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Fundstücke

„Es ist in Nicaragua alles so bilderbuchartig furchtbar“

Charly Kowalczyk
Journalist

Ich bin in Singen am Hohentwiel geboren und lebe in Potsdam. Schreibe Radiofeature für den Deutschlandfunk und für die Sender der ARD. Bin Mitgründer des Bremer Hörkinos. Seit nun fast 19 Jahren stellen wir in Bremen ein Radiofeature der Öffentlichkeit vor.
www.bremer-hoerkino.de

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Charly KowalczykDonnerstag, 11.02.2021

Ich kann mich noch erinnern, wie sehr ich mich damals freute, als die Sandinisten 1979 den Diktator Somoza stürzten. Damals war ich in einem Eine-Welt-Laden in Bremen engagiert. Wir hatten nach der sandinistischen Revolution dieses kleine mittelamerikanische Land - mit unseren bescheidenen Möglichkeiten - über viele Jahre begleitet. Wir gründeten mit anderen Solidaritätsinitiativen die Mittelamerika Kaffee GmbH, um mit dem Verkauf von „Sandino Dröhnung“ Kaffee-Kooperativen in Nicaragua zu unterstützen. Spendeten für Frauenprojekte und Gesundheitsinitiativen. Lasen Romane und Gedichte von Gioconda Belli und Ernesto Cardenal. Luden Sandinisten nach Europa ein. Auch Daniel Ortega, den heutigen Präsidenten und Diktator. Doch was ist bloß daraus geworden!

Vorgestern lauschte ich einem anregenden DLF Kultur-Gespräch des Moderators Frank Meyer mit Regula Venske, der Präsidentin des deutschen Schriftstellerverbandes PEN. „Es ist alles so bilderbuchartig furchtbar“, kommentiert sie die Lage in Nicaragua. Der Schriftstellerverband dort hat seine Aktivitäten eingestellt. PEN Nicaragua muss mit hohen Strafen rechnen, wenn er mit der internationalen Mutterorganisation kooperiert, beispielweise bei Veranstaltungen.

„Ortega kämpft ja schon seit Jahren um die Erhaltung seiner Macht auf die übliche Art und Weise, wie es Diktatoren machen. Seit 2018, als es die zivilen Proteste gab, ist er brutal dagegen vorgegangen, mit hunderten von Toten. Das haben wir damals ja verfolgt. Und jetzt hat er ein neues Gesetz erlassen (…) das betrifft Nichtregierungsorganisationen, die Geld aus anderen Ländern erhalten, denen wird die Arbeit erschwert, die bekommen keine Lizenz mehr, keine Zertifizierung und müssen offenbar auch mit hohen Strafen rechnen. Und das ist das Problem für den nicaraguanischen PEN, weil er nicht zum internationalen PEN gehört und die Verbindung mit der internationalen Mutterorganisation ihm zum Strick gemacht wird in Nicaragua. Vergleichbare Gesetze gibt es auch in Russland, gibt es in Ungarn, auch in Israel. Damit wird den NGO´s das Leben schwer gemacht.“

Schriftsteller/innen sollen schweigen, so wie alle anderen auch, die sich kritisch mit der Situation im Land auseinandersetzen. Der 75-jährige Präsident Daniel Ortega und seine Getreuen haben Nicaragua in eine Diktatur verwandelt. Dutzende Oppositionelle befinden sich in Haft. Zehntausende sind in den vergangenen Jahren ins Ausland geflüchtet. Ortegas  Frau, die Schriftstellerin Rosario Murillo, ist Vizepräsidentin. Für Giocanda Belli,  Vorsitzende von PEN Nicaragua, ist Murillos Propaganda „eher Goebbels als Orwell“. Als die Vizepräsidentin am 17. Juli 2018 von Frieden und Aussöhnung redete, griffen gleichzeitig Polizei und Paramilitärs die indigene Gemeinschaft in Monimbó mit Kalaschnikows, Scharfschützengewehren und Artillerie an. Seitdem sind zweieinhalb Jahre vergangen - und die Angst im Land nimmt weiter zu. Es gibt keinen Raum mehr für freie Meinungsäußerungen.

Positive Veränderungen sind nicht in Sicht. Das Parlament in Nicaragua hat ein umstrittenes Gesetz verabschiedet, das die Kandidatur von Oppositionellen bei den Wahlen am 7. November 2021 verhindert. Das "Gesetz zur Verteidigung der Rechte des Volkes auf Unabhängigkeit, Souveränität und Selbstbestimmung für den Frieden" wurde von der sandinistischen Regierungspartei FSLN mit ihrer großen Mehrheit in der Nationalversammlung verabschiedet. Das Gesetz verbietet Nicaraguanern, sich für ein öffentliches Amt zu bewerben, die etwa "einen Staatsstreich anführen", "zu terroristischen Akten aufrufen" oder "die Verhängung von Sanktionen gegen Nicaragua oder seine Bürger beklatschen oder sich dafür einsetzen".

Es ist deprimierend. Ermutigend ist dennoch, dass die Schriftstellerin Giacanda Belli auch in Zukunft nicht schweigen wird. Auch wenn PEN Nicaruagua die Arbeit erst einmal einstellen muss.

"Ja, sie ist ja wirklich eine Kämpferin und in ihrer Jugend hat sie mit den Sandinisten für die Freiheit gekämpft, deshalb ist sie auch besonders verstört über ihren einstigen Weggefährten. Aber sie lässt sich nicht unterkriegen. (...). Sie schrieb mir heute Nacht, dass sie weiter für die Literatur und die Freiheit des Wortes kämpfen wird."



„Es ist in Nicaragua alles so bilderbuchartig furchtbar“

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Kommentare 1
  1. Andreas Schabert
    Andreas Schabert · vor 3 Jahren

    Ja, sehr traurig! Auch ich war damals solidarisch aktiv, 1983 mit einer Arbeitsbrigade in Nicaragua. Damals glaubten wir noch, dass die Revolution durch die Sandinisten echte Substanz hatte im Sinne von Freiheit, gGesellschaftliche Solidarität und Gerechtigkeit.

    Was Daniel Ortega dann nach seiner Wiederwahl aus dem Land gemacht, ist widerwärtig. Die verratene Revolution, einmal mehr leider.

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