Christine Nöstlinger ist tot. Sie starb am 28. Juni im Alter von 81 Jahren in Wien-Ottakring. Ihre Kinderbücher – wilde, kluge, stachelige, politische Literatur – sind Teil unseres kollektiven Gedächtnisses, genau wie ihr lakonischer Tonfall und ihre unbedingte Direktheit. Sie erzählte Geschichten aus der Welt, wie sie ist und ließ keinen Zweifel daran, dass gewöhnliche Menschen diese Welt zum Besseren verändern können.  

Aus ihren letzten Interviews spricht eine große Hoffnungslosigkeit. Im Oktober 2016, als dieser Text entstand, engagierte sie sich im österreichischen Wahlkampf, gesundheitlich angeschlagen und nahe an der Resignation angesichts ihrer täglichen Beobachtungen.

Neulich war ich im Supermarkt, da gingen drei türkische Frauen. Vor ihnen ein Wiener, der sagt: Wenn ich ein Gewehr hätte, würde ich sie erschießen. Ich frag: Warum, die haben Ihnen doch nichts getan? Er: Haben’S mich gern. Mit dem kann man doch nicht in den Dialog treten. Die kulturelle Firnis ist weg.

„Ich war früher politischer“, sagt sie über ihre Arbeit,

weil ich dachte, dass sich die Welt zum Besseren hin verändert und dass die Kinder, für die ich schreibe, später ein anderes, freieres Leben haben werden. Da mutet man Kindern mehr zu, man denkt sie sich widerständiger, mutiger. Außerdem lernt man im Laufe der Jahre viel über die Funktion der eigenen Bücher dazu. Viele Frauen haben gesagt, meine Bücher hätten sie getröstet. Das freut mich, aber es war nicht meine Absicht. Ich wollte lieber aufwiegeln, aufmuntern.

Nach über hundert Büchern, unzähligen Kolumnen und öffentlichen Auftritten glaubte sie nicht, dass es ihr gelungen sei, jemanden zu beeinflussen. Ich will, dass das nicht wahr ist.