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Die Methoden des Panik-Journalismus

Michaela Haas
Reporterin. Autorin. Kolumnistin.
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Michaela HaasSonntag, 24.10.2021
Kennt ihr die Geschichte von der amerikanischen Oma, die sich bei McDonald's mit heißem Kaffee verbrühte und dafür 3 Millionen Dollar Schadensersatz bekam? Natürlich kennt ihr die, schließlich tauchte sie unzählige Male in den Medien auf – obwohl sie nicht stimmt.

Kennt ihr die Geschichte von der illiberalen Cancel Culture, die Andersdenkende ausschließt, ihre Reden boykottiert, ihre Bücher verbannt und alle auf die Woke-Linie zwingen möchte? Natürlich kennt ihr die, schließlich wird sie auch in deutschen Feuilletons unermüdlich wiederholt.

Die ehemalige New-York-Times-Autorin Bari Weiss hat gerade in der Welt die "Hexenjagd des 21.Jahrhunderts" und "Botschaften einer totalitären Gesellschaft" angeprangert, denen sie angeblich selbst zum Opfer fiel. Jan Fleischhauer beklagt mutig im Focus linken Antisemitismus, denn das wird man ja wohl noch sagen dürfen. Selbst Johnny Depp stilisiert sich als Opfer der Cancel Culture, weil das halt ein viel bequemerer Begriff ist, als sich den Gewaltvorwürfen seiner Ex-Partnerinnen zu stellen. Undsoweiter, undsoweiter.

Immer, wenn ich wieder einen Beitrag lese in den deutschen Feuilletons, wie gefährlich die illiberale linke Cancel Culture ist, werde ich an den hier gepiqden Artikel von Michael Hobbes verweisen. Er nimmt sich nämlich einige der meistzitierten Beispiele und bekanntesten Artikel vor und zerlegt sie fachmännisch wie ein Metzger das Schwein.

Unter anderem etwa dieses Zitat, das sich natürlich auch bei Bari Weiss und in fast jedem Cancel-Culture-Artikel findet:

Eine kürzlich durchgeführte CATO-Studie ergab, dass 62 Prozent der Amerikaner Angst haben, ihre wahren Ansichten zu äußern.

Die armen Amis! Wenn man sich die "Studie" des sehr konservativen CATO-Insituts tatsächlich anschaut, bleibt von der kernigen Aussage wenig übrig. Ist ja auch recht lustig, dass all die Autoren, die angeblich soviel Angst haben, ihre wahre Meinung zu sagen, dies in renommierten Blättern wie der New York Times oder vor einem Massenpublikum im Fernsehen tun dürfen.

The American right represents a far greater authoritarian threat than the American left. It’s hard to find a single elected Democrat who supports asking Trump administration officials to leave a restaurant, much less censorship, book burning or Nazi-punching.

And yet, the pundits who have published dozens of near-identical “illiberal left” stories over the last five years would like us to believe that this far-fetched, slipperiest-slope-imaginable scenario warrants almost as much attention as the authoritarian creep that is already happening.

Die Methoden des Panik-Journalismus

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Kommentare 6
  1. Omar Adam Ayaita
    Omar Adam Ayaita · vor mehr als 2 Jahre

    Es ist deutlich ungefährlicher, rassistische Aussagen zu tätigen, als am "falschen" Ort mit der "falschen" Hautfarbe unterwegs zu sein. Das gilt für die USA ebenso wie für Deutschland.

  2. Michaela Haas
    Michaela Haas · vor mehr als 2 Jahre · bearbeitet vor mehr als 2 Jahre

    Lieber Markus, ich stimme dir auch zu. Ich sage auch kaum noch meine Meinung in den sozialen Medien, vor allem zu kontroversen Themen. Das liegt aber daran, dass ich keine Lust habe, von Trollen und Bots angefeindet zu werden, nicht daran, dass es Denkverbote und Totalitarismus gäbe. Für eine echte Diskussion sind soziale Plattformen wie FB und Twitter einfach ungeeignet. Für mich sind das aber zwei verschiedene Dinge: Das eine sind die Auswüchse auf den sozialen Plattform, deren Algorithmus ja auch das Schüren von Hass und Angst verstärkt. Das andere ist, dann von "Totalitarismus" zu sprechen, denn das trifft einfach in unseren Breitengraden nicht zu. Auf einer kuratierten Plattform wie piqd, zum Beispiel, teile ich gerne Meinungsstücke und kommentiere auch, weil wir hier sachlich und respektvoll diskutieren.

