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Literatur

Moshfegh & Murakami

Andreas Merkel

Sachbuchautor über Romane in Berlin. Letzte Veröffentlichung: "Mein Leben als Tennisroman" (Blumenbar). Kolumne "Bad Reading" im Freitag (das meinungsmedium).

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Andreas MerkelSonntag, 31.01.2021

Lieblingsautorinnen, die noch kein richtig gutes Buch geschrieben haben: Roberto Bolaño, Herrndorf, Ottessa Moshfegh, ich. Wobei natürlich sofort gefragt werden muss, was das überhaupt sein soll, ein "richtig gutes" Buch (eine ebenso gute, wie tödlich langweilige Frage, an deren Beantwortung zum Glück jede Leserin allein, das heißt: allein mit ihren Büchern, verzweifeln darf).

Uns bleibt heute nur festzuhalten, dass die Lieblingsautorin Ottessa Moshfegh mit ihrem neuen Roman Der Tod in ihren Händen (Hanser Berlin, aus dem Englischen von Anke Caroline Burger) auch schon wieder kein richtig gutes Buch, dafür aber eine elegante Krimi-Fingerübung geschrieben hat, die es schafft, gleichzeitig gemütlich und unheimlich zu sein – und damit beängstigend gut in die Zeit passt.

Die 72-jährige Vesta Guhl hat sich nach dem Tod ihres Mannes ein Haus am See in der nordamerikanischen Provinz gekauft, wo sie mit ihrem Hund Charlie über das Leben nachdenkt und auf langen Dog Walks in der Wildnis einen Zettel findet:

Sie hieß Magda. Niemand wird je erfahren, wer sie ermordet hat. Ich war es nicht. Hier ist ihre Leiche.

Das ist das erste, was der Leser liest. Das zweite: "Aber da war keine Leiche." Damit ist der ganze Plot im Grunde schon in vier genialen Sätzen erledigt. Der Rest handelt davon, wie Vesta von einer verwitweten Rentnerin zur Detektivin, Autorin und Rück-Eroberin ihres Lebens wird. Möglicherweise aber auch nur: wahnsinnig.

Der wahre Krimi spielt sich immer in unseren Gedanken und Bedürfnissen ab, was Moshfegh aber nicht banal behauptet, sondern so atemberaubend bedächtig erzählt, dass man die meiste Zeit vergisst, dass es sich hier auch um eine How-to-write-a-Krimi-Übung handeln könnte, die Vesta im örtlichen Bücherei-Computer gegoogelt hat.

Haruki Murakami hingegen war nie unser Lieblingsautor, hat mit seinem neuen Erzählungs-Band Erste Person Singular (Dumont, aus dem Japanischen von Ursula Gräfe) dennoch kurz die Hoffnung / Befürchtung in uns geweckt, der Großmeister des gehobenen Pop-Zen-Märchen-Magismus-Bullshitting würde jetzt auch noch in Autofiktion machen. Dies ist nicht der Fall, wir können uns wieder hinlegen.

Trotzdem machen die Erzählungen auf eine Bad-Writing-Weise sofort gute Laune: Wunderbar unambitioniert & entspannt, stimmt hier immer "irgendwas" (Harukis Lieblingswort) nicht. Geht eine Metapher ins Auge (Niki Lauda findet den Gang nicht als Beispiel für Selbstenfremdung). Verweht die Erzähllogik in dieser federleichten Lost-in-translation-Atmosphäre (auf den Gipfeln der Bestseller-Listen, wo die Luft dünn und Denken nicht alles ist).

Seine Fans lieben ihn genau dafür und mein Favorit ist die titelgebende Erzählung ganz am Ende von Erste Person Singular: Sie handelt vom gelegentlichen Anzug-Tragen (Paul Smith) in der Großstadt. Oder ob man in diesem ungewohnten Outfit möglicherweise in einer Bar störend auffällt, wo man bei einem Wodka-Gimlet einfach nur den mäßig spannenden Krimi eines Lieblingsautors lesen wollte: "Sie sollten sich schämen", sagte die Frau.

Und beide Bücher passen "irgendwie" (Murakami), also perfekt unperfekt, zur Kultur der Erschöpfung und des Verschwindens, die die New York Times im unten verlinkten Artikel für die Pandemie ausgemacht hat (übersetzt von perlentaucher.de):

Diese Form des Nihilismus hat seine deutlichste Ausprägung in der Masche des sensorischen Entzugs, findet sich auf subtilere Art aber auch anderswo: Die omnipäsenten dekorativen Sukkulenten, die kaum Pflege brauchen. Die sanft texturierten Wabi-Sabi Keramiken, ein bevorzugtes Hobby der Instagram-Generation. Monochrome Funktionskleidung von Everlane oder Uniqlo und die anschmiegsame Weichheit von Kaschmir-Trainingshosen, die in der Pandemie ausverkauft waren. Raffinierte Hautschutztechniken, die eine buchstäbliche Barriere gegen das Draußen bilden: Wir siegeln uns nach außen ab … Niemand scheint mehr irgendwas zu wollen. Es gibt keinen Enthusiasmus mehr für Verlangen in dieser Kultur, nur den Wunsch sich und alles aufzugeben. Ein fast buddhidistischer Aufbruch in die Selbstlosigkeit mit einer Spur des amerikanischen Konkurrenzdenkens und unserer Neigung zur Übertreibung: so viel Obliteration wie möglich. Oder wie ein Graffito, das ich in Philadelphia sah, es treffend ausdrückt: 'Make America nothing again.'

Kein kleiner Verdienst: Graffiti-Slogans in Weltliteratur übersetzen!

Moshfegh & Murakami

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