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Volk und Wirtschaft

„Wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen.“

Jürgen Klute
Theologe, Publizist und Politiker
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Jürgen KluteSamstag, 05.11.2022

In gewissen Abständen berichten Medien, dass rund 70 Prozent der Bürgerinnen und Bürger in der deutschen Gesellschaft eine Gerechtigkeitslücke wahrnehmen. Und seit vielen Jahren gibt es Debatten um Hartz IV, also um die Leistungen, auf die erwerbslose Menschen Anspruch haben. Zum einen werden die Bezugsbedingungen als diskriminierend kritisiert. Zum anderen gilt die Höhe der Unterstützung als deutlich zu niedrig. Ab 2023 soll das umgangssprachlich sogenannte Hartz IV durch ein Bürgergeld ersetzt werden, das zumindest ein paar Verbesserungen gegenüber der jetzigen Regelung enthält (wobei Sozialverbände kritisieren, dass die aktuelle Inflation die Leistungserhöhung längst übersteigt).

Nun könnte mensch erwarten, dass diese Maßnahme trotz ihrer Unzulänglichkeit grundsätzlich aber begrüßt wird. Das ist aber keineswegs der Fall. Die Medien durchzieht gerade eine Empörungswelle über das neue Bürgergeld. Es sei gegenüber Menschen in Erwerbsarbeit ungerecht, so lautet vielfach die Kritik. Wie passt so eine Empörungswelle zu der eingangs erwähnten Klage über eine Gerechtigkeitslücke?

taz-Redakteur Volkan Agar macht in seinem Kommentar vom 4. November 2022 eine besonders in konservativen Kreisen vorzufindende Haltung des Nacht-unten-Tretens als Ursache für das Bashing von in Armut lebenden Menschen aus. Er liegt damit wohl ganz richtig.

Aber woher kommt diese Haltung? Als eine in meinen Augen schlüssige Antwort will ich hier auf ein Theaterstück des in Berlin lebenden Theatermachers Harald Hahn verweisen. Zu diesem Theaterstück gibt es eine ausführliche Website, auf die meine Empfehlung auch verweist. Das Stück heißt „Monolog mit meinem asozialen Großvater“. Hahns realer Großvater wurde von den Nazis für einige Monate im KZ Buchenwald inhaftiert. Er galt den Nazis als asozial und arbeitsscheu. Buchenwald war ein Lager, in dem vor Kriegsbeginn schwerpunktmäßig sogenannte Asoziale und Arbeitsscheue zur Umerziehung inhaftiert waren. Ich hatte im letzten Sommer die Gelegenheit, das Stück zu sehen. An der Geschichte seines Großvaters zeigt Hahn die Verachtung der Nazis für in Armut lebende Menschen auf. Diese Verachtung armer Menschen ist zwar keine Erfindung der Nazis gewesen, sie haben diese Haltung allerdings extrem verstärkt. So sehr, dass sie offensichtlich noch bis heute nachwirkt. Auch diesen Aspekt beleuchtet Hahn in seinem Theaterstück.

Die Ursprünge dieser Haltung reichen allerdings viel weiter zurück in die Vergangenheit. „Wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen“ ist ein Satz aus der Bibel, genauer aus dem 2. Brief des Paulus an die Thessalonicher, Kapitel 3 und dort die Verse 10–11. Darauf will ich hier nur vollständigkeitshalber hinweisen. Wer dazu mehr wissen möchte, dem sei dieser Essay von Dieter Heidtmann, dem Leiter des KDA und Studienleiter an der Evangelischen Akademie Baden, empfohlen: „Wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen.“ – Wie gerecht ist ein bedingungsloses Grundeinkommen? Eine ebenfalls aufschlussreiche Erläuterung zum Umgang mit dem Paulus-Zitat findet sich in diesem Kommentar von katholischer Seite.

