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Klima und Wandel

Einigung bei essentiellen EU-Klimaschutzregelungen

Dominik LennéSonntag, 25.12.2022

Mitte Dezember ist, unbemerkt von den Meisten, Großes geschehen: die drei Hauptinstitutionen der EU, Parlament, Kommission und Rat, haben sich in einer umfassenden Trilog-Verhandlung auf einen Kompromiss bei vielen neuen, teilweise essentiellen Regelungen der EU-Klimapolitik geeinigt. 

Michael Bloss, Abgeordneter der Grünen im Europaparlament und maßgeblich an den Verhandlungen beteiligt, hat diese auf seinem Blog aufgelistet, die Wesentlichen sind:

  • Es werden eine Menge Emissionsrechte aus dem aktuellen Emissionsbegrenzungssystem herausgenommen und die Rate, mit der die jährlichen Emissionen sinken, wird erhöht. Damit sinkt die Emission des entsprechenden Sektors bis 2030 auf 38% des Wertes von 1990. 
  • Der "Carbon Border Adjustment Mechanism", schlagkräftig zu "CBAM" abgekürzt, der Kostennachteile von EU- gegenüber nicht-EU-Produzenten ausgleichen soll,  ist in seinen wesentlichen Punkten festgelegt worden. Er soll 2023 mit einer Einführungsphase beginnen, 2026 startet der Importzoll und bis 2034 soll er seine volle Höhe erreicht haben
  • Die Gratis-Emissionszertifikate,  die die EU-Industrie noch in hohem Maße bekommt, werden im gleichen Zeitraum verschwinden.
  • Über das neu einzurichtende Cap&Trade-System EU-ETS2 werden nun die Kraft- und Brennstoffemissionen kleiner und mittlerer Unternehmen und Haushalte eine jährlich sinkende Gesamt-Obergrenze erhalten.
  • Der Klimasozialfonds wird eingerichtet, der die überproportionale Belastung der ärmeren Haushalte mildern soll.

Das EU-ETS (Emission Trading System), das für die Emissionen der Stromerzeugung und Großindustrie eine jährlich sinkende Obergrenze festlegt und deren optimales Erreichen durch die Ausgabe handelbarer Emissionszertifikate erreicht, arbeitet bereits seit 17 Jahren. Während der Elektrizitätssektor auch dadurch spektakuläre Emissionssenkungen vorzuweisen hat, sind die Emissionen des Industriesektors so gut wie nicht abgesunken. Ein Grund dafür dürfte sein, dass dieser für einen großen Teil seiner Emissionen Gratiszertifikate erhält, um einen eventuellen Preisnachteil gegen ex-EU-Konkurrenz zu vermeiden.

Durch den CBAM werden nun die Importe einer Reihe von Gütern so verteuert, sodass die Nachteile der EU-Produzenten näherungsweise ausgeglichen werden. Hierzu muss man das Kunststück fertig bringen, die jeweiligen produktbezogenen Emissionen zu definieren - eine Aufgabe, die nur mit ziemlichem Verwaltungsaufwand und auch dann nur unvollkommen gelingen kann. Aber besser unvollkommen als gar nicht.*

Die Industrie ist alarmiert - sie traut der Sache bei den Importen nicht und verlangt vorsichtiges Vorgehen mit der Möglichkeit nachzusteuern. Außerdem gibt es keine entsprechende Abgabenentlastung für Exporte. Gemäß den EU-Handelsrechtsexperten besteht ein hohes Risiko, dass diese nach den Regeln der WTO (World Trade Organization) als verbotene Subvention klassifiziert werde. In diesem Fall wäre jedes Importland berechtigt, entsprechende Zölle zu erheben.** Das ist natürlich sehr unbefriedigend. Das Thema ist noch nicht gänzlich vom Tisch: 2025 wird die Kommission die Frage erneut prüfen

Der gesamte Bereich der privaten und KMU-Emissionen ist bis jetzt Teil der "Effort Sharing Regulation" (ESR), d.h. Aufgabe der Mitgliedstaaten. Es sind - neben den landwirtschaftlichen - zum überwiegenden Teil Transport- und Gebäudeemissionen,  also Kraft- und Brennstoffe. Hier ist auch die heftige Deutsche Diskussion über nicht erreichte Verkehrsemissions-Ziele anzusiedeln. (Im Gebäudebereich sieht es nicht viel besser aus.) Auch das nationale Deutsche Cap&Trade-System nach dem Brennstoffemissionshandelsgesetz, gehört hier hin. 

