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Volk und Wirtschaft

»Citizenship rent«: Ein leistungsloses Einkommen dank Staatsbürgerschaft

Jürgen Klute
Theologe, Publizist und Politiker
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Jürgen KluteDienstag, 11.08.2020

Dass jeder und jede seines eigenen Glückes Schmied sei, ist einer der zentralen wirtschaftsliberalen Glaubenssätze. Dabei hat sich in den Diskussionen über Bildungspolitik in den letzten Jahren in der Bundesrepublik längst herauskristallisiert, dass – anders als in anderen Ländern – das Elternhaus viel entscheidender ist für die berufliche Kariere eines jungen Menschen als sein Leistungswille und seine individuelle Leistungsfähigkeit. Entscheidend ist also die Zugehörigkeit zu einer gesellschaftlichen Gruppe oder Schicht.

Das scheint auf globaler Ebene zwischen Gesellschaften und Kontinenten nicht viel anders zu sein. Der Ort, an dem ein Mensch geboren wurde, bestimmt im Wesentlichen über dessen ökonomische Lebenschancen.

Diese These vertritt der Ökonom und Ungleichheitsforscher Branko Milanovic. Stephan Kaufmann hat dessen Thesen in einem Artikel auf dem Oxi-Blog skizziert.

Milanovic nennt das »citizenship rent«, womit ein leistungsloses Einkommen gemeint ist, das sich der Staatsbürgerschaft eines Menschen verdankt und nicht individuellem Erfolg oder gesellschaftlicher ökonomischer Leistungsfähigkeit.

Dieser Artikel ist Teil einer Debatte um ökonomische Aspekte globaler Migration. Die Argumentation von Milanovic reiht sich ein in die Entlarvung und Dekonstruktion eines auch im ökonomischen Denken verankerten strukturellen Rassismus. Wie er beispielhaft zum Ausdruck kommt in einer Aussage des Leipziger Hochschullehrers Thomas Rauscher, die Stephan Kaufmann in seinem Artikel wiedergibt: »Sie [Afrikaner und Araber] haben ihre Kontinente durch Korruption, Schlendrian, ungehemmte Vermehrung und Stammes- und Religionskriege zerstört und nehmen uns nun weg, was wir mit Fleiß aufgebaut haben.« Daher, so meint Rauscher, seien wir Afrikanern und Arabern auch nichts schuldig. In Rauschers Aussage spiegelt sich die schon in der Aufklärung angelegte Vorstellung, dass es verschiedene menschliche Rassen gäbe, die unterschiedlich entwickelt seien.

Diese ökonomische Kurzsichtigkeit und Geschichtsvergessenheit aufzubrechen, macht diesen Artikel interessant. Obgleich die von Stephan Kaufmann vorgenommene Darstellung der Argumentation von Branko Milanovic etwas umfänglicher hätte ausfallen können. Als Impuls und als Einstieg in einen Perspektivenwechsel angesichts der ökonomischen Herausforderungen durch die Coronakrise und durch die Klimakrise ist dieser Artikel aber allemal lesenswert.

»Citizenship rent«: Ein leistungsloses Einkommen dank Staatsbürgerschaft

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Kommentare 5
  1. Thomas Wahl
    Thomas Wahl · vor mehr als 3 Jahre

    Ein individuelles leistungsloses Einkommen beruht immer auf gesellschaftlicher ökonomischer Leistungsfähigkeit. Alles andere ist Aberglaube und Wunschdenken. Es gibt kein soziales Perpetuum Mobile, dass ein Einkommen jenseits der ökonomischen Leistungsfähigkeit erzeugen könnte.

    1. Jürgen Klute
      Jürgen Klute · vor mehr als 3 Jahre

      Ich glaube, dass ist ein Missverständnis. Es geht in diesem Artikel nicht um ein Bedingungsloses Grundeinkommen (BGE), sondern um globale ökonomische Machtverhältnisse und damit um die Frage, wer Werte schafft und wer sie sich dann anschließend aneignet.

      Branko Milanovic These ist doch, dass zwar die Gesellschaften in Afrika oder Lateinamerika an der globalen Wertschöpfung beteiligt sind, dass sie aber von der Aneignung der Wertschöpfung weitgehend ausgeschlossen werden. Die Aneignung der Wertschöpfung erfolgt überwiegend im globalen Norden.

      Thomas Rauscher behauptet, dass sei legitim, weil z.B. Afrikaner und Araber gesellschaftlich rückständig seien gegenüber dem Norden. Branko Milanovic setzt dem die These entgegen, dass das Folge ungerechter ökonomischer Machtverhältnisse sei.

      Rauscher argumentiert also in der Tradition des europäischen Rassismus' und Kolonialismus'. Milanovic geht von einer in den allgemeinen Menschenrechten gründenden Perspektive aus, dass Menschen gleich, also gleichwertig und gleichberechtigt sind und von daher auch einen gleichen Anspruch auf gesellschaftlich arbeitsteilig geschaffene Werte haben – und zwar auf globaler Ebene, weil Afrikaner und Araber eben mitnichten weniger fleißig sind als Europäer.

      Mit dem Thema Bedingungsloses Grundeinkommen hätte das höchstens insofern zu tun, dass sich der globale Norden auf Kosten des Südens eine Art Bedingungsloses Grundeinkommen aneignet in Form der »Citizenship rent«. Leistungslos ist diese »Citizenship rent« nur für die, die die Macht haben, sie sich zu nehmen. Die zugrunde liegende Leistung wird dann von anderen Gesellschaften erbracht.

