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Zeit und Geschichte

»System Change, not Climate Change!« – Der nicht mehr einsame Rufer

Achim Engelberg
Dr. phil.
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Achim EngelbergMittwoch, 08.12.2021

Ab heute verkörpert Angela Merkel nicht mehr gegenwärtige Politik, sondern noch nicht aufgearbeitete Geschichte.

Die kürzlich verstorbene Bettina Gaus, hier mein piq zu ihrem Tod, schrieb bereits 2004 – also ein Jahr, bevor Merkel zur Bundeskanzlerin mutierte – einen Text über ihre Machttechnik, der trotz einiger Fehleinschätzungen hilft, zu verstehen, warum die CDU heute inhaltlich ausgedörrt ist.

Ab nun ist Olaf Scholz ihr Nachfolger im Kanzleramt; doch bereits unmittelbar nach der Wahl zeichnete Klaus Dörre das Ungenügen dieses Politikansatzes und die Notwendigkeit eines fundamentalen Systemwechsels auf.

Klaus Dörre ist ein Schüler von Frank Deppe, den ich in meinem letzten piq vorstellte. Der 1957 geborene Dörre erlebte die Implosion der Sowjetunion und ihrer Satrapen in einem Alter, in dem man gewöhnlich richtig loslegt. Nach einigen Um- und Nebenwegen erhielt er eine Professur in Jena.

Lange war er ein einsamer Rufer in der Wüste des realen Kapitalismus; doch allmählich wird er gehört. In seinem aktuellen Buch, seinem ersten im trendigen Verlag Matthes & Seitz, "Die Utopie des Sozialismus – Kompass für eine Nachhaltigkeitsrevolution" zeigt er auf, was er aus dem Scheitern des Ostblocks gelernt hat und warum er nicht an eine Reform der bestehenden Verhältnisse glaubt.

Scharf kritisiert er in einem auf diesem Buch basierenden Artikel eine mediale Öffentlichkeit, die mehr vernebelt als aufklärt:

Ein Thema erscheint umso weniger wichtig, je mehr es arbeitende Menschen betrifft. Hingegen steigt die mediale Aufmerksamkeit in dem Maße, wie die Relevanz der Themen für die Lebenswelt der unteren Klassen schwindet. Politik wird mehr und mehr zur Unterhaltung. Spektakel, Skandale, gegenseitige Beleidigungen, Illoyalitäten und Intimitäten bekommen den Rang von öffentlichen Ereignissen.

Ein Zukunftsprojekt kann daraus nicht entstehen, aber auch die alten "Sozialismen" sind und bleiben tot.

Die Sozialismen des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts waren Kinder der ersten industriellen Revolution. Die Sozialismen des 21. Jahrhunderts werden ebenfalls Kinder einer Produktivkräfte-Revolution sein, die sich nun aber unter völlig anderen Vorzeichen vollzieht als ihr historischer Vorläufer. Sozialistische Ideen des 21. Jahrhunderts müssen – so meine These – ihre Überzeugungskraft aus der Notwendigkeit einer Nachhaltigkeitsrevolution beziehen.

An eine schöne, neue grüne Welt glaubte er nie, da er in seinen Forschungen die Fundamente des marktextremen Kapitalismus untersuchte:

Wir fahren dann eben mit dem Elektroauto, verfügen über synthetische Kraftstoffe, essen aus Pflanzen hergestelltes Fleisch, bauen mit emissionsfreiem Zement, verarbeiten klimaneutralen Stahl, lassen die Welt aber im Großen und Ganzen so, wie sie ist. Das ist ein Wechsel auf die Zukunft, der sich nicht einlösen lässt, weil die systemischen Treiber des »Immer mehr und nie genug« – allen voran eine auf permanente Landnahmen, das heißt auf Wachstum, Marktexpansion und Gewinnsteigerung ausgerichtete Wirtschaft – fortbestehen.

Wie sein Lehrer Frank Deppe, glaubt auch Klaus Dörre an die Notwendigkeit einer radikalen Alternative. Beide sind gebrannte Kinder und glauben nicht mehr an große Parteien, die immer auch große Apparate sind.

Deshalb schwebt Klaus Dörres eine plurale Linke vor, die auf verschiedenen Wegen geht, aber ein Ziel vor den Augen hat:

Gut möglich, dass eine solche Linke auch an eingeschliffenen Parteigrenzen rüttelt, denn die alte Scheidelinie zwischen »reformistischer« und »revolutionärer« Linker ist unter den Bedingungen der Zangenkrise überflüssig. Sozialismus im 21. Jahrhundert ist ein gradueller Politikansatz. Alle Kräfte, die unter Bezeichnungen wie demokratische Postwachstumsgesellschaft, Gemeinwohlökonomie, Gesellschaft der Commons und so weiter nach einer Alternative zum Wachstumskapitalismus suchen, sind ihre natürlichen Verbündeten.

In einem meiner nächsten piqs befasse ich mich mit einer Frau, die das Scheitern der Sowjetunion nicht mehr direkt erlebte, weil sie noch ein Kind war, und die dennoch eine grundlegend veränderte Gesellschaft für notwendig erachtet.

»System Change, not Climate Change!« – Der nicht mehr einsame Rufer

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Kommentare 1
  1. Christoph Weigel
    Christoph Weigel · vor mehr als 2 Jahre

    danke für's piqn, achim!

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