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Zeit und Geschichte

Pankaj Mishras anderer Blick auf den Krieg in der Ukraine

Achim Engelberg
Dr. phil.
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Achim EngelbergFreitag, 06.05.2022

Der indische Autor Pankaj Mishra ist kein Unbekannter auf piqd. Von seiner Position sieht er aus einem anderen Blickwinkel auf den großen Krieg im Osten als der "neu vereinte Westen". Und das meint nicht nur, dass er für ihn im Norden stattfindet.

Auf Spiegel.de ist das hier empfohlene englische Original frei zu lesen, dagegen ist die deutsche Übersetzung im Spiegel und hier auf Blendle kostenpflichtig.

Wenige Schlaglichter aus der Übersetzung:

Wenn man nach warnenden Beispielen fragt, würde ich tatsächlich an die westliche Reaktion auf 9/11 erinnern – und nicht, wie derzeit viele Politiker und Journalisten, an Hitler, München und die Appeasementpolitik von 1938. Die Fanatiker der al-Qaida haben am 11. September sehr viele Menschen getötet und enormen Schaden angerichtet. Doch als global noch verheerender als die ursprüngliche Gewalttat hat sich die katastrophal dumme Reaktion auf die Anschläge herausgestellt – die Eröffnung eines Krieges gegen den Terror, in den so viele Staaten einbezogen wurden und der, wie wir heute wissen, in Niederlage und Demütigung und im politischen Zerfall ganzer Weltteile endete.

Mishra ist sich sicher, dass das von Putin geführte Russland den Krieg verlieren wird wie al-Qaida, aber die vom Westen verursachten Folgeschäden könnten langfristig einen größeren Schaden anrichten.

Für veraltet hält er das im Westen immer noch gebräuchliche Denken und Handeln, das im Kalten Krieg verharrt und begründet es so: 

Es erweckt den Eindruck, es gäbe nur diese zwei Machtblöcke. In Wahrheit ist die Welt zutiefst vernetzt. Indem ihr Russland bestraft, bestraft ihr unbeabsichtigt viele andere und ärmere Länder. Ihr fördert die Paranoia und ermutigt Autokraten, genau den Weg einzuschlagen, den China geht.

Bestimmt sind die Positionen von Pankaj Mishra die eines weltweit gelesenen Autors, also subjektiv gebrochen, aber in ihnen werden fundamental andere Erfahrungen dargestellt.

Das zeigt sich auch in diesem Dossier der Stiftung für Politik und Wissenschaft, die u. a. die Bundesregierung berät. Die Wahrnehmungen und Interessen wichtiger Akteure in Afrika und dem Nahen Osten unterscheiden sich gravierend von denen des "Westens".

Deshalb hat Mishra Recht, wenn er im Spiegel feststellt:

Wenn Sie die Länder zählen, die sich enthalten haben (in der UNO, A. E.) oder es ablehnen, sich den Sanktionen gegen Russland anzuschließen, dann haben Sie es mit der breiten Mehrheit der Weltbevölkerung zu tun. Alle haben ihre eigenen Motive, die Sanktionen nicht mitzutragen und die Invasion nicht zu verurteilen. Die Vorstellung, die gesamte internationale Gemeinschaft wäre gegen Russland geeint, ist jedenfalls eine Selbsttäuschung.

Zeigen sich hier, wenn es zu keinem Dritten Weltkrieg mit Atomraketen kommt, Umrisse einer neuen Welt(un)ordnung?

Pankaj Mishras anderer Blick auf den Krieg in der Ukraine

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Kommentare 11
  1. Thomas Wahl
    Thomas Wahl · vor fast 2 Jahre

    Ich weiß nicht. Der Rat den Krieg durch Verhandlungen mit Putin zu beenden, der offensichtlich gar nicht verhandeln will, erscheint mir weltfremd. Und zu glauben, das die Führer Rußlands und Chinas jemals Teil der westlichen Moderne sein wollten ist es, vorsichtig gesagt, auch. Putin hatte nie vor sich demokratischen Wahlen zu stellen und die Opposition gedeihen zu lassen. Und bei der führenden Rolle der chinesischen KP war immer die rote Linie für die Verwestlichung Chinas ….

    Sonst ist vieles gut beobachtet. Ja, Politik ist kein idealer Prozess und Indien keine ideale Demokratie. Modi wahrscheinlich auch kein Demokrat?

