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Literatur

Rachel Cusk: Second Place

Andreas Merkel

Sachbuchautor über Romane in Berlin. Letzte Veröffentlichung: "Mein Leben als Tennisroman" (Blumenbar). Kolumne "Bad Reading" im Freitag (das meinungsmedium).

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Andreas MerkelMontag, 31.05.2021

Noch bevor man das Buch aufschlägt und sich fragt, ob Rachel Cusk den Verstand verloren hat, hat man bereits einen Tag mit Recherche zu Büchern verbracht, die dieses Buch inspirierten, worauf einen die ebenfalls etwas abgelenkte Rezension in der New York Times brachte (unten verlinkt: der Kritiker denkt erst mal darüber nach, wie es sich anfühlt, in dem Schrifttyp zu schreiben, in dem Rachel Cusk schreibt: Optima).

Bevor man also am Beginn von Second Place (Faber & Faber, ab Herbst schon auf Deutsch bei Suhrkamp: Der andere Ort) dem Teufel in einem Zug nach Paris begegnet, überlegt man, ob man sich nicht dringend auch noch Mabel Dodge Luhans Lorenzo in Taos besorgen müsste – um das eigene Leben nur noch lesend, niemals mehr schreibend zu verbringen. Aber langsam: Mabel Dodge who? Lorenzo in what?

Mabel Dodge Duhan (1879–1962) war eine schwerreiche, schillernde US-amerikanische Kunst- und Literatur-Mäzenatin, die nach Jahren im Avant-Jet-Set mit Salons, Partys und Lovern ohne Ende vom Glamour die Nase voll hatte und sich nach New Mexico zurückzog. Dort, in Taos, heiratete sie einen Native American und schuf – so ganz wollte sie dem Art-Life nicht Goodbye sagen – ein berühmtes Künstler-Retreat, in dem Georgia O'Keefe, Ansel Adams und Aldous Huxley einander die Klinke in die Hand gaben.

Auch der zuvor von Luhan heftig umworbene D. H. Lawrence besuchte die Kolonie 1922, er kam mit seiner Frau Frieda (geborene von Richthofen, das Lady Chatterley-Vorbild). Zwischen den dreien – Mabel, Frieda, D.H. – entwickelte sich ein Love Triangle der wilden 20er (wir erinnern uns: Bohème, Psychoanalyse, Anarchie, freie Liebe, Monte Verita ... Frieda von Richthofen-Lawrence hatte auch mal was mit dem Freud-Systemsprenger Otto Gross und Wikipedia freut sich).

Das wiederum interessierte/faszinierte Rachel Cusk (immer schon großer D. H. Lawrence-Fan: eine Selbstauskunft, die mich in den beiden Interviews, die ich mit ihr führen durfte, stets zu keinen weiteren Nachfragen bewegte). Und zwar offenbar dermaßen, dass sie sich beim Schreiben ihres ersten Romans seit Kudos (dem etwas öden Abschluss der so genial begonnenen Outline-Trilogie) nun also an Mabel Dodge Luhans Memoir Lorenzo in Taos orientierte.

Wie Lorenzo in ... ist auch Second Place knappe 90 Jahre später als Briefroman angelegt, der sich an einen obskuren Jeffers richtet (bei Mabel Dodge Luhan der Dichter John Jeffers, Kritiker des selbstzentrierten, inhumanistischen Egos, ebenfalls regelmäßig zu Gast in Taos). Bei Cusk ist die Ich-Erzählerin eine Autorin, die nur M genannt wird, und in Temperament, Standing und Outift autobiografisch-biografisch durchaus spannend als eine Mischung aus Rachel Cusk herself und Mabel Dodge Luhan angelegt. Sie berichtet also einem gewissen Jeffers gleich zu Beginn des Romans, wie sie mal im Zug nach Paris dem Leibhaftigen (ja: dem Teufel) begegnete:

Einem widerlichen Strizzi, der sich mit einer Minderjährigen auf dem Schoß furchtbar danebenbenimmt und keiner im Abteil sagt was. Okay, man kann es sich vorstellen: ein schlimmer Typ, fies, ja. Aber muss es gleich der Teufel sein? Die Erzählerin insistiert, dass es das Böse an sich in der Welt gibt und mir fällt wieder ein, wie ich sie vor drei Jahren zum letzten Mal interviewte. Cusk wollte damals mit Fiktion aufhören und sich dem philosophischen Sachbuch zuwenden und das klang alles ziemlich abstrakt, theoretisch und eher nicht so gut (sie wollte damals auch Deutsch lernen, "um mein Gehirn zu trainieren").

In Second Place, zum Glück doch wieder ein Roman, verhält es sich nun so, dass man der Ich-Erzählerin auf den ersten 50 Seiten nicht unbedingt gern folgt. Immer wieder betont sie gegenüber Jeffers ihre Verletztheit und Empfindlichkeit (sie wäre von klein auf dauernd kritisiert worden), als wäre die Überwindung dieser Zustände gleichbedeutend mit dem Verlust ihres Egos. So dass man irgendwann über die Persönlichkeits-Anteile von Cusk versus derer von Luhan in M zu spekulieren beginnt.

Aber dann nimmt die Sache Fahrt auf: M will unbedingt, dass sie der berühmte Maler L in ihrem Countryhouse besucht, in dem sie mit ihrem Mann zurückgezogen an der britischen Küste lebt und das Nebenhaus, den Second Place, Künstlern zur Verfügung stellt. L lässt sich lange bitten, erscheint dann aber – zur Entgeisterung von M – gemeinsam mit jungem Girlfriend ...

Und weiter ist der Literaturdetektiv bisher noch nicht gekommen. Dafür hab ich mir heute erst mal Lorenzo in Taos bestellt.

Rachel Cusk: Second Place

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