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Medien und Gesellschaft

Minderheiten – wer ist das denn eigentlich?

Malcolm Ohanwe
Journalist (Hörfunk, Fernsehen & Online)
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Malcolm OhanweSamstag, 27.03.2021
Der*die politische Geograf*in Sinthujan Varatharajah und die Künstlerin Moshtari Hilal schaffen es mit ihren in manchmal mehr, manchmal weniger regelmäßigen Abständen erscheinenden Instagram-Live-Gesprächen so unglaublich dicht wahnsinnig spannende Informationen, Gedanken und Dilemmata zum Thema Identität zu präsentieren, diskutieren und auch zu verhandeln. Als Zuschauer merke ich, dass die beiden sich A) lange auch akademisch und privat mit der heutigen Welt als Zusammenspiel diverser postkolonialer Gesellschaften auseinandergesetzt haben und B), dass sie sich aber dennoch für jeden Talk sehr krass reinarbeiten und so mit einer genialen Mischung aus einzelnen Anekdoten und recherchierten Fakten brillieren.


Ich würde von mir selbst behaupten, dass ich ziemlich tief drinnen bin, wenn es um deutsche Identitäts- und Rassismus-/Sexismus-Diskurse geht, sodass ich mittlerweile dieser Gespräche und Formate überdrüssig bin, weil ich selten etwas super Neues mitnehme. Aber bei diesem Format ist es anders. Ich kommentiere immer rege und interagiere, weil mir der Austausch von Moshtari und Sinthujan richtig was bringt. 

Für ihren Terminus "Menschen mit Nazi-Hintergrund", für Leute, die seit genug Generationen deutsche Vorfahren haben, dass man davon ausgehen muss, dass in ihnen sehr polemisch gesagt Nazi-Blut fließt, haben sie eine Menge Gegenwind und Hass bekommen. Die ganze Debatte zusammengefasst und eine Stellungnahme zu dem medialen Hin und Her, ob der Begriff für autochtone deutsch-deutsche Menschen nun in Ordnung sei, gibt es bei den Kolleg*innen von Zeit Online.  

Mir persönlich hat es ein anderes Thema und eine andere Folge angetan und zwar der Talk: "Von grauen Wölfen und „falschen“ Minderheiten – Transnationale Konflikte & Mehrheiten / Minderheiten im Kontext"

In der Runde erzählen sie anschaulich, warum „BIPoC“ (Schwarze, Indigene und andere Menschen of Color; ergo Leute, die nicht als weiß gelten) selbstverständlich untereinander viel mehr Unterschiede haben als Gemeinsamkeiten. Moshtari und Sinthujan zeigen, dass es innerhalb dieser Identitäten und Zuschreibungen wahnsinnig viele Gräben gibt. Die Eltern von Moshtari und Sinthujan kommen jeweils aus Afghanistan und Sri Lanka, das heißt aber nicht, dass sie viel gemeinsam haben mit anderen Menschen und deren Nachfahren, die aus den selben jeweiligen Ländern stammen und in Deutschland leben. Denn genauso wie Deutschland samt seiner vier offiziellen Minderheiten (friesische, dänische und sorbische Menschen sowie die deutschen Sinti & Roma) ein Multi-Kulti-Land ist, sind es andere Staaten erst recht und die haben auch ihre eigenen rassistischen Hierarchien und Konflikte, die, wie es der Titel des Talks schon sagt, transnational weitergeführt werden. 

Der*die tamilische Sinthujan gilt in Deutschland als Minderheit, aber auch in dem Land der Eltern, da tamilische Menschen von der singhalesischen Bevölkerung des Insel-Staats Sri Lanka gewaltvoll gemaßregelt werden. Aus diesem Grund macht er*sie eine Trennlinie auf zwischen zum Beispiel Deutsch-Tamil*innen und Deutsch-Singhales*innen und deswegen lehnt er*sie auch kollektive südasiatische Identitäten wie "Desi" oder "Brown" ab. Er*sie ist Tamilisch. Wenn man das als Teil einer global nationalstaatenlosen ethnischen Identität nicht so beim Namen nennt, geht man in Mehrfach-Unterdrückung unter, befindet er*sie. Denn die sri-lankische Botschaft in Deutschland sei vielleicht für Singhales*innen ein Ort der Repräsentanz, für tamilische Menschen repräsentiert sie aber autoritäre Vernichtung. 

