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"Wie Wladimir Putin mein Moskau verändert hat"

Dmitrij Kapitelman
Lesen, Schreiben, Mirsachenmerken. Journalismus darf auch Spaß machen.
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Dmitrij KapitelmanDienstag, 09.08.2022

Christian Esch, seit 14 Jahren Russland-Korrespondent für den SPIEGEL, hat einen fulminanten Text über die Stadt Moskau im Krieg geschrieben. Falls fulminant denn das richtige Wort ist für so viele bittere Wahrheiten.

"Wie Wladimir Putin mein Moskau verändert hat" ist die Überschrift. Gepaart mit der Frage, warum nur so viele Russen diesen Krieg gegen die Ukraine unterstützen. Wobei, eigentlich sei auch das nicht mehr klar. Wie soll man wissen, was die Leute wirklich denken, wenn es zu gefährlich ist für die Leute, offen zu sprechen? 

Esch trifft Alexej Wenediktow, der über 24 Jahre den kritisch-liberalen Sender Echo Moskwi geleitet hat. Gleichzeitig aber durchaus ein Weinchen mit Putin trank und mit der Chef-Propagandistin von Russia Today befreundet ist. Eine Figur also grau genug, um glaubwürdig zu sein. Starker Auszug aus einem Gespräch, das Wenediktow mit eben dieser Margarita Simonjan von RT führte. Er bringt ihr Fotos zerbombter ukrainischer Kinder mit. 

"Ich sagte: ›Margo, das sind Kinder wie deine.‹ Ich dachte, sie erzählt mir jetzt etwas von Kollateralschäden. Aber ihre Augen wurden glasig, und sie sagte: ›Die Nazis haben sich selbst bombardiert. Das ist inszeniert.‹« Wenediktow sagt: »Die spielt das nicht. Die glaubt das wirklich.« 

Esch trifft unter anderem noch die Bürgerrechtsaktivistin Marina Litwinowitsch, den Duma-Abgeordneten von "Einiges Russland", Alexander Borodaj. Ein glühender Anhänger des Kriegs, den er sich so unumgänglich eigentlich schon 2014 gewünscht hätte. Fast interessanter sind aber die atmosphärischen Beschreibungen der russischen Gegenwart. Wie diese zu den Sanktionen. Den scheinbar verpuffenden, die halt mal dazu führen, dass das Tetra-Pack nur halbseitig bedruckt ist, weil die Farbe fehlt: 

"Еs sind lächerlich kleine Veränderungen. Die Sanktionen haben ihren Schatten auf Russlands Zukunft gelegt, aber nicht auf die Gegenwart. Noch kann man so tun, als wäre nichts, als ginge das Leben weiter, als würde Russland nicht gerade versuchen, sein Nachbarland zu vernichten. Es heult keine Sirene Luftalarm, es wummern keine Flugabwehrkanonen, es hat sich nur das Einkaufssortiment etwas verändert. Wer Butscha gesehen hat, für den ist der Kontrast schwer auszuhalten."

Ich habe hier recht wild aus dem Text heraus zitiert. Es hätte noch sehr viel mehr Passagen gegeben, die ich gern hervorgehoben hätte. Aus diesem wirklich sehr sehr staken, auch stark bedrückendem Text über eine entfesselte und doch gefangene, vielleicht sogar gewissenlos gewordene russische Gesellschaft.

"Wie Wladimir Putin mein Moskau verändert hat"
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Kommentare 6
  1. Achim Engelberg
    Achim Engelberg · vor mehr als ein Jahr

    Ein sehr lebendiger, facettenreicher Artikel ist das.

    Ergänzend sei dieser Beitrag empfohlen: https://www.eurozine.c...

    Dieser Ausdruck erscheint mir treffend: "...infected with a crime. This is truly a plague."

    Im Perlentaucher wird er mit einem kleinen übersetzten Auszug so vorgestellt:

