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Fundstücke

Hineingefressene Scham

Charly Kowalczyk
Journalist

Ich bin in Singen am Hohentwiel geboren und lebe in Potsdam. Schreibe Radiofeature für den Deutschlandfunk und für die Sender der ARD. Bin Mitgründer des Bremer Hörkinos. Seit nun fast 19 Jahren stellen wir in Bremen ein Radiofeature der Öffentlichkeit vor.
www.bremer-hoerkino.de

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Charly KowalczykSonntag, 11.04.2021
Vor wenigen Jahren wurde mein Radiofeature "Halts Maul, du lügst! Verdingkinder in der Schweiz" von der ARD für den "Prix Europa" nominiert. Die Diskussion über das Stück wurde auf der Veranstaltung in englischer Sprache geführt. Ein Schweizer Freund übersetzte für mich. Nach der Diskussion kam ein Redakteur des Österreichischen Rundfunks (ORF) auf mich zu und er war empört, dass ich nicht Englisch sprach. Er sagte, wie könne das sein! Wie ich denn aufgewachsen wäre!? Aber nicht genug: In den Tagen danach wurde ich mehrmals von anderen Teilnehmer/innen des Kongresses gefragt, was - und nicht ob! - ich studiert hätte. Ein Studium wurde vorausgesetzt. Dass ich ohne Studium und Abitur dieses Feature schrieb, war zumindest (für einige) irritierend - und für mich war die Art der Nachfragen verstörend. Dies vorausgeschickt erklärt ein wenig, warum ich den Beitrag in der Kulturzeit von 3Sat wärmstens empfehle und wichtig finde.


"14 Autorinnen und Autoren schreiben in persönlichen Essays über Herkunft und Scham, über Privilegien und strukturelle Diskriminierung, über den Aufstieg und das Unwohlsein im neuen Milieu." So die Ankündigung des grade erschienenen Buches "Klasse und Kampf", herausgegeben von Maria Barankow und Christian Baron im Claassen Verlag. Einige der Autorinnen und Autoren berichten in der Kulturzeit von 3Sat, was sie zu dem Buch getrieben hat.

"Das Gefühl irgendwann entlarvt zu werden ist weit verbreitet."

"Die Angst, dass andere entdecken, ich hab keine Berechtigung hier zu sein"

"Unterschicht ist man ja selbst nie und da möchte man auch nicht hingehören."

"Es war immer von außen ein Thema zu welcher Klasse ich dazu gehöre oder nicht dazu gehöre."

Acht spannende Minuten Sendezeit. Interviews mit Kulturschaffenden, die den sozialen Aufstieg geschafft haben, also erfolgreich sind, und dennoch damit hadern, wie wenig durchlässig die deutsche Gesellschaft ist. Die Schriftstellerin Anke Stellung sagt so schön lapidar in dem Beitrag:

"Der Reichtum ist auch zu erkennen am Bodenbelag in der Wohnung".

Die Gesellschaft in Deutschland triftet immer stärker auseinander. Fast jeder 12. Erwerbstätige ist hierzulande von Armut bedroht, auch weil wir einer der größten Niedriglohnsektoren in Europa haben. Tätigkeiten werden schlecht bezahlt, obwohl sie für das Wohlergehen der Gesellschaft unverzichtbar sind. Die Corona-Pandemie verstärke diese Ungleichheit noch, meint der Spiegel-Autor Arno Frank, auch einer, der sich durchkämpfen musste:

"Es gibt eine Bildungsungerechtigkeit, die schon in den Schulen beginnt. Das merkt man übrigens auch bei Corona, wer die Mittel hat und wer die Zeit hat sich um seine Kinder zu kümmern, dem geht’s gut und die anderen werden jetzt grad komplett abgehängt.“

Wer es nicht schafft, ordentlich Geld zu verdienen, ist selbst schuld. So die oberflächliche Erzählung, die weit verbreitet ist. In Deutschland wächst die Ungleichheit zwischen denen, die nur ihre Arbeitskraft haben und denen, die erben oder ihr Geld verwalten. Für Leute aus finanziell benachteiligten Verhältnissen ist es ungeheuer schwer, Chancen im Kulturbetrieb zu haben. Wie die Hausregisseurin der "Münchner Kammerspiele" und Mitautorin des Buches "Klasse und Kampf", Pinar Karabulut, erzählt, sei der künstlerische Weg ins Theater verdammt hart gewesen:

"Ich kämpfe jeden Tag weiter dafür, dass ich in der Position, in der ich jetzt bin, sein darf. Ich kämpfe jeden Tag dafür, in meinen Inszenierungen, in meinen Theaterarbeiten, weil wenn ich glaube jetzt aufhören würde und sagen würde, okay ich bin jetzt angekommen, ich bleibe, wo ich bin, dann würde das nur mir helfen, dann hilft es aber nicht der jüngeren Generation."

Pinar Karabulut und die anderen Buchautorinnen- und Autoren wollen wieder mehr über Klassen und Schichten reden. Sie jammern nicht. Sondern sie kämpfen mit Texten gegen die Diskriminierung. Wer in kulturellen Institutionen oder in den Medien arbeitet weiß doch, wie wichtig unterschiedliche Zugänge sind. Deshalb brauchen wir mehr Leute aus sozial benachteiligten Schichten im Theater, in Redaktionsstuben und in Funkhäusern. Das erhöht nicht nur die Akzeptanz dieser Institutionen und Unternehmen: es bildet auch die thematische Vielfalt unserer Gesellschaft besser ab.


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