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Zurückforschende Elefanten: Die Reihe Kleiner Brehm bei Engstler

Zurückforschende Elefanten: Die Reihe Kleiner Brehm bei Engstler

Monika Rinck
Autorin
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Monika RinckDonnerstag, 26.01.2017

„Später las ich, dass Elefantenforscher, wenn sie im ‚Feld‘ abends am Lagerfeuer zusammensitzen, gerne zur Gitarre greifen und Lieder singen. Ist eine Elefantenherde in der Nähe, kommen die Tiere leise näher und hören zu. Statt von Zuhören könnte man hierbei auch von einem Zurückforschen sprechen.“ So Helmut Höge in dem Bändchen „Elefanten“, das zu der Reihe Kleiner Brehm gehört, die seit einigen Jahren im Verlag Peter Engstler erscheint. Die Spatzen eröffneten die Reihe 2012, darauf folgten die Gänse, dann die Pferde, Schwäne, Hunde, Affen, Fische, Elefanten. Es seien noch weitere Ausgaben in Planung, sagte mir Peter Engstler und kündigte als vorläufigen Abschluss, irgendwann in der Zukunft, auch ein Bändchen zum Menschen an.

Jeder einzelne Band ist unterschiedlich. So unterschiedlich, wie Affen und Fische und Spatzen nun einmal sind, aber verbunden durch die besondere Aufmerksamkeit Höges, der sich den Relationen zwischen Mensch und Tier widmet, die auch gesellschaftlicher und politischer Natur sind. In den 60er Jahren arbeitete Höge im Bremer Tierpark als Übersetzer und Aushilfstierpfleger und sollte im Auftrag des indischen Großtierhändlers George Munro einen Elefanten nach Ostberlin expedieren, ihn, gemeinsam mit seinem Pfleger, in einem Güterwaggon begleiten. Die Fahrt sollte mehrere Tage dauern, was sich allerdings erst kurz vor der Abfahrt herausstellte und eine schwierige Proviantbeschaffung entlang der Bahnstrecke erforderlich machte: Wasser und Futter für den Elefanten, und für seine Pfleger. Kurz vor dem Ziel geriet der Elefantenwagen bei einem neuerlichen Rangiergeschehen an die falsche Lok und fuhr von Lichtenberg aus Richtung Norden. Doch irgendwann kamen sie dann in der Tat im Tierpark an. „In Gefangenschaft gehaltene Elefanten sind viel unterwegs.“ Nach einem Exkurs, wobei Exkurs vielleicht der falsche Begriff ist, denn all diese Bände sind ein Beieinander von Exkursen im Feld der tier-menschlichen Relationen, aber gut: nach einem Exkurs über die Geschichte der Elefantentransporte, schließt sich ein langes, sehr instruktives Interview mit dem Ostberliner Elefantenpfleger Patric Müller an.

In dem dritten Band der Reihe, der sich den Pferden widmet, beschreibt Höge wie er sich in den 70er Jahren entschließt, einem zweijährigen Pferd die Welt zu zeigen und sich selbst dabei als landwirtschaftlicher Betriebshelfer zu verdingen. Das Pferdebändchen ist der Bericht dieser Reise. „Eine Freundin gab mir ein Schreibheft mit auf den Weg, das ich als Tagebuch benutzte. Vorneweg ein Zitat von Theodor W. Adorno: ‚Der Gestus Münchhausens, wie er sich und sein Pferd am eigenen Schopf aus dem Sumpf zieht, wird zum Schema einer jeden Erkenntnis, die mehr sein will als bloßer Entwurf.‘ Es ging darum, der drohenden Atomisierung zu entkommen – der Vereinzelung, eine Pferde- statt der Ochsentour, eingedenk der Tatsache, dass früher dem die Welt gehörte, der ein gutes Pferd und eine Stunde Vorsprung hatte.“ So schreibt Höge zu Beginn.

Er legt dem Pferd zwar Satteltaschen um, doch er reitet nicht. Er führt das Pferd, wartet, wenn es grast und sieht sich mehr als einmal zu dem Versuch gezwungen, ein Flüsschen zu umgehen, weil das Pferd sich weigert, es zu überschreiten. Sie übernachten auf Höfen, bei befreundeten Wohngemeinschaften auf dem Land, und zuweilen auch in der erstbesten Pension. „Das Pferd bekommt eine leere Garage, ich ein schreckliches Doppelzimmer.“ Es ist die Zeit des „Deutschen Herbstes“, oft begegnet man den beiden mit Misstrauen. In Bilstein zum Beispiel fragt Höge in drei Pensionen an, bis ihm schließlich ein Bauer eine Herberge anbietet. „Das Pferd bekommt einen Stall mit Stroh und Wasser und Heu … ich mache mir neben ihm ein Bett aus Strohballen.“ Es geht weiter, und inzwischen vermisst der Pferdewanderer einen Kompass, den es aber in den dörflichen Läden nirgendwo zu kaufen gibt. Zuweilen reagieren die Betreiber der Pensionen sehr freundlich. „Das Pferd scheint das 'Entrée' zu überhaupt zu sein – ein trojanisches Pferd, das habe ich mir nicht gedacht.“

