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Europa

Der Zweite Weltkrieg und das Gedenken in Deutschland und in Putins Russland

Keno Verseck
Journalist

geb. 1967 in Rostock, freiberuflicher Journalist mit Schwerpunkt Mittel- und Südosteuropa.

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Keno VerseckSonntag, 10.05.2020

Vor 75 Jahren ging der Zweite Weltkrieg zu Ende. Anlässlich dieses Jahrestages waren in diesen Tagen viele erschütternde Dokumentationen und Zeitzeugenberichte zu lesen, zu hören und zu sehen. Angesichts der ungezählten und ungeheuerlichen Verbrechen, die während dieser bisher wohl größten Menschheitskatastrophe begangen wurden, fragt man sich manchmal, wie die Erde sich einfach weiterdrehen konnte. In erster Linie, meine ich, sollte man niemals vergessen, dass es Hitler und die deutschen Faschisten waren, die diesen Krieg anzettelten und dass Millionen von Deutschen willig und jubelnd mitmachten, zu Barbaren wurden oder zumindest zuschauten. Man sollte auch niemals vergessen, dass der deutsche Krieg gegen die Sowjetunion eine der ungeheurlichsten Vernichtungsaktionen der Geschichte gegen ein anderes Land und seine Menschen war. (Ich habe an dieser Stelle schon mehrfach geschrieben, dass das politische Deutschland dieses Verbrechens und der 27 Millionen Sowjetbürger, die dadurch starben, mit würdigeren Gesten der Demut gedenken sollte. Stattdessen nehmen in diesen Tagen eine Reihe namhafter deutscher Politiker, vor allem auf Seiten der Sozialdemokraten, den 75. Jahrestag des Kriegsendes zum Anlass, bessere Beziehungen zu Russland, sprich zu Wladimir Putin, und ein Ende der EU-Sanktionen gegen Russland zu fordern, die wegen der Annexion der Krim verhängt wurden. Das hat etwas Unwürdig-Merkantilistisches und auch Zynisches an sich.) Während man als Deutscher niemals vergessen sollte, welche Verbrechen Deutschland einst in der Sowjetunion verübte, kann man als jemand, der sich für Politik, Gesellschaft und Alltagsleben im heutigen Russland interessiert, schon seit längerem beobachten, wie das russische Gedenken an den Großen Vaterländischen Krieg unter Wladimir Putin immer mehr zu einer traurigen und auch erschreckenden Farce verkommt. Es ist ein Gedenken, das mit schauerlichen Verkitschungen, grotesken Geschichtsfälschungen, einer zunehmenden gesellschaftlichen Militarisierung und einer immer aggressiveren Außenpolitik einhergeht, wobei der 9. Mai zwar kein offizieller, dafür aber ein quasireligiöser oberster Nationalfeiertag ist. Der langjährige Moskauer SPIEGEL-Korrespondent und Russland-Kenner Christian Neef hat in einem nüchternen Text sehr treffend analysiert, worum es der russischen Staatsführung beim Kriegsgedenken geht. Er schreibt:

Das Feiern dieses Tages ist in Wirklichkeit kein Rückblick, sondern ein Blick nach vorn, es geht um die Nutzung der Geschichte für die politischen Interessen der gegenwärtigen Führung.

Ein sehr lesenswerter Text, verfügbar für Abonnenten von SPIEGEL+ (mein Link) oder alternativ für piqd-Mitglieder hier auf Blendle.

Der Zweite Weltkrieg und das Gedenken in Deutschland und in Putins Russland
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Kommentare 5
  1. Achim Engelberg
    Achim Engelberg · vor fast 4 Jahre

    Mit dem Grundgedanken bin ich einverstanden.

    Mehrmals schrieb ich selbst darüber. Ein freigeschaltetes Beispiel:
    https://www.blaetter.d...
    Darin heißt es u. a.:
    So kann man Gessens Titel „Die Zukunft ist Geschichte“ doppelt deuten: Da der Aufbruch der 1980er Jahre in einer Sackgasse endete, wird einerseits eine Vergangenheit beschworen, die es so nicht gab, um angesichts einer verlorenen guten Zukunft zu schweigen. Dabei wird der Große Vaterländische Krieg, wie in Russland der Zweite Weltkrieg heißt, idealisiert. Er wird zum Mythos, der mit zeitlichem Abstand sogar wächst: „Was Gudkow sich noch nicht vorstellen konnte, waren junge Leute wie Ljoscha, die im ersten Jahr der Perestroika geboren wurden und sich ganz und gar mit einem Krieg identifizierten, der vierzig Jahre vor ihrer Geburt zu Ende gegangen war“, heißt es im Buch.

