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Kalif ohne Kalifat: Die neue Nummer Eins des IS

Lars Hauch
Researcher. Schwerpunkte: Mittlerer Osten, insbesondere Syrien.
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Lars HauchSonntag, 18.04.2021

Über den neuen Anführer des Islamischen Staates (IS) war bisher wenig bekannt. Feras Kilani war im Irak unterwegs und erzählt die Geschichte des neuen Kalifen auf Grundlage von Gesprächen mit IS-Häftlingen und seinen Touren mit Anti-Terror-Einheiten.

Warum die Zukunft des IS wichtig ist? Weil die Organisation lebt. Oft finden sich in den Medien Formulierungen wie „der IS ist im Felde geschlagen“ oder „militärisch besiegt“. Na ja. Die territoriale Herrschaft gehört tatsächlich der Vergangenheit an. Andererseits verfügt der IS nach Schätzungen des Pentagons noch über 10.000 Kämpfer, die in Syrien und dem Irak frei herumlaufen. Hinzu kommen Zehntausende Häftlinge, die nicht ewig eingesperrt bleiben können. Außerdem hat der IS Geld gebunkert und ist hervorragend vernetzt. Kein Wunder nach über 20 Jahren, in denen er und seine Vorgängerorganisationen ein mafiaartiges Netzwerk aufgebaut haben.

Um es anhand eines Beispiels konkret zu machen: 2020 verübte der IS in Assad-Gebieten Syriens mindestens 286 Angriffe und tötete dabei 432 Pro-Assad-Kämpfer und 42 Zivilisten.

Aber zurück zum neuen Kalifen, Abdullah Qardash: Nach Kilanis Recherchen wurde Qardash 1976 im Nordwesten Iraks geboren. Sein Vater war Muezzin. Qardash studierte Theologie und verließ die Uni im Jahr 2000 mit Auszeichnung. Es folgte der obligatorische Militärdienst. In dieser Zeit soll Qardash sich einer bewaffneten Gruppe angeschlossen haben. Die Nachfolgeorganisation dieser Gruppe schwor 2004 Al-Qaeda die Treue.

Qardash studierte weiter, während er in Al-Qaedas Hierarchie aufstieg. Er machte seinen Abschluss und predigte in der gleichen Moschee in Mosul, in der einst sein Vater aktiv war.

Anfang 2008 wurde Qardash dann von US-Kräften verhaftet und im berüchtigten Camp Bucca inhaftiert. Dort saßen dermaßen viele spätere IS-Führungspersönlichkeiten ein, dass man das Haftlager eher als Partnerbörse beschreiben könnte.

2009 zogen die USA einen Teil ihrer Truppen ab. Qardash wurde zu dieser Zeit aus der Haft entlassen. Warum genau, ist unklar. Nach seiner Haftentlassung machte er zumindest weiter, wo er aufgehört hatte.

Der eskalierende Krieg in Syrien und die Spannungen im Irak verhalfen dem IS in der Folgezeit zum Aufstieg.

Laut Aussage eines inhaftierten IS-Kämpfers fungierte Qardash als Justizminister in Mosul, als der IS die Stadt ab Mitte 2014 kontrollierte. Er bildete Richter und Geistliche aus. Qardash gilt als extrem, womöglich extremer als sein Vorgänger Abu Bakr al-Baghdadi. Als der IS 2014 die Region Sinjar angriff und Tausende JesidInnen tötete, gab es innerhalb des IS Meinungsverschiedenheiten zum Umgang mit den Frauen. Einige sprachen sich aus Furcht vor Vergeltungsangriffen gegen deren Versklavung aus. Qardash soll sich jedoch dafür eingesetzt haben. Am Ende gab es einen (widerlichen) Kompromiss: Jesidische Frauen wurden versklavt, christliche nicht.

Grundsätzlich scheint Baghdadi seinen Nachfolger jedoch bewusst im Hintergrund gehalten zu haben. Viele ranghohe IS-Mitglieder wurden getötet, Qardash soll für Baghdadi die beste Option geblieben sein. Irakische Dienste vermuten, dass er sich in Gebieten Syriens aufhält, die nominell unter Kontrolle der Demokratischen Kräfte Syriens (SDF) stehen. Dort macht der IS sich Spannungen mit arabischen Stämmen zu Nutze, die die SDF-Präsenz als kurdische Besatzung betrachten. Vor allem nehmen sie aber, wie in der Vergangenheit auch, sunnitische Araber selbst ins Visier. Angebliche Kollaborateure werden getötet. Der IS will so verhindern, dass sunnitische Araber sich gegen ihn auflehnen, wie in der Vergangenheit mehrfach geschehen.

Auf Informationen über Qardashs Verbleib sind 10 Millionen Dollar ausgesetzt. Doch selbst wenn er geschnappt würde, könnte der IS ihn vermutlich ersetzen. Die Organisation hat sich den Gegebenheiten angepasst und scheint damit gut zu fahren. Strenge Hierarchien in Kombination mit notwendiger Dezentralisierung erlauben größtmögliche Flexibilität. 

So ist der IS wohl noch kein Fall für die Geschichtsbücher. Ein Grund mehr, Syrien und den Irak nicht zu vergessen. Was Deutschland ganz akut tun kann: Dafür sorgen, dass die über 100 IS-Häftlinge und ihre Familien endlich aus den Gefangenenlagern kommen, damit ihnen der Prozess gemacht wird. Die Gefangenenlager sind bereits jetzt Neuauflagen des berüchtigten Camp Buccas. Deutschland sollte zumindest seine eigenen BürgerInnen zurückholen, um die Situation vor Ort zu entlasten und vor allem die Kinder aus der Radikalisierungsspirale zu befreien.

Kalif ohne Kalifat: Die neue Nummer Eins des IS

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