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Zeit und Geschichte

War die Rückgabe der Benin-Bronzen übereilt?

Dirk Liesemer
Autor und Journalist
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Dirk LiesemerSamstag, 06.05.2023

Dass koloniale Raubkunst wieder an die Herkunftsländer übergeben werden sollte, dürfte Konsens sein. Im vergangenen Dezember reiste Außenministerin Annalena Baerbock deshalb nach Nigeria, um dort die ersten Benin-Bronzen dem "nigerianischen Volk" zurückzugeben. In ihrer Rede betonte sie:

Daher freuen wir uns, den Bau eines Kunstpavillons im Edo-Staatsmuseum zu finanzieren und Sie einzuladen, die Bronzen dort auszustellen. Außerdem haben wir vereinbart, dass einige Bronzen auf globale Wanderausstellungen gehen und einige von ihnen als Leihgaben in deutschen Museen bleiben – damit sie dort Ihre Geschichten und Ihre Geschichte erzählen.

Seither ist eine Menge passiert, worauf die Schweizer Ethnologin Brigitta Hauser-Schäublin in einem kostenpflichtigen FAZ-Beitrag aufmerksam macht. Denn vor Kurzem hat der nigerianische Staatspräsident Muhammadu Buhari die "Eigentumsrechte sämtlicher Benin-Artefakte, die 1897 im Königspalast geplündert und anderswo im Benin-Reich gesammelt wurden, dem Oba von Benin übertragen". Dabei ist Buhari nur noch wenige Tage im Amt.

Was bedeutet diese Übertragung? Dazu schreibt Brigitta Hauser-Schäublin:

Der Präsident übereignet nationales Eigentum – also auch das, was bis zum Sommer 2022 nationales Eigentum Deutschlands war – an eine Privatperson beziehungsweise eine private, autokratische Institution. Aus einem öffentlichen Gut wird damit exklusives Privateigentum.

Auf Twitter meinen einige, es sei damit doch alles in bester Ordnung. Schließlich war der König von Benin ja einst im 19. Jahrhundert der ursprüngliche Eigentümer.

Die Dinge sind komplizierter, zumal die Königsfamilie vom Sklavenhandel profitierte. Aus diesem Grund warnte bereits vor Monaten eine Gruppe von Nachfahren der Sklaven vor einer pauschalen Rückgabe der Bronzen.

Trotz solcher Warnungen dürfte die Bundesregierung von der jüngsten Übereignung überrascht sein (auch, wenn der Historiker Jürgen Zimmerer meint, die FAZ entwickle sich wegen solcher Gastbeiträge "allmählich zum kolonialrevisionistischen Aktivistenblatt". Dass er den Thread eines Heidelberger Juniorprofessors verbreitet, der den FAZ-Text offenbar gar nicht gelesen hat, kann dabei nicht als Beleg gelten). 

Tatsächlich sei die Übereignung nicht plötzlich geschehen, schreibt Brigitta Hauser-Schäublin. Schon länger habe es im Land über die Frage der Benin-Bronzen gebrodelt, worüber die dortige Presse ausführlich berichtete. Während der Gouverneur des Bundesstaates Edo in der Hauptstadt Benin City ein kulturelles, weltoffenes Zentrum für westafrikanische Kunst schaffen wollte, in dem die Bronzen gezeigt werden sollten, habe der Könighof des Oba von Benin, Ewuare II., mit Gewalt gedroht, falls das EMOWAA die Kunstgegenstände erhält.

Mit dem "EMOWAA" ist das Edo Museum of West African Art gemeint, also genau jene Institution, die Baerbock in ihrer Rede als "Edo-Staatsmuseum" bezeichnet haben dürfte. Ob dort jemals Benin-Bronzen gezeigt werden, ist fraglich; Ähnliches gilt für globale Wanderausstellungen und die Dauerleihgaben. Ausgeschlossen ist das alles allerdings auch nicht.


Wie geschrieben: Der FAZ-Beitrag ist kostenpflichtig, ich empfehle ihn gleichwohl (für ein paar Tage auch auf Blendle), aber mittlerweile gibt es im Netz ein paar Zusammenfassungen: hier auf Welt, auf t-online und in der Berliner Zeitung. Empfehlenswert ebenfalls dieser Text in der Tagespost, auch wenn er die jüngste Entwicklung noch nicht berücksichtigt.

Nicht auszuschließen sei, so schreibt die Berliner Zeitung, dass die Benin-Bronzen vom neuen Eigentümer verkauft würden. Dann dürfte es nur eine Frage der Zeit sein, bis viele Bronzen wieder in Europa landen – jedoch sicher nicht in Museen.

NACHTRAG: Es gibt mittlerweile etliche Reaktionen, die von Jörg Häntzschel in der SZ ganz gut zusammengefasst wurden.

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Kommentare 2
  1. Achim Engelberg
    Achim Engelberg · vor 12 Monaten · bearbeitet vor 12 Monaten

    Die FAZ publizierte heute auch einen Kommentar. Andreas Kilb ist deutlich schärfer als Jörg Häntzschel. Wie Frau Hauser-Schäublin macht er nochmals deutlich, was für ein Staat das heute oft verklärte Königreich Benin war.

    Sein Fazit:
    "So oder so ist die Vorstellung, durch die Restitution würden alle historischen Wunden geheilt, krachend an der Wirklichkeit gescheitert. In den Vielvölkerstaaten Afrikas geraten auch Kunstwerke, und gerade die kostbarsten, in den Sog partikularer Interessen. Der Kampf um die Benin-Bronzen hat gerade erst begonnen. Darin steckt eine Lektion für die deutsche Politik. Die Frage ist nur, ob sie sie erkennt."

    https://blendle.com/i/...

    1. Dirk Liesemer
      Dirk Liesemer · vor 12 Monaten

      Ja, Kilb bringt es gut auf den Punkt, ansonsten finde ich es ja amüsant, wie sehr die Bundesregierung und die beteiligten deutschen Museen die ganze Sache herunterspielen. Mal schauen, wie es weitergeht.

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