    Natalija Jakubova versucht sich zu erklären, wie so viele Russen Putin auf den Leim gehen können: "Putin hat sowohl das Militär als auch die Zivilbevölkerung mit einer sadistischen Frage konfrontiert: Was werdet ihr tun, wenn ein riesiges, scheinbar unglaubliches Verbrechen in eurem Namen oder durch eure Hände verübt wird? Wir wissen bereits, wie die Mehrheit der Zivilbevölkerung geantwortet hat: Sie leugnet die Existenz des Verbrechens. Als virtuelle Komplizen können sie sich nicht vorstellen, dass sie mitschuldig sind. Und die Leugnung ist für das Militär noch schlimmer. Sie begehen ein Verbrechen, sobald sie die Grenze überschreiten. Einige ergeben sich. Die meisten gehen in ihrer Verzweiflung 'bis zum bitteren Ende'. Sie haben sich mit einem Verbrechen infiziert. Dies ist wirklich eine Plage. Die meisten Russen sind auf dieses moralische Dilemma nicht vorbereitet. Eine gesunde Reaktion wäre gewesen, die unangenehme Wahrheit anzuerkennen, dass das 'Unmögliche' geschieht, und öffentlich zu erklären, dass sie die Legitimität dessen, was getan wird, nicht akzeptieren werden, dass sie nicht zulassen werden, dass ihre Regierung dies in ihrem Namen tut. Stattdessen ist in den meisten Fällen genau das Gegenteil eingetreten, nämlich die Bereitschaft, die Phantasien und Lügen zu glauben, die staatliche Rechtfertigung für den Krieg zu akzeptieren und ihn zu unterstützen und zu verbreiten. Täten sie das nicht, würden sie sofort mit Schamgefühlen und Verantwortung konfrontiert werden.

    1. Michael Homborg
      Michael Homborg · vor mehr als ein Jahr · bearbeitet vor mehr als ein Jahr

      Ich frage mich dann, wer in ein solch tiefes, emotionales Tal gestoßen wird, gibt es daraus jemals wieder eine Rückkehr? Selbst nach einem irgendwann natürlich erfolgenden Ableben seitens Herrn Putins? Wird Alexey Nawalny oder irgend ein anderer Oppositioneller je wieder die Möglichkeit haben die Russen rational zu erreichen, glaubhaft aufklären und die kollektive Schuld von Ihnen nehmen können? Das sie erkennen, wir Europäer wissen, dass sie Opfer von Propaganda wurden, ihr müsst euch nicht schämen, ihr wurdet auf die perfideste Weise verführt?

    2. Achim Engelberg
      Achim Engelberg · vor mehr als ein Jahr

      @Michael Homborg Diese Fragen sind momentan kaum zu beantworten, weil wir das Ausmaß der Zerstörung am Ende des Krieges nicht kennen.
      Die bisherigen Geschichte, auch die deutsche, zeigt, dass es möglich ist, aber lange dauert. Für Generationen wird nicht nur das russisch-ukrainische Verhältnis gestört sein.

    3. Michael Homborg
      Michael Homborg · vor mehr als ein Jahr

      @Achim Engelberg Ja, das sehe ich genauso - das selbst mit der besten wissenschaftlichen Aufarbeitung und selbst Tribunalen vergleichbar den Nürnberger Prozessen, es Dekaden dauern wird bis der jetzt stattfindende Krieg "konstruktiv verarbeitet" werden kann.
      Aber was bedeutet diese Erkenntnis für uns im Jetzt? Können wir bereits heute etwas Konstruktives für die Nach-Kriegsphase der "Ent-Putinisierung" des russischen Volkes tun? Wie vermeidet man die Fehler, die Gorbatschow und Jelzin haben scheitern lassen?

    4. Achim Engelberg
      Achim Engelberg · vor mehr als ein Jahr

      @Michael Homborg Momentan ist die Unterstützung bis hin zu schweren Waffen wichtig, aber leider wissen wir nicht wie weit der Krieg noch eskaliert.

      Deshalb halte ich diplomatische Offensiven notwendig, möglicherweise erkennt man dadurch auch nur Lücken.

      Vieles von heute ist anders als gestern. Eine militärische Großmacht, die mit Massenvernichtungswaffen droht, Einsteins Alptraum, ist wahr geworden. In Vietnam überlegten die USA intern, wie wir heute wissen, eine Bombe einzusetzen, was aber dann ausgeschlossen worden ist. Russland dagegen droht immer wieder offen damit.

      Obwohl es noch Widerstand von den Angegriffenen gibt, plädiere ich, mit Russen im Exil ins Gespräch zu kommen.

    5. Michael Homborg
      Michael Homborg · vor mehr als ein Jahr

      @Achim Engelberg Tatsächlich traue auch ich dem Regime noch einiges zu, wenn es erst mal richtig brenzlig wird und die Ukrainer wieder Landgewinne machen. Um so wichtiger der Dialog mit den Exil-Russen, gerade mit denen die jetzt geflohen sind, um ein neues "Dann" zu entwerfen, ja.

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