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Technologie und Gesellschaft

Der digitale Männerclub

transform Magazin
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transform MagazinDienstag, 05.04.2022

Ob Abtreibungsverbot oder gläserne Decke, gegen die Folgen männlicher Dominanz kämpfen Feminist*innen schon lange. Auch im Internet werden Frauen diskriminiert – mit konkreten Folgen im realen Leben. Aber es gibt Widerstand.

Die Big Five, die ›großen Fünf‹ der digitalen Welt, sind heute Google, Apple, Microsoft, Amazon und Facebook. Und deren Gründer*innen? Es braucht hier eigentlich kein Gendersternchen, denn diese Internetpioniere sind allesamt männlich: Milliardäre wie Steve Jobs, Bill Gates, Jeff‘ Bezos und Marc Zuckerberg dominieren die Techbranche und somit nicht nur unseren Zugang zur digitalen Welt, sondern auch das Wesen des Internets. Wer aber meint, das World Wide Web sei schon immer eine Männerdomäne gewesen – »weil Frauen sich eben nicht für Technologie interessieren« – irrt sich.

Schon mal von Ada Lovelace gehört? Diese Dame war schon 1843 die erste Person, die als Programmierer*in bezeichnet werden kann, und war somit Wegbereiterin für alle Herren, die danach kamen. Leider traten nicht viele Frauen in Lovelaces Fußstapfen, denn das Internet ist heute ein Männerclub. Und nicht nur das Internet: Der Anteil der Frauen in der Tech-Branche lag 2018 in Indien bei 34 Prozent, in Deutschland waren es nur magere 17 Prozent. Im selben Jahr kam eine Studie des Tech-Investors ›Atomico‹ zu dem traurigen Schluss, dass bei 175 Tech-Start-ups nur eine Frau in der Chefetage saß. Knapp die Hälfte der befragten Frauen gab hier außerdem an, schon einmal Diskriminierung in der Tech-Szene erlebt zu haben...

Das Internet ist also männlich – das ganze Internet? Nein! Versteckt zwischen Codes, Scripts und Pseudonymen leistet eine kleine Gruppe von Frauen Widerstand gegen die Patriarchalisierung des Netzes: die Mitglieder von ›WomenEdit‹. In Berlin-Kreuzberg treffen sie sich einmal im Monat im Wikimedia-Büro zum Kampf gegen Windmühlen, oder konkreter: zur Ausbildung von neuen Wikipedia-Benutzerinnen, zum Debattieren und zum Erstellen und Redigieren von Einträgen. Als Hilfestellung gibt es im Wikimedia-Portal für Frauen eine sehr lange Seite voller weiblicher Namen. Sie trägt den Titel ›Frauen in Rot‹ und listet bedeutsame Frauen ohne Wikipedia-Eintrag auf. Die WomenEdit-Teilnehmerinnen bearbeiten unter anderem diese Liste und sollen anschließend als Multiplikatorinnen wirken, also nach dem Treffen ihr Wissen an andere Frauen weitertragen. Auf diese Weise soll der Gender-Gap in der Wikipedia verkleinert und Frauen sichtbarer werden. So die Theorie.

Rauer Ton in der Kommentarspalte

Doch nur wenige Frauen behaupten sich in dieser männlichen Echokammer. Denn der Ton in der Wikipedia ist rau und eingeschworene Communities unterstützen sich gegenseitig gegen Neulinge – und Frauen. Viele Änderungen werden einfach von Administratoren wieder rückgängig gemacht. Davon kann sich jeder angemeldete User selbst in der Editor-Spalte überzeugen. Eine Studie von Julia Bear und Benjamin Collier ergab, dass Frauen in der Wikipedia härter angegangen werden, beispielsweise bei Änderungen und Fehlern. Auf diesen rauen Ton haben viele Nutzerinnen offenbar schlicht keine Lust – und wenden sich trotz Fachwissen von der Wissensplattform ab. Um diese ›editing wars‹ zu verhindern, hat das digitale Lexikon eine Gender-Gap-Taskforce eingerichtet, um Frauen als Benutzerinnen zu gewinnen. Doch trotz aller Anstrengungen zur Gleichberechtigung ist es immer noch verpflichtend, in Wikipedia-Artikeln das generische Maskulinum zu verwenden.

»Man braucht ein dickes Fell«, sagt IvaBerlin, Leiterin des Treffens bei Women-Edit, zu den Umgangsformen im Diskussionsteil. Bis zu acht Stunden in der Woche schreibt sie ehrenamtlich unter ihrem Pseudonym für die Wikipedia. »Viele Frauen wollen deshalb nicht als weibliche Benutzerin auftreten – aber es nützt nicht viel.« Das Einzige, was gegen hartnäckige Wikipedia-Trolle helfe, ist laut IvaBerlin Vernetzung und gegenseitiger Support wie beim WomenEdit oder Editor-Marathons, genannt Editathon. Wer alleine editiert und ständig zurückgesetzt werde, könne schnell frustriert werden und aufgeben. Ihr selbst sei das am Anfang auch passiert. Je mehr Frauen also an der Wikipedia mitschreiben, desto besser: »Wenn wir immer versuchen, in der Menge zu verschwinden, dann funktioniert das auf Dauer nicht«, ist ihre klare Meinung. »Wenn wir Frauen gesehen werden wollen, dann müssen wir uns sichtbar machen.«

Welche Auswirkungen hat die Ungleichheit?

Aber auch abseits der Wikipedia beeinflusst das Internet unsere Wahrnehmung der Welt: Männlich dominierte Social Media-Kanäle und Suchalgorithmen bei Google steuern unser Verhalten, unser Denken, sogar unsere Wahlentscheidung. Wie sehr wir dort durch unsere persönlichen Daten und digitalen Verhaltensweisen manipuliert werden, zeigt die sehr gute Dokumentation ›The Social Dilemma‹ auf schockierende und anschauliche Weise. Das Internet steuert unser Offline-Leben, das ist inzwischen ein Fakt. Auch, dass Männer diese digitale Welt dominieren: Schon 1997 kam die Kommunikationswissenschaftlerin Johanna Dorer zu dem Schluss, das Internet sei kein geschlechtsneutraler Raum, sondern ein »gendered net«, das von Anfang an geschlechterbinär codiert wurde. Wie es sich auswirkt, dass unsere zweite, digitale Welt von Männern dominiert wird, ist wissenschaftlich schwer zu beantworten.

Wäre das Internet ein anderes, wäre es von Frauen entworfen worden? Würde härter gegen Hate Speech, illegale Pornografie und Trolle vorgegangen, wenn es mehr Frauen in den Führungsetagen der großen Internetkonzerne gäbe? Es ist zumindest Zeit, darüber nachzudenken.

Der digitale Männerclub

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Kommentare 1
  1. Ria Hinken
    Ria Hinken · vor 2 Jahren

    Ein sehr guter Artikel. Danke dafür.
    Das Problem bei Wikipedia kann ich bestätigen. Interessanterweise habe ich in der Schweiz keine Probleme, sondern nur in Deutschland. Alle meine Einträge über Schweizer:innen sind anstandslos akzeptiert worden.
    Ich freue mich ganz besonders darüber, dass ich in meinem Schulprojekt "Digitale Alltags-Coaches für Ältere" 5 Mädchen und 1 Jungen gewinnen konnte. Bei der Berichterstattung darüber in der Lokalpresse war ein typisches Foto zu sehen. Der Junge ganz groß vorne im Bild. Das Foto hat (man ahnt es schon) ein Fotograf gemacht.

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