    2. Thomas Wahl
      Thomas Wahl · vor mehr als 3 Jahre · bearbeitet vor mehr als 3 Jahre

      @Jürgen Klute Sicher sind Afrika und Südamerike an der globalen Wertschöpfung beteiligt. Aber in sehr geringem Maße. Und das liegt auch an der eigenen geringen Industrialisierung und Produktivität. Was wiederum an den fehlenden Institutionen und korrupten Strukturen liegt. Und das können diese Regionen nur selbst verändern. Also sie tragen wenig bei und eignen sich entsprechend wenig an.

      Natürlich hat das historisch Ursachen. Das Osmanische Reich und auch die arabischen Kolonialisatoren Afrikas haben den Sprung in die Moderne nicht vollziehen können. "Bis weit ins 19. Jahrhundert waren die europäischen Mächte eher "mickrige Zwergstaaten" verglichen etwa mit dem nordindisch-muslimische Mogulreich oder China." https://www.piqd.de/us...

      Mexiko hat eine andere Entwicklung genommen als USA und Kanada. Hat mit Rassismus nichts zu tun.

      Migration an sich bedroht natürlich unseren Reichtum nicht. Im Gegenteil, wir brauchen sie. Aber nicht beliebig und unkontrolliert.

    3. Jürgen Klute
      Jürgen Klute · vor mehr als 3 Jahre

      @Thomas Wahl Das auch Afrika und Südamerika an der globalen Wertschöfpung beteiligt sind, stellt niemand in Frage. Die Frage ist, ob die Länder einen gerechten Anteil an der Wertschöpfung erzielen.

      Im Detail ist es sicher nicht immer einfach, zwischen Eigenverantwortung und Fremdverschulden im Blick auf Korruption und schlechte Verwaltungen in anderen Ländern zu unterscheiden.

      Mit der Art der Ausgestaltung von Handelsbeziehungen (etwa der EU-Handelsabkommen), mit transparenter Steuergesetzgebung (etwas Country-by-Country-Reporting), mit der Ausweitung der Menschenrechte auf Unternehmen und deren Lieferketten lassen sich aber von europäischer Seite Verbesserungen befördern. Einfach, indem kritikwürdige Verwaltungspraktiken nicht mehr befördert werden. Deshalb setzen sich z.B. einige Fraktionen des Europäischen Parlaments für solche veränderten Regelungen ein.

      Ein anderes Beispiel: Brasilien hat viele Rohstoffe. Die werden meist unverarbeitet exportiert. Eine teilweise Ansiedlung der weiterverarbeitenden Industrie könnte in Brasilien angesiedelt werden. Das würde den Wohlstand in Brasilien erhöhen. Aber eben auch zulasten von Produktionsstätten in Europa gehen. Ähnlich verhält es sich mit französisch Guinea. Dort wird eine große Menge Bauxit zur Herstellung von Aluminium abgebaut. Die Verarbeitung erfolgt aber nicht in Guinea, sonder vor allem in den USA und in Europa. Eine Verarbeitung des Bauxit (mittels reichlich zugänglicher Solarenergie) in Guinea würde dem Land eine solide wirtschaftliche Struktur verschaffen, so dass z.B. auch Akademiker in der Wirtschaft Arbeitsmöglichkeiten bekämen. Das wäre eine effektive Bekämpfung von Fluchtursachen. Das passiert aber nicht, da dass zulasten von Produktionsstätten z.B. Europa ginge. Und das hat eben etwas mit ökonomischer und politischer Machtverteilung zu tun. Darauf zielt nach meiner Interpretation die These von Branko Milanovic.

    4. Thomas Wahl
      Thomas Wahl · vor mehr als 3 Jahre · bearbeitet vor mehr als 3 Jahre

      @Jürgen Klute Wie sieht denn ein "gerechter Anteil" aus. Der Begriff Gerechtigkeit ist ein weites Feld. Der Austausch beruht auf Preisen und rechtlichen Regeln - nationalen und internationalen. Dass dabei historisch gewachsene ökonomische und wirtschaftliche Macht (hier auch wieder innerhalb und zwischen den Nationen) ein Rolle spielen stimmt. Nur kann man die nicht einfach ausser Kraft setzen. Sicher muß mehr Industrie in den ärmeren Ländern angesiedelt und aufgebaut werden. In China, Südkorea, Vietnam etc. ist das auch gelungen. Millionen Arbeitsplätze sind dorthin gewandert oder neu entstanden. Es geht also. Erfordert aber eben nationale Strategien und gewisse Rahmen-Bedingungen. Das Kapital hängt nicht an Nationen.

      Das Konzept, die politische Verantwortung für die Einhaltung von allgemeinen Menschenrechten in anderen Staaten den Unternehmen aufzuerlegen halte ich für ein schwieriges Konzept. Sicher sollen Unternehmen keine Schweinereien begehen. Aber ob wir den Menschen.in den ärmsten Ländern einen Gefallen tun, wenn wir ggf. In diese Staaten nicht mehr investieren? Unsere Vorstellungen erscheinen mir einerseits oft reichlich idealistisch. Und andererseits sind „Wettbewerber" wie China schnell zur Stelle. Die Fragen erst gar nicht nach dem westlichen Konzept der Menschenrechte.

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