Nun habe ich deutlich mehr als nur einen Artikel empfohlen. Zum Verständnis der Problematik – die m. E. nicht zuletzt bis in die Gewerkschaften hinein spürbar ist – erscheinen mir diese Beiträge aufschlussreich.

Anmerkung (07.11.2022):

Eine aufmerksame Leserin hat mich darauf aufmerksam gemacht, dass mein ursprünglicher Link am Ende meiner Empfehlung auf ein rechtes Portal (Wikimannia) führte. Ich muss gestehen, dass mir da Fauxpas unterlaufen ist. Ich war erstmals auf einem Artikel dieses Portals gelandet und die dortige Auflistung einiger schillernder Figuren hatte mich dazu bewogen, auf den entsprechenden Artikel zu verlinken, ohne mir das Portal näher anzuschauen. Da ich jede Form der Unterstützung rechter und antifeministischer Portale ablehne, habe ich den ursprünglichen Link gelöscht und durch den neuen Link ersetzt. 

„Wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen.“

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Kommentare 3
  1. Lutz Müller
    Lutz Müller · vor mehr als ein Jahr · bearbeitet vor mehr als ein Jahr

    Verena Bentele, Präsidentin des Sozialverbands, vergleicht Fälle von Gesetzesverstößen durch HartzIV-Empfänger, die durchweg als „Sozialschmarotzer“ abgestempelt werden, mit dem Betrug von Steuerhinterziehern: www.vdk.de/deutschland....
    Sind nicht letztere „Kavaliersdeliquenten“ die Asozialen?
    Der Staat verliert Milliarden, mehr noch verlieren die Bedürftigen.

    1. Jürgen Klute
      Jürgen Klute · vor mehr als ein Jahr

      Danke für die Ergänzung.

  2. Cornelia Gliem
    Cornelia Gliem · vor mehr als ein Jahr

    Danke für den Hinweis. Ja ich wundere mich auch, dass diese längst fällige Erhöhung und miniReform nicht mehr positiv gesehen wird.

    klar die Reform ist nicht weitgehend genug und es gibt daher einiges zu kritisieren - aber die in den letzten Wochen zunehmende "Kritik" von wegen falsche Anreize und das Ausspielen "hart Arbeitender" gegenüber den Bürgergeldbeziehern und das dumme Extrembeispiel des 150.ooo euro-besitzenden Harzer, hat mich doch überrascht.

    klar von rechter Konservativer neoliberaler Seite hätte ich mich nicht wundern sollen (trotz des C im Namen einiger Vertreter).
    Aber dass so viele der "Mitte" darauf anspringen - schon.

    Es wird meiner Meinung nach auch zu wenig betont, dass die 50 Euro Erhöhung nicht mal den inflationsausgleich der letzten 10 Jahre auffängt (=da war von Experten von im die 300 Boss 500 euro! die rede); auch die prozentual geringe PersonenAnzahl die überhaupt sanktioniert werden (müssen), wird meist nicht erwähnt.

    und ja, nehmen wir doch mal die 150.ooo euro: diese Summe kommt wenn überhaupt nur bei 4 erwachsenen Personen zustande, also 37500 Euro pro Kopf. In den ersten zwei jahren.

    es geht nicht darum dass der Staat dem Hilfeempfänger quasi 150.ooo in die Hand drückt - nein. es geht um Erspartes und "Vermögen".

    Und heißt es nicht immer, Leistung soll sich lohnen? wenn also hart Arbeitende vor ihrer Arbeitslosigkeit diese Summe angespart Haus gekauft etc haben; möchte ich den Aufschrei der FDPler hören, wenn das "Der Staat" wegnimmt!

    und JETZT ausgerechnet jetzt eine solche Diskussion loszutreten, ist perfide.
    da soll nicht mit der Gießkanne gefördert werden, aber Gelder an die einzige Gruppe, die wirklich eindeutig und per Definition auf jeden Fall hilfsbedürftig ist, sollen jetzt verzögert werden?
    Danke Millionär Merz u.ä.

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