Die EU zieht diesen Bereich nun quasi an sich, indem sie ein zweites Cap&Trade-System eröffnet, das EU-ETS2. Es wird eine eigene Obergrenze, einen eigenen jährlichen Reduktionsfaktor und einen eigenen Zertifikatepreis haben. 

Warum ein zweites komplettes System und nicht einfach eine Eingliederung in das vorhandene? Der Grund liegt in den Dekarbonisierungskosten. Der Emissionspreis hängt nämlich eng mit diesen zusammen. Die Dekarbonisierung wurde im Verkehrs- und Gebäudebereich deutlich teurer angesetzt als im Großindustrie- und Elektrizitätsbereich. Würde man Erstere einfach ins ETS eingliedern, bekämen wir im Extremfall eine aufeinander folgende Dekarbonisierung der beiden Bereiche: zuerst müssten Industrie und Elektrizität mit dann doppelter Geschwindigkeit dekarbonisieren, danach Transport und Gebäude. Es leuchtet ein, dass dies schwieriger und teurer wäre als eine gleichmäßigere Entwicklung.

Dieser erwartete und notwendige hohe Emissionspreis im ETS2 ist jedoch ein großes Problem bei seiner Einführung: er belastet nämlich ärmere Haushalte in der EU überproportional. Das hat zu großen Widerständen gewisser Länder geführt, insbesondere Frankreichs, die ein Wiederaufflammen der "Gilets Jaunes"-Unruhen befürchten.

Deswegen wurde ein sozialer Ausgleichsfonds vorgesehen, der Klimasozialfonds, der aus den ETS2-Einnahmen über sechs Jahre an die 90 Mrd. € zur Verfügung stellen soll - für emissionssparende Investitionen und auch Direktzuwendungen. Wenn wir diese Summe auf das ärmste Fünftel der EU-Bevölkerung verteilen, sind das ca. 900 € pro Mensch - angesichts der Kosten für Wärmeisolierung oder Elektroautos kein hoher Betrag. Damit ist der soziale Ausgleich bis jetzt wohl durch den Sozialfonds nicht ausreichend gegeben und muss national erfolgen - oder eben nicht.*** 

Die zweite Maßnahme gegen die Energiearmut ist die Begrenzung des Zertifikatepreises auf 45 €/t_CO2, zumindest bis 2030. Damit nimmt man dem ETS2 jedoch einen großen Teil seiner Wirksamkeit. Wir haben hier also mehrere Widersprüche und insbesondere ein Paradebeispiel, wie die Einkommensungleichheit den Klimaschutz behindert. Transferleistungen sind die einzige Lösung - müssen aber auch wieder durchgesetzt werden. Wir werden sehen, wie sich die Sache entwickelt. 

Es gibt noch viele weitere Details in Michael Bloss' Beitrag, ich möchte hier nur auf eines noch eingehen: Deutschland hat ein separates nationales Cap&Trade-System nach dem Brennstoff-Emissionshandelsgesetzes (BEHG) für Kraft- und Brennstoffe, d.h. eine eigene Obergrenze und  Emissionspreis. Dieses war sogar Vorbild für das EU-ETS2. Der nationale Emissionshandel soll ins EU-ETS2 übergehen - wie genau, scheint aber noch unklar. Immerhin kann Deutschland einen nationalen Mindestpreis festlegen, der höher als die ETS2-Preisobergrenze ist. ****

---

* Die Liste der vom CBAM erfassten Produkte ist: Eisen und Stahl, Zement, Düngemittel, Aluminium, Elektrizität und Wasserstoff sowie einige Vorprodukte und eine begrenzte Anzahl von nachgelagerten Produkten, wie z.B. Schrauben. Auch die indirekten Emissionen werden in wohl abgegrenzter Weise in die Verordnung einbezogen. (EU climate action: provisional agreement reached on Carbon Border Adjustment Mechanism (CBAM) - Consilium (europa.eu) - 13.12.2022)

** Siehe dazu das Video einer Euractiv-Panel-Diskussion dazu von April 2022, ab 7min45s. Die EU erwartet, dass die Importe durch den CBAM so stark sinken, dass die entsprechenden Firmen die verlorenen Exporte innerhalb des EU-Raums ersetzen können werden.

*** Eine eingehende Diskussion der sozialen Problematik findet sich in dieser Publikation des Ariadne-Projekts vom Juni 2022. 

**** Ein eingehender Vergleich beider Systeme (Stand 02/2022) findet sich hier.

Einigung bei essentiellen EU-Klimaschutzregelungen

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