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Text über eine Kindheit und Jugend in Bayern - Oans, Zwoa....Kotzen.

Marcus Ertle
Journalist
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Marcus ErtleDienstag, 27.11.2018

Dieser Text von Anne Gien, der im Oktober in der ZEIT erschien, war einer der meistkommentierten und polarisierendsten. Sie beschreibt darin ihre Kindheit und Jugend in Bayern und betrachtet das, man muss es so sagen, Phänomen Bayern dabei sehr kritisch.

Da ich selbst in Bayern und in derselben Stadt wie die Verfasserin aufwuchs, bin ich einerseits vielleicht nicht der uninformierteste Leser, andererseits aber auch befangen. Ich habe beim Lesen immer mal wieder mit dem Gedanken gespielt, diesen Text als Unpiq zu bezeichnen. 

Ich werde es nicht tun. Der Text ist weder misslungen noch irrelevant. Wieso also der Gedanke an das Unpiq-Label?

Wahrscheinlich weil der Text, zumindest in meinen Augen, eine Schieflage hat, die ihn allerdings, wohl unfreiwillig, zum Selbstporträt der Autorin als Angehörige eines bestimmten Milieus macht. Eine Auto-Milieustudie quasi. Und als solche funktioniert der Text sehr gut.

Denn wenn die Autorin die kleinen und großen Heucheleien, Selbstherrlichkeiten und Derbheiten einer Jugend in Bayern beschreibt, beschreibt sie im Grunde den Ekel der liberalen gebildet-bürgerlich-urbanen Schicht vor der derben Doppelbödigkeit des selbstzufriedenen Mainstreams, der Lokalkolorit liebt.

Dieser Ekel zeigt sich exemplarisch in einer Szene, in der die Autorin beschreibt, wie in einem Club in Augsburg...

"Mädchen an der Polestange hingen und zu Shake your Luffytuffy ihre Hintern an den Schwanz eines Hauptschülers rieben."

Als wäre der Schwanz eines Hauptschülers per se weniger Wert als der eines Gymnasiasten. 

Nein, was hier angewidert thematisiert wird,  ist nicht genuin bayerisch. Auch in anderen Gegenden wird zuviel gesoffen, sind die Menschen verlogen, machen N*-Witze über Schwarze und empfinden die Gegend in der sie zufällig leben als die schönste auf dem Planeten. Zugleich ist der Typus, den die Autorin vertritt weit verbreitet. Es sind die Menschen, die aus der Provinz stammen (also ca.90% aller Deutschen), sich ihrer vergleichsweise ruralen Herkunft schämen und am liebsten immer schon Kosmopoliten gewesen wären von denen es keine Kinderfotos in Lederhose gibt. Das kann ich beurteilen, ein wenig geht es mir nämlich auch so. 

Aber Schuld daran ist nicht Bayern, das ja wirklich ein schöner Flecken ist, sondern wahrscheinlich der Zufall des Geburtsorts. Die einen schämen sich für Weißwürste, andere für Soljanka oder Spätzle. 

Vor diesem Hintergrund ist der Text ein guter Impuls zur Selbstreflexion.

Text über eine Kindheit und Jugend in Bayern - 
Oans, Zwoa....Kotzen.

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Kommentare 5
  1. Maximilian Rosch
    Maximilian Rosch · vor mehr als 5 Jahre

    "Ich mochte meine Schulzeit eigentlich. Es wurde viel geknutscht, gelästert, rumgehangen, es gab keine größeren Schlägereien, keine Glatzköpfe in Springerstiefeln, dafür gab es Emos und Punker und jemand wurde schwanger, wir haben uns die Beine rasiert, unseren Namen und Hobbys in Poesiealben gekritzelt und heimlich auf dem Klo geraucht, so wie an fast jeder anderen Schule in Westdeutschland auch."

    Würde ich so unterschreiben (vielleicht abgesehen vom Beine rasieren in meinem Fall). Aber ich bin zur gleichen Zeit in Thüringen zur Schule gegangen... Das "West" kann also gern gestrichen werden.

  2. Daniela Becker
    Daniela Becker · vor mehr als 5 Jahre

    Ich sag’s mal so: für mich als immer schon etwas ökiger angehauchten Mensch war das Aufwachsen an einem selbst ernannten Elite-Gymnasium mit einer Mischung aus pubertierenden JUlern und FC Bayern-Fans auch nicht gerade immer ein Quell der Freude. Aber es gab Brezn.

    1. Marcus von Jordan
      Marcus von Jordan · vor mehr als 5 Jahre

      hats bei euch keine Grünen, keine Punks, keine HipHoper, keine Müslis, keine 60er gegeben?...zefix wo seids denn ihr naus alle? Ja klar - Dobrindt war auf meiner Schule, aber Notwist auch.

    2. Daniela Becker
      Daniela Becker · vor mehr als 5 Jahre

      @Marcus von Jordan Pfadfinder. Es gab Pfadfinder. Ernsthaft, ich habe das Weggehen nach dem Abi wirklich als Erlösung empfunden. Unendliche Weiten. Aber das ist halt wahrscheinlich kein Bayern-typisches Phänomen, sondern einfach sich selber finden. Übrigens galt ich dann in meinem norddeutschen Freundeskreis als Vorzeige-Bayer. Karma is a bitch.

  3. Marcus von Jordan
    Marcus von Jordan · vor mehr als 5 Jahre

    ja befangen bin ich auch, denn ebenfalls nur 50km vom Ort des angeblichen Geschehens aufgewachsen. In Augsburg habe ich, als Anna so 3 Jahre alt war, eine Weile in einem Club Platten aufgelegt - das war ein ganz besonders witzige und weltoffene, menschlich erfreuliche Szene. Aber klar, ich kenne alles Beschriebene. Erstaunlich nur, dass 50km weiter und 20 Jahre früher das alles so viel weniger krass war und dass es dort auch so viel gute Szene und Offenheit und warme Menschlichkeit gab. Und sehr erstaunlich, wie alle (also wirklich:alle!) nur irgendwie verfügbaren Klischees sich um Anna kumuliert haben. Sie tut mir leid, das Ganze wirkt irgendwie wahnsinnig wund. Wie eine Auto-Trauma-Therapie. Ein Unpiq ist es aber nur wegen deiner Einleitung nicht, die sehr offensichtlich klüger ist, als der ganze dünkelnde Stereotypensalat.

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