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Medien und Gesellschaft

Mohamed presents: Die einzige aktuelle Studie zu Racial Profiling in Deutschland und Österreich

Mohamed Amjahid
Buchautor und Journalist

Reporter, Kurator, Autor für deutsche und internationale Medien. Studium der Politikwissenschaft/Anthropologie. Themen: Weiße Mehrheitsgesellschaft, MENA, Autokratien, Kapitalismuskritik, Feminismus und kritische Theorie.

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Mohamed AmjahidMontag, 06.07.2020

Viele Nichtweiße kennen das Problem zu gut: Sie werden anlasslos von der Polizei kontrolliert. Allein wegen ihrer Hautfarbe. Oft passiert das an Verkehrsknoten, auf der Straße, manchmal sogar in der eigenen Wohnung. Das deutsche Justiz- und das Innenministerium hatten sich nach den antirassistischen Protesten der vergangenen Wochen eigentlich darauf verständigt, zum Thema Racial Profiling eine wissenschaftliche Studie in Auftrag zu geben. Doch Heimatminister Horst Seehofer (CSU) hat sich umentschieden: Weil Racial Profiling verboten sei, könne es auch nicht existieren, also brauche man keine Studie. Fertig! Justizministerin Christine Lambrecht (SPD) will "mit dem Kollegen noch mal darüber sprechen".

Während weiße Entscheidungsträger*innen diskutieren, habe ich mir die wissenschaftliche Literatur zu Racial Profiling im deutschsprachigen Raum durchgelesen. Und siehe da: Es gibt eine empfehlenswerte Studie vom Juni 2020 zum Thema. Die Germanistin Clara Ervedosa von der University of Coimbra in Portugal hat sich mit der Stereotypenforschung im Zusammenhang mit dem sicherheitspolitischen Diskurs beschäftigt und in einem aktuellen Paper interessante Ergebnisse präsentiert. Ihr Text beginnt mit einem eindrücklichen Fallbeispiel aus Österreich:

In August 2017, a group of men with “südländischem Aussehen,” or “Southern looks” caused uproar among the residents of an Austrian village close to Salzburg. A massive police operation involving a helicopter and five patrol cars was set in motion by the residents’ alarm as they thought that the “Southerners” were refugees, the Austrian newspaper Der Standard reported. Upon arrival on the site, the police found out that the people with dark complexion were “just” scouts from France, camping on the edge of the forest near the village. With hindsight, the Angst and the enormous police effort that the mere sight of people with “Southern appearance” triggered appeared so disproportional that the newspaper chose the ironic title: “Pfadfinder lösen in Salzburg Flüchtlingshysterie aus” (Scouts in Salzburg trigger hysteria over refugees). As its closing punch line its author quoted the police’s state- ment to the press: “They were French. Thus, there were Southern guys (südländische Typen) among them.”

Schon an dieser absurden Episode wird klar, dass sich Ervedosa auf den Begriff "südländisch" konzentriert. Er steht dabei für eine sprachlich kodifizierte und rassifizierte Denkweise in Medienberichten, die sich aber auch in der Arbeit der Polizei widerspiegelt:

Such a negative reaction to “Southern looks” is no single episode, despite what the report’s anecdotal tone may suggest. A look at the neighboring country, Germany, with 20.8 million people with a “migration background” underscores the prevalence of discrimination based on skin color.

Ervedosa arbeitet methodologisch sauber und wissenschaftlich fundiert an einer Diskursanalyse zur Konstruktion des "Südländers". Ihre Forschungsfrage lautet wie folgt:

Why do “Südländer” in general pose such a threat? What do the terms “Südländer” and “Southern looks” mean? What is a “Südländer” at all?

Die Analyse nimmt die genutzte Sprache in mehreren Tageszeitungen unter die Lupe (vor allem Bild, Welt und Berliner Zeitung). Das Presseportal Blaulicht, auf dem die Mitteilungen der deutschen Polizeien gesammelt werden, dient als Datengrundlage:

The high frequency of use of the category “Südländer” in police reports raises the question of why the category often turn up in this context and what the police intends with it, which is the primary reason I focus on them here. Police reports are, further, an expression and reflection of collective knowledge and language usage.(...) On the top of this, the police are one of the most powerful German institutions in real and symbolic terms. Police power is not only linguistic, embodied in knowledge and “regimes of truth,” as Foucault describes it. (...) the indication that the perpetrator is a “Südländer” ends up operating as a physical marker of non-Germanness or at least not “real” Germanness, although this is not said explicitly.

Diese Studie zeigt wie "der Südländer" diskursiv als kriminell und nicht-deutsch konstruiert und deswegen anlasslos von der Polizei kontrolliert wird. Racial Profiling existiert – wissenschaftlich erwiesen. Weitere qualitative und quantitative Studien könnten zeigen, wie groß das Problem in der deutschen Praxis ist. Aber lassen wir erst mal "die Kollegen" in der Bundesregierung reden.

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Kommentare 2
  1. Cornelia Gliem
    Cornelia Gliem · vor mehr als 3 Jahre

    letztendlich ist "südländisch" die codierte Form für "ausländisch aussehend" - und sicher z.T. Auch genutzt als Verlegenheitslösung weil die Polizei nicht weiß wie es sonst formulieren... und südländisch für weniger diskriminierend haltend... und dabei bemerken wir nicht - was zugegebenermaßen sogar auf mich doch logisch klingt, dass man doch das Aussehen irgendwie bezeichnen müsse - dass man meistens gerade NICHT das aussehen überhaupt erwähnen müsste weil irrelevant.
    (außer man wolle erwähnen dass etwa die Anwohner die Personen für verdächtig gehalten hatten wegen des aussehens bzw. die Polizisten...).

  2. B D
    B D · vor mehr als 3 Jahre

    Vielen Dank. Irgendwie denke ich da an die "Nafri-Silversternacht"

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