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Wie eine Elite-Uni sich gegen ihre Vorzeigestudentin wandte

Lars Hauch
Researcher. Schwerpunkte: Mittlerer Osten, insbesondere Syrien.
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Lars HauchFreitag, 01.04.2022

Beim Lesen des gepiqden Artikels habe ich mich dabei erwischt, wie ich mich fragte: „Was ist, wenn Mackenzie wirklich lügt?“ Im Hinterkopf hatte ich eine Geschichte, die sich in meiner Schulzeit zutrug. Es ging um heftige Gewaltanwendung innerhalb der Schule, die sich schließlich als vom Opfer inszeniert herausstellte — so lautet zumindest die mir bekannte Version. Ich habe ein ziemlich bürgerliches, ‚gut gestelltes‘ Gymnasium besucht und erinnere mich an die Stimmung, die damals den Fall begleitete: "Wie kann denn sowas hier passieren?"

Die Geschichte von Mackenzie spielt sich in einem ungleich elitäreren, statusbeladeneren Umfeld ab. Mackenzie ist die Tochter von Carrie Morrison, einer angesehenen Ärztin in St. Louis. Dort besucht sie Whitfield, eine teure Privatschule. Mackenzie ist eine Vorzeigeschülerin.

In ihrer Highschool-Zeit fallen LehrerInnen und MitschülerInnen Verletzungen auf. 2014 landet Mackenzie mit einer Kopfverletzung in dem Krankenhaus, wo ihre Mutter arbeitet. Sie sei die Treppe runtergefallen und erinnert sich an nichts, heißt es in den Akten. Und: „Sie erscheint verängstigt“.

In ihrem Tagebuch, das der Artikel auszugsweise wiedergibt, versucht Mackenzie, sich einen Reim auf das Geschehene zu machen. Sie wägt ab, ob es lohnt, sich jemandem anzuvertrauen. Ihre schillernde Mutter scheint ihr unverwundbar. Sie habe ein beachtliches Talent, Menschen zu manipulieren. „Sie lügt besser, als ich die Wahrheit erzählen kann“, schreibt Mackenzie.

Kurz darauf kommt sie mit einem blauen Auge in die Schule. Eine Lehrerin fragt, was los sei. Mackenzie erzählt, was ihre Mutter ihr aufgetragen hat: Sie sei auf eine Tischkante gefallen. Die Lehrerin wird misstrauisch und informiert die Sozialfürsorge. Eine Sachbearbeiterin besucht das Haus der Morrisons, Mackenzie wiederholt die Tischkanten-Geschichte, es wird kurz freundlich geschnackt, dann verabschiedet sich die Sachbearbeiterin. Case closed.

Fortan hat Mackenzie noch mehr Angst. Sie überlegt wegzulaufen, weiß aber nicht wohin. Dass der Partner ihrer Mutter, ein ehemaliger Bodybuilder namens Lovelace, Carrie zum Geburtstag eine Waffe schenkt, verbessert die Situation nicht gerade. Lovelace hat Mackenzie mehrfach sexuell missbraucht, führt Mackenzie in ihrem Tagebuch aus. Als sie davon ihrer Mutter erzählt, wiegelt die bloß ab und meint amüsiert, dass Lovelace sie und ihre Mutter wohl verwechselt habe. Lovelace weist die Vorwürfe von sich.

Als Mackenzie eines Tages mit blutigem Gesicht in der Schule auftaucht, wird die Polizei alarmiert. Mackenzie kommt wieder ins Krankenhaus. Der Polizei erzählt sie, wie ihre Mutter sie schwer verprügelt hat — die Mutter streitet alles ab. Ein Ermittler der Sozialfürsorge notiert, die Mutter habe sich weder erkundigt, wie es ihrer Tochter gehe, noch anderweitig Emotionen gezeigt. Stattdessen vermutet sie, Mackenzie habe sich wohl selbst verletzt.

Darauf folgt ein Marathon von Ermittlungen, Verhören und Bürokratie. Mackenzie kommt in eine Pflegefamilie. Ihre Mutter telefoniert herum und verbreitet ihre Version der Geschichte. Dabei verhält sie sich ziemlich perfide. Sie engagiert einen Anwalt, dessen Sohn ein Klassenkamerad von Mackenzie ist und der einen Platz im Kuratorium von Whitfield, der Privatschule, besetzt. Mackenzie fühlt sich daraufhin beobachtet. Immerhin könnte jedes auffällige Verhalten gegen sie verwendet werden.

Bevor der Fall vor Gericht geht, wird die Anklage gegen die Mutter plötzlich fallengelassen. Gleiches gilt für die Anklage gegen Lovelace. Angeblich gebe es keine hinreichenden Beweise. Mackenzies Spanischlehrerin kommentiert, zu diesem Zeitpunkt war ein gewisses Klima von „Genug davon, back to normal“ zu spüren. Der Fall habe der prestigereichen Gesellschaft nicht gepasst.

In all dem Wirrwarr schafft Mackenzie es, erfolgreich zu studieren. 2021 bewirbt sie sich für ein angesehenes Rhodes-Stipendium, um einen Doktor in Oxford zu machen. Das haut sogar hin. Das Stipendium richtet sich an StudentInnen, die als Erste in ihrer Familie einen akademischen Weg einschlagen. Mackenzie bejaht das in Absprache mit relevanten Stellen, schließlich hat sie mittlerweile ihren Nachnamen geändert und tut alles, um ihre Familie hinter sich zu lassen. Doch das fällt ihr etwas später auf die Füße, als ihre Vergangenheit publik wird. Es beginnt ein unwürdiges Hickhack von Ermittlungen, Verhören und Drohungen. Involviert sind, natürlich, wieder ihre Mutter, aber auch eine Reihe von Repräsentanten der elitären Bildungseinrichtungen, die gar nicht begeistert sind, dass die PR-taugliche Titelstory von „Junge Frau aus bildungsferner Familie startet durch“ etwas komplizierter wird.

Im Gespräch mit dem Autor des Textes sagt Mackenzie etwas, das uns als Individuen und Gesellschaften allesamt betrifft:

There have been moments of almost panic where I am just cognitively questioning myself, like, ‘Did I misremember something?’ It’s easy to slide back into that state, because I want anything other than the reality—that it is my bio family who has caused so much harm—so I will do backflips to try to make it not true.

Und in ihrem Tagebuch heißt es: 

You start to think that maybe you had it wrong and that maybe it actually did happen the way that they say it did. And then you just throw away the real memory, the true one, and replace it with the one that they have fed you a million times, until that is the only thing you can remember.

An diesem Punkt mache ich Schluss mit der Zusammenfassung. Wer bis hierhin durchgehalten hat, liest vermutlich gern das Original weiter. Wenn ihr Zeit sparen möchtet, springt direkt zu folgendem Absatz — bis dahin seid ihr einigermaßen auf dem Laufenden: „Mackenzie was admitted to the University of Pennsylvania with a full scholarship, facilitated by QuestBridge“.

Wie eine Elite-Uni sich gegen ihre Vorzeigestudentin wandte

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