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Literatur

Kinderbücher 17: "Achtbeinige Jäger", illustriert von László Réber

Kinderbücher 17: "Achtbeinige Jäger", illustriert von László Réber

Jochen Schmidt
Schriftsteller und Übersetzer
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Jochen SchmidtMittwoch, 28.08.2019

Das Buch "Mir passiert immer etwas("Velem mindig történik valami") der ungarischen Kinderbuchautorin Éva Janikovszky (1972 erschienen) hat sich mir vor allem wegen der Illustrationen von László Réber eingeprägt, der mit Éva Janikovszky viele Bücher gemacht hat, von denen es im Westen und im Osten Ausgaben gab. Oft geht es bei Janikovszky ("Antworte schön, wenn du gefragt wirst", "Große dürfen alles", "Von wem hat er das bloß?") um eine für diese Zeit noch ganz neue gleichwürdige Behandlung von Kindern und das Respektieren ihrer Perpektive auf die Erwachsenenwelt, insofern sind sie heute, wo sich manche eine autoritäre Erziehung zurückwünschen, immer noch modern. Lászlo Rébers erfreulich unnaturalistische, graphische und detailreiche Illustrationen irritierten mich als Kind, weil die Köpfe oft so verdreht auf dem Rumpf saßen. Offenbar hat er versucht, für diese Bücher einen an Kinderzeichnungen erinnernden Stil zu entwickeln.

Als Erwachsener finde ich diese Bilder inzwischen großartig und bin froh, daß ich sie als Kind schon kennenlernen durfte. Ich habe deshalb nach anderen Titeln von László Réber gesucht und bin auf "Achtbeinige Jäger" ("Nyolclábú vadászok") gestoßen, das von 1964 stammt und 1970 in der DDR im Kinderbuchverlag Berlin erschienen ist ("Gemeinschaftsausgabe Der Kinderbuchverlag Berlin – Corvina Verlag, Budapest, Printed in Hungary). Einer der positiven Aspekte des erzwungenen, gemeinsamen Wirtschaftsraums im Ostblock war ja, daß sich hier auch Kulturgüter und insbesondere gute Kinderbücher aus allen Ostblockstaaten verbreitet haben (z.B. auch die Bücher von Károly Reich, eines anderen großartigen ungarischen Illustrators).

In "Achtbeinige Jäger" von Ervin Turcsányi zeigt sich Réber als begnadeter Insektenzeichner, sein Stil ist hier völlig anders als bei den Büchern mit Éva Janikovszky, filigran, farbenfroh, wissenschaftlich korrekt und doch verspielt. Es macht Spaß, die Spinnen vom Cover nachzuzeichnen, was wegen der vielen Härchen ein mühsames Unterfangen ist. Das Buch paßt gut zum Insektensterben (wobei ich erst kürzlich gelernt habe, daß Spinnen gar keine Insekten sind. Ich denke, ich habe es schon ungefähr zehnmal gewußt und wieder vergessen), denn es ist eine Einladung zu einer Reise durch Gärten und Wiesen vor der Haustür, die voll von diesen winzigen Raubtieren sind. Der Erzähler zeigt seinem neunjährigen Neffen "Laci" (toll sind immer diese ungewöhnlichen Kindernamen in Kinderbüchern aus dem Ausland), der aus Budapest zu Besuch auf dem Land ist und Reisebeschreibungen über ferne Länder und Abenteuer im Dschungel verschlingt, daß es auch im Garten und auf der Wiese wilde Tiere gibt und ständig ein Kampf auf Leben und Tod geführt wird.

Zuerst finden sie die Hausspinnedie ich inzwischen auch gut kenne, weil ich schon Dutzende davon aus der Laube tragen mußte, wozu dann immer der Papa gerufen wird, weil sich alle anderen zu sehr ekeln. Eine Hausspinne hatte im Standrohrventil der Spüle überwintert und eine andere ist im Bad für immer hinter dem Spülkasten verschwunden, vielleicht haben wir sie aber auch längst nachts verschluckt. Weiter geht es mit der Netzspinne, die waagerechte Netze im Gebüsch baut und senkrechte Fangschnüre, gegen die ihre Opfer fliegen, um ins Netz zu fallen. Wir besuchen die Kreuzspinne und lernen, wie kunstvoll sie ihr Netz baut. Die Wolfsspine (hier - ein fürchterlicher Anblick-, mit zahlreichen Babys auf dem Rücken) baut keine Netze, sondern überfällt ihre Opfer aus einem Versteck heraus, sie kann sogar springen und fängt sich im Buch einen am Boden rastenden Schmetterling. Die Natur wird nicht "kindgerecht" verniedlicht:

"Ist das ein gemeines Tier!" sagte Laci verächtlich.
"Wieso gemein? Sie hat den Schmetterling nur getötet, weil sie Hunger hatte."

Die Wolfsspinne wird allerdings anschließend von einer Wespe angegriffen und besiegt, die für ihr Opfer eine Grube scharrt, um es dort hineinzutun und ihre Eier daraufzukleben. Aber auch die Raubwespe hat das Nachsehen, denn unbemerkt taucht eine Schmugglerwespe auf, die ihre Eier in die tote Spinne schmuggelt, weil sie selbst nicht in der Lage wäre, so ein großes Tier zu erlegen. Ihre Eier werden schneller reifen als die der Raubwespe (was sie offenbar weiß) und ihnen die Nahrung wegfressen, so daß diese, kaum daß sie geschlüpft sind, umkommen werden.

Wir begegnen der südeuropäischen Tarantel (die bei uns auf dem Vormarsch zu sein scheint), erfahren etwas über Vogelspinnen und über die Krabbenspinne, die ihre Farbe verändern kann und z.B. weiß ist, um sich auf Margeritenblüten verstecken und Hummeln jagen zu können (sie kann weit reisen, indem sie an langen Fäden durch die Luft segelt) und den Weberknecht, der mit seinen langen Beinen gut durchs Gras laufen kann. Auch Weberknechte, die mir aus irgendwelchen Gründen sympathisch sind, muß ich oft aus dem Haus tragen. Früher habe ich sie in den Ausguß gespült, das würde ich – vielleicht eine Alterserscheinung-, nicht mehr tun. (Nur bei Mücken, Fliegen und Zecken habe noch kein kein Mitleid. Bei Maden setzt gerade ein Umdenken ein.) Wir sehen die Wasserspinne, die einzige Spinnenart, die gelernt hat, unter Wasser zu leben, wo sie ihr ganzes Leben verbringt! Sie spinnt sich Glocken, in die sie von der Wasseroberfläche Luftbläschen transportiert. Zuletzt kommt es noch zum Kampf einer Springspinne gegen eine Ameise. (Hier sieht man eine Springspinne beim Sprung.)

Ein wundervoll illustriertes Buch, das heute bei uns praktisch unbekannt sein dürfte und das zeigt, auf was für einem hohen, künstlerischen Niveau man ohne Fotografien Naturbücher für Kinder machen kann.

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