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Zeit und Geschichte

Feature über das ikonische Foto "Terror of War" von 1972

Dirk Liesemer
Autor und Journalist
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Dirk LiesemerDienstag, 21.06.2022

Über Kriegsfotografien wurde immer schon gestritten. Was soll und vor allem auch was muss man dem Publikum zeigen, damit es sich eine realistische Vorstellung von dem macht, was an der Front passiert und was Krieg bedeutet? Wie viel darf man Menschen zumuten, die selbst nicht direkt betroffen sind – die sich aber gleichwohl eine Meinung bilden müssen, ob etwa das eigene Land sich mit schweren Waffen an einem Konflikt beteiligen soll? 

Für Bildredaktionen ist es eine tägliche Gratwanderung. Sie wollen aufklären, ohne sich dabei einen Shitstorm einzuhandeln. Sind die Bilder zu harmlos, zu anonym, zu symbolisch, werden sie nicht wahrgenommen und entfalten keine Wirkung. Sind sie aus zu großer Distanz aufgenommen, wirken sie wie propagandistische Schlachtengemälde früherer Zeiten. Und sind sie zu drastisch oder rühren an zu vielen Empfindsamkeiten, dann wenden sich zu viele Menschen ebenfalls ab oder protestieren auf Twitter, was nur die wenigsten Redaktionen gleichgültig lässt.

Aktuell ist um die Frage der Identifizierbarkeit eine Debatte entbrannt: Wann macht man Opfer ein zweites Mal zu Opfern? Und umgekehrt: Wann führt Verpixelung und Unkenntlichmachung zu einer erneuten Entmenschlichung? Und wie ist dann überhaupt Mitgefühl möglich, das ja nicht zuletzt beim Blick in andere Gesichter aufkommt? Opferschutz und Aufklärung stehen in einer Spannung, die sich nicht mal eben auflösen lässt. Wenig verwunderlich gibt es denn auch keine einfache Regel, wie kürzlich der Presserat deutlich machte:

„Letztlich steht jedes Foto für sich und wird von uns einzeln bewertet“, betont von Hutten. Vom Einzelfall hängt auch ab, ob die identifizierende Darstellung von Opfern presseethisch zulässig ist. „Hier sollten Redaktionen abwägen, ob der Persönlichkeitsschutz hinter dem öffentlichen Interesse zurücktritt oder ob die Darstellung womöglich die Menschenwürde der Betroffenen nach Ziffer 1 des Pressekodex verletzt“, so von Hutten.

Gepiqd habe ich einen dreiviertelstündigen Beitrag des DLF über das ikonische, vor genau 50 Jahren aufgenommene Bild "Terror of War" (auch "Napalm Mädchen" genannt), das übrigens fast nicht veröffentlicht worden wäre, weil das Mädchen nackt abgelichtet ist. Es zeigt die neunjährige Kim Phuk, die bei einem südvietnamesischen Fliegerangriff verletzt wurde. Und es ist gut vorstellbar, wie sehr der Presserat mit Beschwerden überflutet würde, wenn heute ein Medium ein derartiges Foto aus der Ukraine veröffentlichte. Auch daher ist mein Eindruck, dass viele Redaktionen lieber vorsichtig agieren, was – siehe oben – nicht unproblematisch ist.

Merkwürdig mutet im insgesamt sehr hörenswerten Feature nur eine kurze Bemerkung des Interviewers an, die berühmtesten Fotos des Vietnamkrieges hätten "presseethische Standards gerissen" (Min. 4:30), was der Gesprächspartner Michael Ebert vom Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Photographie gleich einordnet – wohlgemerkt: "Terror of War" wurde damals mit den höchsten journalistischen Auszeichnungen bedacht. Und ich kann keinen Grund erkennen, weshalb man ein vergleichbares Bild heute nicht erneut auszeichnen sollte.

Aufmerksam machen will ich noch auf eine sehr ausführliche Betrachtung des Historikers Paul Gerhard von 2005 in den "Zeithistorischen Forschungen". Er weist auf die ambivalente Wirkung des Bildes hin: 

Die große Resonanz, die das Foto vor allem in den USA fand, lag unter anderem darin begründet, dass es die konträren Lager gleichermaßen bediente: Die Befürworter eines weiteren Militärengagements in Vietnam konnten sich mit dem Bild identifizieren, da sie es als Beleg ihrer Kritik der „Vietnamisierung“ des Krieges deuten konnten - Südvietnam sei gar nicht in der Lage, den Krieg erfolgreich zu Ende zu führen. Die Kriegsgegner und Pazifisten wiederum bestätigte die Fotografie in ihrer generell ablehnenden Haltung gegenüber dem Krieg in Vietnam und dem Krieg im Allgemeinen.

Und dann gibt es noch bis zum 9. Oktober 2022 eine Ausstellung im Wilhelm-Fabry-Museum in Hilden.

Feature über das ikonische Foto "Terror of War" von 1972

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Kommentare 2
  1. Joseph Dengler
    Joseph Dengler · vor fast 2 Jahre

    Gratwanderung. Just sayin'

    1. Dirk Liesemer
      Dirk Liesemer · vor fast 2 Jahre

      Stimmt!

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