    ABER: Dennoch sehe ich nur eine neue Variante einer alten Neuen Ostpolitik für eine Entschärfung der Lage.

    Das Weiter-So entwickelt sich zur Verschärfung, zum neuem Westrüsten (diesmal in einer multipolaren Welt, was die Gefahr steigert) und eine Verbesserung für die Ukraine ist mindestens nicht abzusehen.

    Die alte Neue Ostpolitik anerkannte die Annexion des Baltikums nach 1945 auch nicht an und funktionierte dennoch. Das neue Baltikum heißt Krim.

    Ich kann eine neue Variante hier nicht skizzieren, aber warum man die Sanktionen nicht aufheben zum Preis eines Friedens in der Ostukraine?

    Das ist nicht leicht, aber leicht war es für Brandt und Bahr auch nicht als sie mit Breschnew verhandelten. Und sicher war ihr Erfolg auch nicht.

    1. Keno Verseck
      Keno Verseck · vor fast 4 Jahre

      Hallo Achim, ich hoffe, es geht Dir gut. Ich bin kein Experte für Brandts Ostpolitik. Ich glaube aber, der Kontext war ein anderer. Zudem ist meine Kritik an der Ostpolitik zumindest ab den 1980er Jahren gewesen, dass sie sich ausschließlich auf den Dialog mit den totalitären Machthabern im "Ostblock" konzentriert hat; die damals wichtigen und teils schon bedeutenden oppositionellen Kräfte (v.a. Polen, Tschechoslowakei, Ungarn, aber auch DDR und Sowjetunion) wurden ignoriert. Sicher hat die Ostpolitik zur Entspannung beigetragen, aber die Prämisse des Wandels durch Dialog war falsch. Das sieht man auch heute am Beispiel deutsch-russischer Dialoge. Es ist sicher unrealistisch, gar keine Gespräche mehr mit Russland zu führen, aber Russland wird sich durch einen Dialog nicht verändern.

    2. Achim Engelberg
      Achim Engelberg · vor fast 4 Jahre

      @Keno Verseck Danke, den Umständen entsprechend geht es mir gut, hoffentlich Dir auch.

      Ein Experte der neuen Ostpolitik bin ich nicht. Für mich beginnt sie mit der Tutzinger Rede von Bahr (1963), erreichte ihren Durchbruch und Höhepunkt in der Kanzlerschaft von Brandt (bis 1974) und nach dem Ausscheiden Bahrs aus der Bundesregierung (1976) hatte keiner der ursprünglichen Vertreter ein Regierungsamt mehr inne.

      Sicherlich unterschätzten viele die Bewegungen der 1980er Jahre und das wird häufig kritisiert. Allerdings eine Grabrede für Bahr hielt Friedrich Schorlemmer, der das bestritt.

      In Bahrs letztem Lebensjahr - er starb 2015 - wollte er angesichts des Krieges in der Ukraine, eine neue Ostpolitik. So hielt er seine letzte Rede in Moskau.

      Seine Witwe gab dieses Buch heraus:
      https://www.westendver...

      Momentan kann ich - die Alternative wäre weitere Verschärfung - keinen anderen menschenfreundlichen Weg sehen, allerdings ist vieles hier noch unausgegoren.

      Freundschaft - wie es im Untertitel heißt - ginge mir zu weit. Der Petersburger Dialog bringt nichts.

      Brandt/Bahr plädierten ja auch nicht für eine Freundschaft zur Sowjetunion, sondern stellten gemeinsame Interessen in den Mittelpunkt, die zu Annäherungen und menschlichen Erleichterungen führten.

      Wäre das - aktualisiert - nicht doch ein vielversprechender Ansatz?

    3. Keno Verseck
      Keno Verseck · vor fast 4 Jahre

      @Achim Engelberg Ja, mir geht es auch gut. :-)

      Ehrlich gesagt, mir fällt es sehr schwer, Alternativen aufzuzeigen. Der jetzige Umgang der EU mit Russland ist hilflos und teilweise scheinheilig. Auch die Arroganz der US-amerikanischen Politik (siehe das aktuelle Nicht-Erwähnen der Sowjetunion als Hauptlastträger des 2. WK) ist schamlos. Als einziger Vorschlag fiele mir ein, dass die EU-Sanktionen zwar gut sind, aber nicht konsequent genug, und sie müssten anders gelagert sein, also die Elite viel mehr treffen.

    4. Achim Engelberg
      Achim Engelberg · vor fast 4 Jahre

      @Keno Verseck Da müssen wir wohl mit Brecht enden:

      Wir stehen selbst enttäuscht und sehn betroffen
      Den Vorhang zu und alle Fragen offen.

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