Dieses Problem gibt es auch mit der von außen oft als türkischen Community bezeichneten Gruppe, der Menschen, die (Groß-)eltern aus der Türkei haben. Viele von ihnen sind Teil der unterdrückten kurdischen Minderheit oder sind zum Beispiel türkische Roma oder türkische Araber*innen. Wenn man etwa deutsche Integrationsgelder an türkische Verbände gibt, befördere man oft auch suprematistische Strukturen, die gegen Türkei-bezogene Minderheiten sind. Rechtsextreme Gruppen wie die türkischen Grauen Wölfe würden legitime Anliegen, wie anti-türkischen Rassismus der deutschen Mehrheitsgesellschaft nutzen, um für ihre faschistische Agenda Legitimation zu bekommen. 

Das Krasse ist, die Grauen Wölfe sind wohl vor allen autochtonen deutschen Nazi-Vereinen der größte rechtsextreme Verbund in ganz Deutschland. Wenn man also innerhalb der Minderheiten nicht unterscheidet, könne man blind werden für solche Probleme, erläutern die beiden. 

Sehr spannende Runde. 

Minderheiten – wer ist das denn eigentlich?

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Kommentare 14
  1. Cornelia Gliem
    Cornelia Gliem · vor 3 Jahren

    was auf jeden Fall nicht vergessen werden darf: Ausländer°innen und Personen "mit Migrationshintergrund" sowie Poc sind unterschiedlich. ich werde nie vergessen wie überrascht ich als Kind war dass unsere nette spanische Nachbarin über die türkischen Gastarbeiter herzog. und im Grunde heute noch wenn Menschen die ich als freundlich und anständig 'kenne' (die selbst migrationshintergrund haben), kein Verständnis etwa für Geflüchtete etc. zeigen. Aber ja es ist verständlich wenn man bedenkt dass 1. auch Minderheiten selbst diskriminieren können und 2. eben ausländisch-sein keine Spezies ist. ..
    banal aber wichtig.

  2. Cornelia Gliem
    Cornelia Gliem · vor 3 Jahren · bearbeitet vor 3 Jahren

    Ich finde ... interessant wie intensiv Menschen mit "deutschen" Vorfahren aktuell auf das "mit Nazihintergrund" reagieren (ich war etwa zunächst auch schockiert. und beleidigt). Natürlich möchten wir nicht auf Nazis reduziert werden, vorallem nicht heute. Und natürlich ist es zt kontraproduktiv wenn man einen der Teil der Leute vor den Kopf stößt die eigentlich auf der eigenen Seite sind. ABER genau darum geht es ja. Viele unserer Bezeichnungen für Poc für Menschen mit Migrationshintergrund etc. sind genau so. und ehrlichgesagt: auch wenn das mit dem Nazihintergrund einen bissl anderen Fokus hat als das mit dem migrationshintergrund (=politisch vs Aus/Inland), so ist er doch für alle ein-geborenen Menschen in Deutschland zutreffend, ja selbst für die Nachfahren von Widerstandskämpfern oder KZ-Opfern. WEIL die Nazis der ... Hintergrund all dessen sind.

  3. Thomas Wahl
    Thomas Wahl · vor 3 Jahren

    Das „BIPoC“ (Schwarze, Indigene und andere Menschen of Color; ergo Leute, die nicht als weiß gelten) "selbstverständlich untereinander viel mehr Unterschiede haben als Gemeinsamkeiten. Moshtari und Sinthujan zeigen, dass es innerhalb dieser Identitäten und Zuschreibungen wahnsinnig viele Gräben gibt" , ist sicher eine wichtige Erkenntnis. Nun brauchen wir nur noch (sehr polemisch gesagt) zu klären, das auch unter Afrikanern Menschen mit Sklavenfänger- und Sklavenhalterblut sind und das es innerhalb und zwischen Schwarzen, Braunen, Gelben und Weißen Gemeinsamkeiten und viele Unterschiede gibt, dann - vielleicht - gibt es sowas wie einen Diskurs ....

