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Literatur

Bücherbox – Debüts: Ziemlich tote Dinge

Bücherbox – Debüts: Ziemlich tote Dinge

Anne Hahn
Autorin und Subkulturforscherin
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Anne HahnSamstag, 02.10.2021

Wir waren neun und zehn, das Geschäft mit den Tieren war unser persönlicher Spielzeugladen. Andere Kinder hatten Plüschtiere; wir hatten präparierte Glattechsen, auf Trägerbrettchen gesetzte Barsche und Geweihe mit Lasurbeschichtung.

Die Geschwister Jessa und Milo leben in Florida, ihr Vater führt das Tierpräparationsgeschäft MORTON'S TAXIDERMIE (& MORE) in zweiter Generation. Wenn wir mit den Kindern einem Hirschzerlegen beiwohnen und damit in den Debüt-Roman Ziemlich tote Dinge von Kristen Arnett einsteigen, ahnen wir nicht, wohin uns diese 430 Seiten führen werden. Klar, das ist bei vielen Romanen so, aber hier wirkt die zugrundeliegende Dramaturgie so perfekt, dass ich meine Ausgabe des soeben bei ecco erschienenen Buches nach den ersten 50 Seiten nicht mehr aus der Hand legte, den kleinen präparierten Waschbär auf dem Einband im Auge behielt und mehrfach zu meinem Eichhörnchen trat, welches ich unlängst aus einem Nachlass gerettet habe. Es hat zerzauste Ohren und ähnelt dem Motiv, das Arnett angibt, warum sie sich näher mit dem Thema Tierpräparation befasst hat.

Bevor ein Tier präpariert wurde, gab es einige Vorarbeiten. Unser Vater würde den Hirsch häuten und das Skelett genau begutachten. Er würde sehen, wo das Einschussloch war, wie er den Körper des Tieres rekonstruieren musste, mit dicken Polstern aus Wolle und Füllmaterial und mit starken Drähten, um ihm die gewünschte Haltung zu geben.

Im ersten Kapitel, welches nach dem präparierten Weißwedelhirsch benannt ist, erfahren wir, dass Jessa die Erbin des Talents ist. Sie führt das Skalpell, wie es ihrem Vater gefällt, während Milo sich übergeben muss. Und während die Ich-Erzählerin Jessa uns die Leidenschaft des Taxidermisten nahebringt, die Hand ihres Vaters in den Ohren eines Kaninchens (welches auf einem Puppenfahrrad sitzt) erkennt, wird es plötzlich ungemütlich. Der Vater liegt zusammengesackt auf dem Präpariertisch, er hat sich in den Kopf geschossen. Jessas Blick folgt der "Sichtlinie des roten Schlamassels, in den sich die weiche Stelle im Schädel meines Vaters verwandelt hatte." Die Szenen wechseln, mit dem jeweilig präparierten Tier folgen Zeitsprünge. Jessa ist in der Gegenwart Nachfolgerin des Vaters, die versucht, das Geschäft am Laufen zu halten – und den Tod des Vaters zu ignorieren. Gefühle zeigen liegt ihr nicht, das war immer der etwas schrulligen wie sensiblen Mutter und dem Bruder Milo vorbehalten. Neben der stetigen Hitze in der unbenannten kleinen Stadt an einem See, in welchem Alligatoren schwimmen (und deshalb von der Polizei das nächtliche Badeverbot durchgesetzt wird), sind der wunderbare Humor und die innere wie äußere Vernachlässigung Jessas Hintergrundsound des Buches. Damit entwickelt Arnett einen Sog, dem sich schwer zu entziehen ist. Erst recht, als Brynn auftaucht, die Freundin und große Liebe beider Geschwister.

Schon beim Gedanken an Brynns Namen überfluteten Bilder von ihr mein Gehirn: schiefe Zähne und breiter roter Mund, ein Mädchen mit so viel Licht in sich, dass es fast schmerzte, ihr ins Gesicht zu sehen. Seit unserer Kindheit hielt sie mein Denken besetzt. Erinnerungen an Brynn fühlten sich an wie Rasierklingen in meinem Bauch, nie wie Schmetterlinge.

Als die vor Trauer schier verrückte Mutter beginnt, im Schaufenster des Taxidermieladens Sexszenen mit Tieren nachzustellen und sich auch noch eine neu eröffnete Galerie mit einer so schönen wie an Jessa interessierten Galeristin für diese "Kunst" zu begeistern beginnt, überschlagen sich die Ereignisse. Grandios!

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