Höge macht auf dieser Reise viele Bekanntschaften, manchmal kann er vor Nettigkeit seiner Wirte kaum schlafen, er hilft bei der Ernte, im Stall, verdient etwas Geld, bespricht Konflikte der Modernisierung mit dem kranken Altbauern, lässt sich von anderen Pferden berichten, Reparaturen fallen an, Tagesgespräch ist immer und überall der Terrorismus, vor allem die Bauersfrauen begegnen ihm mit Misstrauen, rufen beim BKA an, um sich auf einem Tonband die Stimmen der Terroristen anzuhören, um sicherzugehen, dass es sich bei Höge nicht um einen Angehörigen der RAF in Begleitung eines Pferdes handelt, im Wald geht es sich besser als am Straßenrand, und oft will man ihn nach seinem Aufenthalt auf dem Hof gar nicht gehen lassen. „Wieder dieses seltsam traurige Gesicht des zurückbleibenden Mannes beim Abschied.“ Es geht weiter, durch die Eifel, an die Mosel. Und immer wieder Unterkünfte. „Ich wollte eigentlich bis Filz kommen, entdecke aber im Dorf ein Schild ‚Reiterhof‘. Dort gehe ich hin. Das Pferd bekommt sofort einen exquisiten Stall mit Blick auf die anderen Pferde. Ich bekomme an der Theke ein Bier und einen Korn für meine ‚Story‘.“ Dann kommt der Winter, die Aufenthalte auf den Höfen werden länger und es geht weiter.

Aber da ich nicht den ganzen Band nacherzählen möchte, breche ich hier ab und beschließe diese Empfehlung, die für alle Bände der Reihe Kleiner Brehm gilt, mit einer Passage aus Nummer 2: Gänse. Höge schreibt: „Einige Jahre besaß ich zusammen mit einigen Freunden auch eine kleine Gänseschar: einen Ganter und fünf Gänse. Sie waren nicht auf uns geprägt, wir hatten sie von einem Nachbarn gekauft. Die sechs weißen Hausgänse führten auf dem Hof in der Wesermarsch, wo wir Mitte der Siebzigerjahre lebten, ein relativ autonomes Leben. Sie erkundeten langsam und bedächtig das Dorf und die Wiesen drumherum. (..) An den Wochenenden besuchte uns oft ein Musiker aus der Stadt. Mit seiner 12-saitigen Gitarre setzte er sich in die Mitte des Hofes, wo früher der Misthaufen und nun ein Grashügel war. Während er leise anfing zu spielen, näherten sich ihm langsam die Gänse. Fast atemlos gruppierten sie sich im Halbkreis um ihn herum – die Hälse vorgestreckt. Ab und zu zogen sie sich zurück, steckten die Köpfe zusammen und zischelten leise. Es muss eine positive Äußerung über die Musik gewesen sein, denn gleich danach streckten sie ihre Hälse wieder vor und hörten weiter schweigend zu. Das war auf unserem Hof auch eigentlich die einzige Funktion, die sie hatten, dass sie den Musiker als ebenso dankbares wie aufmerksames Publikum bei Laune hielten. Er hatte sonst keine Auftritte. Es war eine Funktion, die die Gänse selbst entdeckt hatten, eine Art Bedarfslücke, um im ökonomischen Jargon zu bleiben, den wir auf dem Hof eintrainierten. Das sollte dort nämlich kein Hobby, sondern ein Landwirtschaftsprojekt sein bzw. werden. Wir gingen dabei jedoch nicht so weit, die Gänse zu schlachten."



Helmut Höge: Elefanten. Reihe Kleiner Brehm Nr. 7. Verlag Peter Engstler 2013.

Helmut Höge: Pferde. Reihe Kleiner Brehm Nr. 3. Verlag Peter Engstler 2012.

Helmut Höge: Gänse. Reihe Kleiner Brehm Nr. 2. Verlag Peter Engstler 2012.

Siehe auch: Hunde, Schwäne, Spatzen, Bienen, Affen, Fische – und alles was danach kommt. Im Frühjahr 2017 folgt: Rabenvögel.

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