    1. Achim Engelberg
      Achim Engelberg · vor fast 2 Jahre

      Einverstanden.

      Modi ist ein lupenreiner Verbrecher.

      Ja, Mishra ist ein kluger Autor, der die Sicht des globalen Süden einbringt, aber manchmal zu einseitig urteilt.

      Deshalb versuche ich in meinem Buch AN DEN RÄNDERN EUROPAS immer wieder Zwischentöne anklingen zu lassen. Da macht er aus Japans Sieg über Russland ein erstes Zeichen für den Niedergang des Westens und dem Wiederaufstieg Asiens. Aus S. 120 kommentiere ich das:

      Allerdings werden die Tatsachen der Geschichte leicht zum Vexierspiel
      der Deutungen. Während Russland den Rat Otto von Bismarcks
      (»Soll Revolution sein, so wollen wir sie lieber machen als
      erleiden.«) zu Veränderungen brüsk zurückwies, reformierte sich
      Japan nach europäischen, nicht zuletzt deutschen Vorbildern und
      entwickelte sich zu einer Ausnahme im asiatischen Raum. Anders als
      Pankaj Mishra macht der Russlandexperte Orlando Figes als Ursache
      für die Niederlage die Reformunfähigkeit des Zarenreiches, ja die
      mangelnde Verwestlichung aus. Wer den riesigen asiatischen Raum
      Russlands betrachtet, versteht Fjodor Dostojewski: »In Europa waren
      wir Asiaten, während wir in Asien zu den Europäern zählen.«

    2. Thomas Wahl
      Thomas Wahl · vor fast 2 Jahre · bearbeitet vor fast 2 Jahre

      @Achim Engelberg Ich lese gerade noch mal in Habsbawn. Danach könnte man den ganzen Rußland-Komplex auch als nachholenden Zusammenbruch des alten Zarenreiches und seines "Erben" der Sowjetunion betrachten. Hat was für sich …

      Eric Habsbawm
      Das Zeitalter der Extreme
      "Als sich der Schlachtenstaub das Weltkrieges, des Bürgerkriegs in den frühen zwanziger Jahren gesetzt hatte, als das Blut der Gefallenen getrocknet war und die Wunden verheilt, da waren auch fast alle Gebiete des orthodoxen russischen Zarenreichs aus der Zeit vor 1914 als unversehrtes Imperium wieder aufgetaucht – nun allerdings unter der Herrschaft der Bursche ficken und ganz dem Aufbau des Welt Sozialismus geweiht. Als einziges der alten dynastisch–religiösen Imperien hat es den ersten Weltkrieg überlebt, anders als das osmanische Reich, dessen Sultan der Khalif aller Gläubigen Muslims gewesen war, und das Habsburger Reich, dass besondere Beziehung zur römischen Kirche unterhalten hatte, und die beide unter dem Druck der Niederlage zusammengebrochen und zerstört worden waren. Das Russland als einziges multiethnisches Gebiet von der polnischen Grenze im Westen bis zur japanischen Grenze im Osten überleben konnte, war so gut wie gewiss der Oktoberrevolution zu verdanken. Denn genau die Spannungen, die anderen Imperium aufgebrochen hatten, sollten Ende der achtziger Jahre – als das kommunistische System, dass die Union seit 1917 zusammen gehalten hatte, endgültig abdankte – auch in der Sowjetunion entstehen. Aber in den frühen zwanziger Jahren hätte man von dieser Zukunft nichts wissen können; in dieser Zeit war ein bis zur Verzweiflung ausgelaugtes und rückständiges - viel rückständigeres sogar als das russische Russland – Land von enormer Größe entstanden ('ein Sechstel der Landmasse der Erde' wie die Kommunisten zwischen den Kriegen stolz zu betonen pflegten), dass sich einer Gesellschaft verschrieben hatte, die sich von Kapitalismus unterschied, ja ihm entgegenstand. 1945 dehnten sich die Grenzen der Region, die sich vom Weltkapitalismus losgesagt hatte, dramatisch aus. In Europa umfasste sie nun das gesamte Gebiet östlich einer Linie, die etwa von der Elbe in Deutschland bis zur Adria verlief, und darüberhinaus den gesamten Balkan mit Ausnahme von Griechenland und jedem kleinen Teil der Türkei, der auf dem europäischen Kontinent lag. Polen, Slowakei, Ungarn, Jugoslawien, Rumänien, Bulgarien und Albanien gehört nun ebenso zur sozialistischen Zone wie der Teil von Deutschland, der von der roten Armee besetzt worden war und 1949 zur deutschen Republik erklärt werden sollte. Hinzukam noch nahezu alle Gebiete, die Russland als Folge von Krieg und Revolution nach 1917 verloren und zwischen 1939 1945 wieder erworben hatte, plus ein oder zwei Territorien, die einst zum Habsburger Reich gehört hatten. Nach dem kommunistische Regime die Macht auch in China (1949), in einem Teil von Korea (1945) und im Laufe eines 30-jährigen Krieges auch im ehemaligen Französischen-Indochina (Vietnam, Laos, Kambodscha; 1945-75), sollte sich die sozialistische Region auch auf den fernen Osten, etwas später auch auf einige Gebiete in der westlichen Hemisphäre erstrecken (Kuba, 1959) und in den siebziger Jahren Afrika reichen. Doch seine eigentliche Gestalt hatte der sozialistische Weltteil in den fünfziger Jahren angenommen. Dank der riesigen Menschenmasse in China gehört ihm ein Drittel der Menschheit an, ….." (S. 465)