    1. Malcolm Ohanwe
      Malcolm Ohanwe · vor 3 Jahren

      Kannst ja den Begriff „Menschen mit Versklavungshintergrund“ etablieren!

    2. Thomas Wahl
      Thomas Wahl · vor 3 Jahren

      @Malcolm Ohanwe Bringt uns das wirklich weiter? Obwohl, vielleicht macht das die Komplexität, die Widersprüchlichkeit und Verrücktheit von Menschen und ihrer Geschichte deutlich ....

    3. Malcolm Ohanwe
      Malcolm Ohanwe · vor 3 Jahren

      @Thomas Wahl So eine spitze Formulierung kann ein viel wichtigeres Gespräch loslösen als die Bezeichnung selbst. Darum ging es bestimmt auch Sinthujan & Moshtari.

    4. Thomas Wahl
      Thomas Wahl · vor 3 Jahren

      @Malcolm Ohanwe Ok, in einer "wohlmeinenden" Atmosphäre, zwischen Menschen, die sich letztendlich/grundsätzlich schätzen und vertrauen, kann das funktionieren. Nur in der gegenwärtigen Stimmung jetzt?

  4. Kommentar entfernt
    Kommentar entfernt · vor 3 Jahren · bearbeitet vor 3 Jahren

    Dieser Kommentar wurde gelöscht.

    1. Marcus von Jordan
      Marcus von Jordan · vor 3 Jahren · bearbeitet vor 3 Jahren

      Krass! In meinen Adern fließt Naziblut! Echt jetzt? Wenn da so polemisch ist (indeed- und ziemlich bekloppt), warum schreibst du es?

      Und wirklich klasse Empfehlung...Yvonne und Max wollen mit Moshtari Hilal reden wegen Kuratorenschaft hier.

    2. Malcolm Ohanwe
      Malcolm Ohanwe · vor 3 Jahren

      @Marcus von Jordan Ja das war eine sehr polemische Formulierung um den Charakter der aufgeheizten Debatte einzufangen.

    3. Marcus von Jordan
      Marcus von Jordan · vor 3 Jahren

      @Malcolm Ohanwe Debatte bissi anheizen um zu zeigen wie sie aufgeheizt sie ist? Sry - versteh ich immer noch nicht.

    4. Malcolm Ohanwe
      Malcolm Ohanwe · vor 3 Jahren

      @Marcus von Jordan Nein. Ich dokumentiere die Schlagkraft der Diskussion, ich trage nicht aktiv dazu bei. Ich bilde ab, was impliziert wird.

    5. Marcus von Jordan
      Marcus von Jordan · vor 3 Jahren
    6. Jasmyn Kilian
      Jasmyn Kilian · vor 3 Jahren

      @Marcus von Jordan Meron Mendel hat sich meiner Meinung nach gut zu dem „Nazihintergrund“ geäussert....Ich finde es spannend wenn der Diskurs in „Wie Du mir, so ich Dir“ Richtung schwenkt. Erinnert an Ableger des Feminismus der 80iger, als Frauen noch krasser scheisse als Männer auftreten wollten. Ich bin zuversichtlich, dass wir so viele Label für Menschen finden werden, sodass der Diskurs des eigentlichen Themas komplett undurchdringlich wird...Ein Diskurs hängt sich gerade an den Hintergründen auf, wobei das Vordergründige komplett aus den Augen verloren wird.

    7. Marcus von Jordan
      Marcus von Jordan · vor 3 Jahren

      @Jasmyn Kilian ja...ich will das nicht für mich...steige da aus.

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