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Man wird doch noch träumen dürfen, oder?

Christian Gesellmann
Autor und Reporter

Geboren 1984 in Zwickau, Studium der Politikwissenschaft, Geschichte und Germanistik in Jena und Perugia. Volontariat bei der Tageszeitung Freie Presse, anschließend zweieinhalb Jahre als Redakteur in Zwickau. Lebt als freier Autor in Leipzig und Bukarest. Quoten-Ossi bei Krautreporter.

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Christian GesellmannSonntag, 24.03.2019

Während meiner letzten Saison als aktiver Fußballer schleppte unser Co-Trainer einen neuen Spieler an, der uns als hoffnungslos im Rennen um den Aufstieg in die Kreisliga hinterherbolzenden Mannschaft nicht gerade die ersehnte Wunderwaffe zu sein schien. Der Neue hatte die Ballbehandlung eines Foxterriers, noch nie ein Ligaspiel bestritten, noch nie auf Großfeld gespielt, und war außerdem taubstumm. Aber: Er sprintete hinter jedem Ball her, als wäre es die Nachspielzeit im WM-Finale und für eine Mannschaft, die dem Aufstieg in die Kreisliga hoffnungslos hinterherbolzte, war das zumindest so viel wert: Es gab hier eine neue Messlatte dafür, was Einsatz im Training bedeutete. Und auch sonst war der Neue: immer höflich, immer lächelnd, immer pünktlich. Er konnte nicht Fußball spielen, aber er machte aus uns trotzdem etwas weniger schlechte Fußballer, einfach durch seine schiere Freude daran, dieser schönsten aller Nebensachen frönen zu können – ein Privileg, dessen Würdigung man gelegentlich vergisst, wenn man dem eigenen körperlichen Verfall im Wochenrhythmus begegnen muss und die Wunde, die zwischen den Bildern in der Sportschau und denen vom Dorfplatz klafft, immer größer wird.

Irgendwann kam der große Moment für den Neuen. Ein Auswärtsspiel im Winter auf Asche. Ein paar unserer besten Spieler waren lieber gleich zu Hause geblieben. Inklusive Trainer waren wir gerade mal elf Mann. Der Neue musste im Sturm ran. Wurde von Zuschauern und Gegenspielern herzlichst verspottet, weil er noch rannte und rannte, wenn die anderen längst schon den Abseitspfiff gehört hatten. Wir gingen in Rückstand. 0:1. 0:2. Alle motzen sich an. Man beginnt sich zu fragen, warum man sich das antut. Das Geld. Die Zeit. Der Neue rannte weiter, als wäre es WM-Finale. Und irgendwann erlief er sich einen nach vorn gebolzten Pass, lief auch am gegnerischen Torhüter vorbei und schoss sein erstes Tor. Endloser Jubel. Das Spiel haben wir trotzdem verloren, aber es fühlte sich wie ein Sieg an. Ein Sieg über unsere eigene Engstirnigkeit, die immer nur eine Reaktion auf den Neuen kannte: Der ist doch eh nicht gut genug. Denn wer sind wir schon, anderen zu erzählen, wonach sie streben sollten und wonach nicht? Und wer könnten wir selbst sein, würden wir auch mal einem Traum hinterherrennen, der unerreichbar scheint?

Um genau diese Fragen geht es in dieser tiefgründig recherchierten, elegant und schnörkellos erzählten Reportage von Matt Giles über Dan Stoddard, einen 200 Kilo schweren Busfahrer, der sich im Alter von 38 Jahren an der kanadischen Uni Algonquin einschreibt, um eine Karriere als Basketballprofi anzustreben, und dabei Unvorstellbares erreicht. 

According to Trevor Costello, Algonquin’s head coach, “All Dan cares about is getting better and better. This fucker is constantly in pain. He sprained his ankle before last Christmas, and after a twelve-hour shift driving a bus, his foot down on the ground the whole time, his foot was the size of a watermelon. He’s just so dedicated. Fuck, if he was a real stud, he’d get us thirty points a game. But he’s working — he’ll be better next year.”
Man wird doch noch träumen dürfen, oder?

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Kommentare 1
  1. Gabriele Feile
    Gabriele Feile · vor 5 Jahren

    Vielen Dank für diese unglaublich gute Einleitung. Ich habe den Originaltext nur angelesen, aber allein das Bild eures Mitspielers, wie er läuft und läuft hat bei mir einiges ausgelöst. Das ist so ähnlich wie die Geschichte des tauben Frosch, der als Einziger auf einen Turm klettert, weil der die Warnungen der Zuschauer nicht hört. https://nur-positive-n...

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