Als Kind hatte ich ein Lieblingsgericht, es heißt Sauer-Scharf-Suppe. Mein Vater hat es oft für mich gekocht. Ich erinnere mich, wie er Karotten schnibbelte, Pilze hackte, Ei verrührte, alles in einen Wok gab, mehr als zehn Zutaten insgesamt. Minuten später hatte ich eine Suppe vor mir, die so komplex, so vielfältig schmeckte, dass der Name Sauer-Scharf-Suppe, der eine kindlich-naive Schlichtheit suggeriert, in Wahrheit eine Demütigung für jeden Hobbykoch ist.

Ich musste an diese Suppe denken, als ich Peter Richters Reportage aus dem SZ-Magazin las. Richter begleitet den Maler Daniel Richter (sie sind nicht verwandt) und der zeigt dem Reporter den ganzen Weg von einer weißen Leinwand bis zur Ausstellung – ein Prozess, der normalerweise im Verborgenen bleibt. Die Idee ist so einfach wie genial. Wie wird aus ein paar Pinselstrichen ein Bild? Wie wird aus Farbe und Leinwand, die einige Hundert Euro kosten, ein Werk, das Hunderttausende Euro wert ist? Wie schält sich aus den inneren Kämpfen des Malers ein Produkt für die Öffentlichkeit?

Auch der Text liest sich wie ein Gemälde: Manches leuchtet sofort ein, manches irritiert. Daniel Richter ist ein quirliger Typ und der Text saugt diese Quirligkeit auf. Richter erklärt Richter, wieso er nie mit der Palette vor der Leinwand steht. Was Pornos mit der Rolle der Türkei im Syrien-Konflikt zu tun haben. Wieso die Korrektur eines Pinselstrichs Betrug für ihn wäre. Und der Bogen zurück zur Suppe: Auch mit Kochen vergleicht Richter die Kunst. Was das Malen mit Hirschgulasch zu tun hat, das können Sie ja selbst lesen. 

Von Marvin Ku