    1. Marcus von Jordan
      Marcus von Jordan · vor mehr als 2 Jahre

      ...aber ob man es so ganz trennen kann? Ich weiß es wirklich nicht...

      Das was auf social media passiert ist ja häufig auffällig losgelöst, von dem was sonst passiert. Immer wieder laufen monströse Empörungswellen durch gerade Twitter und werden außerhalb gar nicht wahrgenommen, bzw. gibt es halt eine kleine Meldung in anderen Medien dazu. Andererseits ist das ja kein Paralleluniversum, sondern es ist ein Teil unserer echten Öffentlichkeit. Es beeinflusst Menschen und zwar zunehmend. Es verändert, was wir sonst so sagen, was wir denken und auch was wir tun und lassen. Wird ja kaum jemand anzweifeln, dass das ein Problem ist, wenn es um rechten Hate geht. Ich habe Glück und das betrifft mich eigentlich nie persönlich, aber willfährige, linksliberale Correctness betrifft mich schon. Ist ja meine Bubble. Beifallshaschende Buzzwords, total vorhersehbare Empörung, aufmerksamkeitswirksame, häufig auch völlig überzogen harte Kritik an anderen zur offensiven Barstellung der eigenen Besserartigkeit, impulsive, massenhafte Zustimmung und Ablehnung - ja klar, das macht alles noch keinen Totalitarismus, aber gut für die Debattenkultur ist es, mal vorsichtig gesagt, nicht.

      Kurzum: wenn eine Mehrheit das Gefühl hat, sich nicht frei äußern zu können, dann ist das doch Grund genug, sich damit zu befassen, warum das so ist und zu verstehen, was in dem Zusammenhang hilfreich und was toxisch ist. Denn die, die das Gefühl haben, für die ist das real und sie werden entsprechend handeln, reden und wählen.

      ...aber ich habe gar nicht die Idee, dass ich das Thema schon völlig durchdrungen hätte.

  3. Cornelia Gliem
    Cornelia Gliem · vor mehr als 2 Jahre

    Völlig richtig; auch was unten Markus sagt. ..
    Allerdings halte ich - gerade argumentativ in Alltagsgesprächen - es für ungemein wichtig, auf die Unterscheidung hinzuweisen: Meinungs- und Äußerungsfreiheit vs "Freiheit" keine gegenReaktion und Antwort darauf zu bekommen.

  4. Marcus von Jordan
    Marcus von Jordan · vor mehr als 2 Jahre

    ich bin einerseits eigentlich eh deiner Meinung...
    aber andererseits verdrängt das schon ein Phänomen: die aufmerksamkeitsgeile, willfährige Meute im social web. Klar kann und darf jeder sagen, was er will. Klar wird das ständig von den Falschen als Ausrede missbraucht. Aber 62%? Und ich wette, der Wert wäre nicht groß anders in Deutschland. Woher das? Ich glaube daher, dass ich/man zwar sagen darf und kann, was ich will, aber es regelmäßig nicht mache, weil ich weder Zeit noch Lust habe auf die verkürzte, aggressive, anklagende, unversöhnliche, totale und diskursverachtende Reaktion im Netz. Und das höre ich wirklich viel - gerade jetzt hier auf der Buchmesse und im Kontext mit den Boykotten. An der Stelle kommt dann gerne die Entgegnung, dass man halt auch Kritik aushalten muss, wenn man dumme oder falsche Sachen sagt. Aber das "wie" führt schon teilweise dazu, dass nicht mehr im Detail diskutiert wird, was falsch und dumm ist.

    1. Gabriele Feile
      Gabriele Feile · vor mehr als 2 Jahre

      Mostly agreed. Wobei: Es ist auch eine Meinung, etwas als "dumm" zu bezeichnen. Und etwas als "falsch" zu bezeichnen ja auch. Es hängt immer vom eigenen Blickwinkel ab. Und von vielen anderen Dingen. Ich befürchte, dass wir erst am Anfang stehen und wir alle sehr viel lernen dürfen, was den Austausch zwischen Menschen betrifft.

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