersetzerin Andrea Paluch Argumente für eine geschlechtergerechte Sprache liefert.

Hinzu kommt: Der Artikel ist nicht nur polemisch und einseitig, er gibt die Umfrage auch falsch wieder. Gaschke schreibt etwa:

Demnach halten 56 Prozent der Bevölkerung nichts vom "Gendern" von Begriffen durch ein großes Binnen-I, ein Gendersternchen oder einen Unterstrich in journalistischen und literarischen Texten sowie in politischen Reden.

Dabei hatte Infratest Dimap gar nicht Gendersternchen oder Unterstrich gefragt. Die Auswahl der Stichwortgeberïnnen, der Tonfall und die eindeutig falsche Interpretation der Umfrage lassen eigentlich nur einen Schluss zu:

Die Polemik in der Online-Variante zeigt m.E. aber, worauf es der Welt am Sonntag ankam: eine Verächtlichmachung dieser Varianten der geschlechtergerechten Sprache, gestützt durch eine Umfrage, die das Ergebnis nicht hergibt.
Wie die Welt am Sonntag eine Umfrage zu geschlechtergerechter Sprache verzerrt und polemisiert

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Kommentare 4
  1. Michael Boden
    Michael Boden · vor fast 4 Jahre

    Die Welt, auch der Focus, haben schon lange Bildzeitungsniveau erreicht

  2. Alexander Sängerlaub
    Alexander Sängerlaub · vor fast 4 Jahre · bearbeitet vor fast 4 Jahre

    Wenn man mit Menschen spricht, die bei der WELT fürs Digitale zuständig sind, dann hört man da schon lange nichts mehr zu Journalismus, sondern die machen sich Tag ein Tag aus Gedanken über Conversation-Rates und Klicks. Die Aufmerksamkeitsökonomie steht da klar vor dem Journalismus – auch bei denen, die redaktionell zuständig sind. Das sollte eigentlich – zumindest den Menschen, die in der Medienbranche arbeiten – bewusst sein. Damit ist es aber auch vergebliche Liebesmühe, sich immer wieder an Einzelfällen zu empören und abzuarbeiten.

    1. Maximilian Rosch
      Maximilian Rosch · vor fast 4 Jahre

      Ernüchternd. Und ärgerlich, finde ich. Dazu kommt: Wirklich zukunftsfähig ist diese Digitalstrategie in meinen Augen auch nicht. Clickbait für den schnellen Nachrichtenhunger, ich kann mir nicht vorstellen, dass es dafür langfristig eine Zahlungsbereitschaft gibt.

    2. Cornelia Gliem
      Cornelia Gliem · vor fast 4 Jahre

      ob sie WELT wirklich nur der internet bezogenen Aufmerksamkeitsökonomie verfallen sind - oder auch ihre Klientel im digitalen anders einschätzen als bei ihrer printVersion (= erstere sind im Vergleich zu zweiteren vereinfacher und aggressiver), das lasse ich mal dahingestellt.

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