    3. Achim Engelberg
      Achim Engelberg · vor fast 2 Jahre

      @Thomas Wahl Danke, zumindest dieses Kapitel werde ich nochmal lesen.

    4. Thomas Wahl
      Thomas Wahl · vor fast 2 Jahre

      @Achim Engelberg Es lohnt sich.

  2. Ruprecht Polenz
    Ruprecht Polenz · vor fast 2 Jahre

    Sehr lesenswert. Wie immer muss man schauen, mit dem Bad nicht auch das Kind auszuschütten. Der Westen muss die negativen Folgen seiner Russland-Sanktionen auf unbeteiligte Länder des globalen Südens abmildern, so gut es geht. Er wird nur attraktiv bleiben, wenn er an seiner soft power arbeitet und sich selbst an die Standards hält, die er für andere proklamiert.

    1. Cornelia Gliem
      Cornelia Gliem · vor fast 2 Jahre

      Ja so wie wir intern die negativen Folgen der Sanktionen auf unsere Bevölkerung (und Firmen) abmildern, müssen wir das als Staaten(gemeinschaft) auch ärmeren Staaten gegenüber tun.

      Ähnliches tun wir die EU ja anscheinend gegenüber zb Ungarn die ihre Extrawurst beim Ölembargo bekommen, wenn auch nicht wegen Armut sondern aus zähneknirschend politischen Gründen...

  3. wolfgang wiemer
    wolfgang wiemer · vor fast 2 Jahre

    Mir scheint Mishra text einer der wichtigsten zum aktuellen Ukraine-Krieg; er enthält wichtige Ratschläge gerade für "den" Westen. Schade, dass die Einführung sich nicht verkneifen kann, den Text als "subjektiv" zu disqualifizieren. Als ob "unser" Rückfall ins kalte-Kriegs-Schema Gut gegen Böse objektiv wäre...

    1. Achim Engelberg
      Achim Engelberg · vor fast 2 Jahre

      Jede Position ist subjektiv; allerdings empfehle ich nur Beiträge, die auch - hoffentlich - Objektives enthalten. Das ist im "Nebel des Krieges", wie es Clausewitz in seinem berühmten Buch schrieb, nicht einfach. Deshalb verlinkte ich diesmal das Dossier der SWP. Wenn ich einen Beitrag empfehle oder als Unpiq kritisiere, ist das nie eine rein subjektive Position.

    2. wolfgang wiemer
      wolfgang wiemer · vor fast 2 Jahre

      @Achim Engelberg Danke, ich verstehe die Position, hätte selbst auf das Adjektiv verzichtet. Vielleicht piqd Ihr den aktuellen Thomas Fischer Kommentar über Propaganda aus spiegel-online? Schöne Grüße

    3. Cornelia Gliem
      Cornelia Gliem · vor fast 2 Jahre

      Nun das sollte wohl einfach zeigen, dass seine Einschätzung 'genauso' nicht der gesamten Weltmeinung entspricht wie die des Westens...

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