Anlässlich einer großen Einzelausstellung von Laurie Anderson in Washington ist es derzeit möglich, ältere Videoarbeiten der Künstlerin zu sehen. Die Arbeiten mit dem Titel "Personal Service Announcements" wurden 1989 im Musikfernsehen auf VH-1 und MTV gezeigt und griffen wichtige Themen der damaligen Zeit auf. Anderson hält darin Monologe über so unterschiedliche Themen wie die Gehälter von Frauen, Militärausgaben und die Staatsverschuldung. Ich habe sie heute Morgen angeschaut und dachte, hm, so richtig viel hat sich nicht geändert. 

Man kann sich aber auch die absolut atemberaubenden, aber leisen aktuellen Arbeiten (Norton Lectures) von Anderson 2021 auf YouTube ansehen: Spending the War Without You: Virtual Backgrounds. Sie wurden von Anderson für das Mahindra Humanities Center der Harvard University produziert. Dort hätte sie ohne die Pandemie die Charles Eliot Norton Professur für Poetry innegehabt. Stattdessen sind diese tollen Videos entstanden. The River ist die erste Folge einer Serie von sechs Videos, die nur so von kleinen Weisheiten, Musik, ihren Erfahrungen und ihrem Wissen, Sprachkunst, Humor und tröstlichen Hinweisen strotzen. Ja, tröstlich und spirituell – ihr gelingt allerdings das Kunststück ohne endgültige Antworten, ohne abgenutzte Selfhelp-Begriffe, Kitsch, Esoterik und Pathos im Gepäck, zu vermitteln, was ein aufmerksameres Leben beinhalten könnte. Laurie Andersons Sprache, die Art wie sie über die Welt spricht, ist klar und warm. Ich empfehle diese Folge als Einstieg für alle "looking at the challenges we face as artists and citizens as we reinvent our culture with ambiguity and beauty." Trotz des Krieges, trotz aller Krisen.

Wer Anderson nicht kennen sollte ----

Sie verbindet in ihrer künstlerischen Arbeit Avantgarde mit Populärkultur. Ihre Arbeiten kombinieren eine Vielzahl von Medien, darunter Performance, Musik, Poesie, Skulptur, Malerei, Oper, anthropologische Untersuchungen und Sprachspiele. Als bildende Künstlerin wurde Anderson im Guggenheim Museum, in SoHo und in ganz Europa ausgestellt, unter anderem im Centre Pompidou in Paris. Laurie Andersons Ruhm beruht auf ihren ausgefeilten, verfremdeten Sprechtechniken, die sie selbst als "Audio-Drag" bezeichnet. Sie jagt ihre Stimme durch einen Filter oder Vocoder, pitscht ihre Stimme oder vervielfacht sie, bis sie wie ein künstlicher Chor klingt. In "O Superman", ihrer ersten Single, die 1982 unerwartet auf Platz 2 der britischen Charts einstieg, und bis heute der ungewöhnlichste Avant-Pop-Chart-Hit geblieben ist, sind all diese spielerischen Verfremdungseffekte schon zu hören.