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Literatur

DESERTEURE

DESERTEURE

SABINE SCHOLL
Autorin
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SABINE SCHOLLFreitag, 04.12.2020

Leichthändig verschränkt die österreichische Autorin Hanna Sukare in ihrem zweiten Roman „Schwedenreiter“ die persönliche Geschichte des gleichnamigen Protagonisten mit Problemlagen an seinem Kindheitsort zur Zeit des Zweiten Weltkriegs und Berichten seiner Suche nach historischer Wahrheit. Den Erzählkern bildet der sogenannte Sturm auf das Salzburger Dorf Goldegg im Juli 1944. Damals hatte die Gestapo eine Verfolgungsjagd auf Deserteure veranstaltet, in deren Folge 14 Personen ermordet und 25 in KZs deportiert wurden.

Anlass für Sukares Forschungen bildet eine Ortschronik, in der der Ich-Erzähler fehlerhafte Darstellungen des historischen Geschehens aufzufinden glaubt. Der im Dorf aufgewachsene und mittlerweile in der Stadt lebende Schwedenreiter wirft dabei einen anderen Blick auf die Vergangenheit als die vor Ort Gebliebenen. Diese Differenz eröffnet eine Diskussion über Deutungshoheiten: Wer hat das Recht, darüber zu urteilen, was damals geschehen ist? Der, der geblieben ist, oder der, der ging? Die Nachkommen der Opfer oder die der Täter?

Während also die Gegensätze Stadt/Land, Täter/Opfer den Erzählablauf strukturieren, arbeitet Sukare auf der Inhaltsebene mit Unterschieden zwischen einer in der Dorfchronik geschilderten Version des Vorfalls und einer in der Erinnerung der Nachkommen gespeicherten Darstellung. Einen Ausweg aus dem Dilemma kann nur die professionell durchgeführte historische Recherche bieten, welche der Protagonist als Privatperson und Betroffener leistet. Die offizielle Geschichtsschreibung bildet hierbei eine Leerstelle: Es existierte bislang keine Untersuchung von Historikern dazu. Schwedenreiter macht sich auf, diese Lücke mit Wissen zu füllen, da durch die Darstellung in der Chronik seine Vorfahren verleumdet werden. Sein Großvater war desertiert, die Mutter wurde deshalb ins KZ verbracht. Scham und Schande darüber wurden auf die Nachkommen übertragen und wirken bis in die Gegenwart nach. Die Entlastungsstrategie der Täterseite bestand darin, Deserteure als Schuldige darzustellen und nicht deren Verfolger.

Die Auseinandersetzung mit dem Lebenslauf eines Täters, des sogenannten Gebirgsjägers, hat aber mit der Zeit emotionale Auswirkungen. Dem Ich-Erzähler fällt es zusehends schwer, Distanz zu wahren, d. h. einerseits sachlich zu bleiben, andererseits aufsteigende Emotionen, wie Trauer, Angst, Wut zu unterdrücken. Möglicherweise wird es ihm nie gelingen, einen objektiven Bericht zu erstellen:

„Doch wie ich die Ereignisse aus dem politischen Leben des Gebirgsjägers reihe, was ich betone und was weglasse, welche Begriffe ich verwende und welche Wortstellungen, das ergibt wieder einen schwedenreiterisch gefärbten Bericht, ohne dass ich mir auch nur einen Kleinkommentar erlaube.“

Der Roman endet mit der Anbringung einer Gedenktafel für Deserteure auf dem Privatgrundstück von Schwedenreiters Kindheitshaus, eigentlich ein positiver Ausklang. Als Reaktion auf Sukares Buch entschloss sich Goldegg, die fehlerhafte Chronik nicht mehr zu verbreiten und durch einen professionellen Historiker überarbeiten zu lassen. Kurz nach dem Erscheinen des Romans 2018 wurde jedoch die reale und ebenfalls aufgrund privater Initiative angebrachte Gedenktafel mit grünem Lack verunstaltet. Die Täter bemühten sich dabei besonders, die Namen der zu Tode Gekommenen zu löschen. Bis heute wurden die Beschmierer nicht gefasst. Deshalb sind minutiöse Arbeiten an der Korrektur des historischen Gedächtnisses besonders in ländlichen österreichischen Gegenden, wie dieses Buch von Sukare, so wichtig.

Hanna Sukare: Schwedenreiter. Otto Müller Verlag, Salzburg 2018

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